Multimedia revolutioniert die Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings

Eine verhaltenswissenschaftliche Betrachtung


Diplomarbeit, 1998

100 Seiten, Note: 2


Leseprobe

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Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

Abbildungsverzeichnis

 

 

I. Einleitung

 

1. Problemstellung der Arbeit

 

Der Weg ins digitale Zeitalter, der schon längst begonnen hat, bringt eine Vielzahl an Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft mit sich. Es vollzieht sich derzeit ein Wandlungsprozeß von der Produktions- zur Kommunikationswirtschaft. Diese vollendet die Produktionsgesellschaft zu ihrer bislang entwickelsten Form, der Informationsgesellschaft.[1]

 

Ein wesentlicher Aspekt dieser Informationsgesellschaft ist die Multimediatechnologie als Teil der Informations- und Kommunikationstechnik, die bereits seit einiger Zeit einen der weltweit bedeutendsten Wirtschaftszweige repräsentiert. Der Ausgangspunkt für die Entstehung von Multimedia ist in der technologischen Konvergenz, basierend auf der Digitalisierung von Daten, zu sehen, die zu einer Konvergenz der sogenannten „TIME-Industrien“, d.h. der Telekommunikation, der Informationstechnologie, der Medienindustrie und der audiovisuellen Elektronik, führt.[2] Die TIME-Industrien bieten Multimedia-Systeme an, die schließlich von Unternehmen für Marketingzwecke angewendet werden.[3] Als Folgen dieser Entwicklung können neue Geschäftsfelder erschlossen werden, wobei allerdings mit einer sehr intensiven und zum Teil neuartigen Konkurrenz gerechnet werden muß, da solche Technologien den globalen Wettbewerb fördern. Das bedeutet auch, daß sich der Kommunikationswettbewerb künftig nicht entspannen, sondern wohl eher erheblich verschärfen wird. Diesen Trends müssen die Unternehmen in ihrem Handeln entsprechen und ihre Unternehmenspolitik kontinuierlich anpassen.

 

Insbesondere für die Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings erweist sich Multimedia als eine neue und bedeutende Herausforderung. Die Chance multimedialer Anwendungen könnte in einer Verbesserung der Marketingstrategie liegen, mit der eine bessere Erreichbarkeit und Beeinflussung der Konsumenten erfolgen kann und die somit zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen führt.

 

Ein Beweggrund zur Einführung modernster Kommunikationstechniken könnte aber auch die von John W. Meyer und Brian Rowan angesprochene Legitimitätsfunktion für Organisationen sein.[4] Damit ist gemeint, daß in einer Gesellschaft Vorstellungen, Regeln und Annahmen darüber bestehen, wie rationale und effiziente Unternehmen auszusehen haben, damit sie ihre Existenzberechtigung in der Gesellschaft aufrechterhalten können. Gerade heute existiert immer mehr die Vorstellung, daß ein Unternehmen beispielsweise durch eine Homepage im Internet vertreten sein muß. Ist dies nicht der Fall, so erscheint das betreffende Unternehmen als unmodern, unflexibel und nicht wettbewerbsfähig. Eine Internetpräsenz wird für Unternehmen daher zunehmend zu einer Institution, auf die sie nicht verzichten können, selbst wenn die Homepage nicht unmittelbar mit einem Produktivitätsvorteil verbunden ist. Eine verbesserte Marketingstrategie wird hier primär nicht angestrebt, vielmehr steht ein Me-too-Effekt im Vordergrund.

 

Die Wichtigkeit multimedialer Anwendungen wird für die Unternehmen also weiter zunehmen, da sich mit ihrem Einsatz u.a. neue Möglichkeiten zur Kommunikation mit den Konsumenten zum Zweck der Meinungs- und Verhaltensbeeinflussung erschließen. Auch der Konsument unterliegt einem Veränderungsprozeß. Unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Wandels kann ein Trend zunehmender Individualisierung und das Bedürfnis nach aktiver Selbstverwirklichung beobachtet werden. Der Rezipient will im Gegensatz zu früher als „Kommunikationspartner“ behandelt werden, der seine Informationsbedürfnisse aktiv und individuell befriedigt.[5] Hinzu kommt, daß der Konsument die Grenzen der Informationsaufnahme- und -verarbeitungsfähigkeit längst erreicht hat. Dieser „Information-Overload“ ist für immer geringer werdende Grenzerträge aus Kommunikationsinvestitionen verantwortlich.[6]

 

Ziel dieser Diplomarbeit ist es zu untersuchen, wie Multimedia im Vergleich zu den klassischen Kommunikationsmedien, wie TV, Radio und Print, hinsichtlich der Beeinflussung des Konsumentenverhaltens wirkt. Dabei wird der Einfluß von multimedialen Anwendungen auf die psychischen Determinanten der Verhaltenswissenschaften betrachtet. Es soll deutlich werden, wie multimediale Anwendungen die aktivierenden Prozesse Emotion, Motivation und Einstellung im Hinblick auf die Marketingzielsetzung beeinflussen. Des weiteren wird gezeigt, zu welchen kognitiven Veränderungen der gezielte Einsatz der hier betrachteten Systeme in bezug auf die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung beiträgt. Möglichkeiten, Entwicklungstendenzen und Handlungsempfehlungen des Multimediaeinsatzes im Marketing sollen aufgezeigt werden.

 

Die Umweltdeterminanten des Konsumentenverhaltens werden durch die Betrachtung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Wirkungsweise von Massenmedien einbezogen.

 

Schwerpunktmäßig werden folgende Fragestellungen behandelt, die in diesem Zusammenhang erklärungsbedürftig sind: Ist Multimedia substitutives oder komplementäres Instrument der klassischen Kommunikation zwischen Unternehmen (Sender) und Konsument (Empfänger)? Wie aktiviert und beeinflußt Multimedia den Konsumenten? Kann Multimedia langfristig Einstellungsänderungen bewirken? Wie ändert sich das Informationsverhalten der Rezipienten bei multimedialer Kommunikation? Wo liegen Chancen und Risiken des Multimediaeinsatzes?

 

Trotz zunehmender Bedeutung und der Aktualität neuer Medien im Marketing ist diese Problemstellung hinsichtlich des verhaltenswissenschaftlichen Aspektes bisher nicht oder nur ansatzweise behandelt worden. Diese Arbeit soll diesbezüglich einen positiven Beitrag leisten.

 

2. Gang der Untersuchung

 

Die soeben vorgetragene Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit soll durch folgendes Vorgehen bearbeitet werden.

 

Eingangs werden die relevanten Rahmenbedingungen betrachtet, unter denen sich der Multimediaeinsatz vollzieht und auf die das Marketing adäquat reagieren muß. Um darzustellen, auf welche veränderten Marktbedingungen Multimedia trifft, werden zunächst die derzeitigen Entwicklungen und Kennzeichen heutiger Märkte nachgezeichnet. Gesättigte Märkte, der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten, Globalisierungsentwicklungen sowie die Entstehung netzwerkartiger Organisationsformen (virtuelle Unternehmen) sind hier als Hauptmerkmale der gegenwärtigen Märkte zu nennen. Insbesondere für die verhaltenswissenschaftliche Orientierung dieser Arbeit ist neben den Änderungen der Marktbedingungen vor allem auch der permanente gesellschaftliche Wandel zu beachten. Als Ursache für die Dynamik in der Gesellschaft werden sowohl quantitative (allgemeine sozio-demographische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur) als auch qualitative Aspekte (Veränderungen im Wertesystem der Konsumenten) angeführt. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hierbei auf den qualitativen Entwicklungen, innerhalb derer vier zentrale Tendenzen des Wertewandels herausgearbeitet werden. Auch die Kommunikationsbedingungen, als Teil der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, so daß hier von der Marketingseite eine Anpassung erfolgen muß. Es wird herausgestellt, daß vor allem die zunehmende Informationsüberlastung einen Trend zur Bild- und Individualkommunikation erfordert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Informationsgesellschaft und ihre Merkmale eingegangen.

 

Im sich anschließenden Kapitel II. 2. werden nach einer kurzen Einordnung der verhaltenswissenschaftlichen Theorie in das Marketing die Grundlagen des Konsumentenverhaltens erörtert. Zur Einführung und zum besseren Verständnis der Wirkungszusammenhänge wird die Entwicklung vom S-R- zum S-O-R-Paradigma aufgezeigt. Danach wird die intervenierende Variable (O) hinsichtlich aktivierender und kognitiver Prozesse tiefergehend analysiert. Ausgehend vom zentralen Begriff der Aktivierung werden die Konstrukte Emotion, Motivation, Einstellung sowie Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung näher erklärt. Die vorgenommene Abgrenzung der einzelnen Konstrukte erfolgt aus analytischen Erwägungen und Gründen der Übersichtlichkeit. Tatsächlich bauen die Elemente aufeinander auf und sind stark interdependent. Insgesamt wird in diesem Kapitel eine eingeschränkte und vereinfachende Betrachtung der ansonsten sehr umfangreichen und komplexen verhaltenswissenschaftlichen Theorie gegeben.

 

Das Kapitel II. 3. beschäftigt sich mit den Grundlagen von Multimedia und zeigt zunächst die drei wesentlichen Merkmale multimedialer Systeme auf. Nachdem verschiedene Multimedia-Systeme, unterschieden in Offline- und Online-Medien, in bezug auf ihre Einsatzmöglichkeit im Marketing vorgestellt werden, wird die Entwicklung des Multimediamarktes skizziert. Hier werden die vorher eingeführten Systeme quantitativ eingeordnet. Es kann jedoch weder eine exakte Beschreibung des augenblicklichen Zustandes gegeben werden - dafür ist die Dynamik der Multimediatechnologie in den verschiedenen Branchen zu groß - noch kann ein präzises Zukunftsszenario entwickelt werden.

 

Im vierten Abschnitt des Hauptteils wird nun das Konsumentenverhalten unter dem Einfluß neuer Multimedia-Anwendungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der relevanten Rahmenbedingungen untersucht. Es soll zunächst gezeigt werden, welche Aktivierungswirkungen durch den Einsatz von Multimedia in der Kommunikationspolitik im Vergleich zu den klassischen Medien erzeugt werden. Davon ausgehend werden im Kapitel „Erlebnis- und emotionsorientiertes Marketing mit Multimedia“ die multimedialen Möglichkeiten einer innovativen erlebnisvermittelnden Ansprache der Konsumenten untersucht. Analog zum Kapitel II. 2.3 wird hier aufgezeigt, wie die aktivierenden Prozesse Emotion, Motivation und Einstellung durch Multimedia-Anwendungen das Konsumentenverhalten gezielter beeinflussen können. Im Kapitel II. 4.3 hingegen stehen vor allem die kognitiven Vorgänge im Mittelpunkt der Betrachtung. Hierzu wird das Wirkungsmuster der informativen Werbung analysiert. Schließlich wird das Konsumentenverhalten  bezüglich  der  Informationsaufnahme,  -verarbeitung  und -speicherung unter dem Einfluß multimedialer Kommunikation mit dem Informationsverhalten bei klassischen Medien verglichen. Aufbauend auf die vorangegangenen Kapitel werden in Kapitel II. 4.4 die bisher festgestellten multimedialen Wirkungen in eine innovative Marketingstrategie übersetzt, die den Anforderungen der Konsumenten und den gesellschaftlichen Bedingungen besser entspricht und aus der sich Empfehlungen ableiten lassen. Hierzu werden Kennzeichen einer solchen multimedialen Strategie herausgearbeitet. Dabei werden sowohl Chancen als auch Risiken deutlich.

 

Als Abschluß des Hauptteils soll der klassische verhaltenswissenschaftliche Ansatz dahingehend betrachtet werden, ob er unter dem Einfluß von Multimedia unverändert bleiben kann oder modifiziert werden muß. Ausgehend vom S-O-R-Modell wird das klassische Kommunikationsmodell dem multimedialen Kommunikationskonzept bezüglich des Konsumentenverhaltens gegenübergestellt.

 

Insgesamt werden in der vorliegenden Ausarbeitung häufig die verschiedenen Multimedia-Systeme allgemein mit dem Begriff „Multimedia“[7] bezeichnet und nicht näher spezifiziert, um die Übersichtlichkeit zu wahren und Tendenzaussagen erkennen zulassen. Wir konzentrieren uns i.a. auf die wichtigsten Multimedia-Anwendungen wie das Internet, die CD-ROM und POI-Systeme, da diese schon einen fortgeschrittenen Entwicklungsstand und einen gewissen Verbreitungsgrad besitzen.

 

Im Fazit werden noch einmal die Hauptergebnisse der Arbeit zusammengefaßt. Es wird eine übergeordnete Bewertung der multimedialen Kommunikations-möglichkeiten hinsichtlich der Beeinflussung des Konsumentenverhaltens vorgenommen. Die bewußt etwas provokant formulierte These im Titel der Arbeit soll auf ihre Gültigkeit hin beurteilt werden. Des weiteren wird ein Ausblick auf die Zukunft gegeben.

II. Hauptteil

 

1. Rahmenbedingungen

 

Die multimedialen Anwendungen können nicht losgelöst von bestimmten Rahmenbedingungen betrachtet werden. Zum einen entwickeln sich diese Systeme durch technischen Fortschritt ständig weiter (vgl. dazu Kap. 3.), zum anderen wird dieser Trend durch ein dynamisches Umfeld begünstigt und gefördert. Dieses ist gekennzeichnet durch sich verändernde Markt- und Kommunikationsbedingungen und einem permanenten Wandel innerhalb der Gesellschaft. Diesen Herausforderungen hat sich auch das konventionelle Marketing zu stellen, indem es sich diesen Rahmenbedingungen anpassen muß.

 

1.1 Marktbedingungen

 

Eine Vielzahl von Unternehmen sind tiefgreifenden Veränderungen der Markt- und Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt. Wir haben es heute in vielen Bereichen mit gesättigten Märkten zu tun, deren Marktpotential weitgehend ausgeschöpft ist. Ein Wettbewerber kann seinen Marktanteil i.d.R. nur noch zu Lasten anderer Anbieter wesentlich vergrößern. Im Vergleich zu neuen, wachsenden Märkten folgt hieraus eine verstärkte Konkurrenz und ein harter Verdrängungswettbewerb.[8] Kennzeichen solcher gesättigter Märkte sind ausgereifte und homogene Güter sowie eine Zunahme an Me-too-Produkten, die einen geringen Innovationsgrad aufweisen und qualitativ gleichwertig sind (z.B. Lebensmittel, Computerhardware, Automobile). Dies macht es dem Verbraucher immer schwieriger, die Angebote zu identifizieren.[9] Unter diesen Bedingungen besteht das Hauptproblem der Anbieter darin, sich durch Produkt- oder Leistungsvorteile von ihren Konkurrenten abzuheben, zumal auch die Markenloyalität stetig abnimmt. Daher gilt es, dem Konsumenten einen gewissen Zusatznutzen (Unique Selling Proposition) zu vermitteln. Darunter versteht man die Betonung eines spezifischen Nutzens des Produktes für die angesprochene Zielgruppe, den Konkurrenzangebote entweder nicht aufweisen oder der von ihnen bisher nicht beansprucht wurde.[10] Der Unique Selling Propositon (USP) soll den Konsumenten dazu veranlassen, dieses Angebot vor anderen zu präferieren. Audi warb beispielsweise jahrelang mit der vollverzinkten Karosserie als Produktvorteil. Eine weitere Möglichkeit sich kommunikationspolitisch mit seinem Angebot von der Konkurrenz abzusetzen ist die Verknüpfung des Produktes oder sogar der ganzen Unternehmung mit einem bestimmten Lebensgefühl oder Erlebnisprofil (Image). So vermittelt z.B. die Zigarettenmarke Camel „männliches Abenteuer“ und Unabhängigkeit als Lebensstil (Life Style).[11] Ob multimediale Anwendungen geeignet sind, über Erlebnisstrategien dem Konsumenten ein Image oder USP näherzubringen, wird u.a. in Kapitel II. 4.2 näher untersucht. Des weiteren steigt die Bedeutung von produktbegleitenden Dienstleistungen. Es wird immer wichtiger, um ein Produkt herum intelligente und kreative Dienstleistungen aufzubauen, damit nicht mehr vorhandene Qualitätsvorsprünge auf diese Weise kompensiert werden.

 

Ferner nimmt die Marktmacht der Konsumenten zu, so daß ein Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten beobachtbar ist. Dies liegt einerseits an der inzwischen hohen Wettbewerbsintensität in vielen Wirtschaftsbranchen, und andererseits an den gestiegenen Ansprüchen, der Kritikfähigkeit und einem verstärkten Selbstbewußtsein der Konsumenten. Die Wettbewerber müssen diesem Trend mit Kundenorientierung und höherer Flexibilität begegnen. Auf der Technikseite werden die Innovationszyklen, die neue Produkte durchlaufen bis sie von Nachfolgeprodukten mit verbesserten technischen und ökonomischen Eigenschaften überholt werden, immer kürzer. Der Zeitaufwand für die Produktentwicklung ist dabei häufig schon höher als die eigentliche Produktlebenszeit.[12] All diese neuen Produkte und Innovationen müssen dem Konsumenten vermittelt und kommuniziert werden, was erhöhte Ansprüche an die Kommunikationsfähigkeit der Unternehmen stellt.

 

Um den „mächtiger“ gewordenen Konsumenten besser und individueller anzusprechen, wird der Markt in verschiedene Segmente differenziert. Die Marktdifferenzierung erfolgt nach verschiedenen Variablen wie Lebensalter, Geschlecht, soziale Schicht, Einkommen, Lebensstil usw. Diese zunehmende Marktdifferenzierung führt zu einer stärkeren Differenzierung des Angebots und der Marktkommunikation.[13] Die aufgrund der Aufgabenstellung näher zu betrachtende Marktkommunikation kann auf gesättigten Märkten durch die Differenzierung verbessert werden, indem beispielsweise die Medien genutzt werden, die sich an spezielle Zielgruppen richten. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit, die zu vermittelnde Information individueller zu gestalten und somit den Konsumenten wirkungsvoller zu beeinflussen, als dies mit Massenkommunikation möglich wäre.

 

Ein weiteres Kennzeichen der heutigen Marktbedingungen ist die zunehmende Globalisierung der Märkte. Darunter wird die Ausdehnung des Aktionsfeldes der anbietenden Unternehmen, der Bedeutungsverlust nationaler Grenzen und die grenzüberschreitende Flexibilität der Nachfrage verstanden. Die Märkte der Welt entwickeln sich zu einem Weltmarkt.[14] Die Internationalisierung wird vor allem durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (Internet, Telekommunikationsnetz, Satellitenkommunikation u.a.) gefördert, die weltweite Marktpräsenz ermöglichen und Zugang zu Märkten schaffen, welche vormals nur schwer erreichbar oder verschlossen waren. Damit verschärft sich der Konkurrenzkampf und der Wettbewerb unter den Anbietern, da regionale oder sogar lokale Anbieter nun national und international agieren können. Somit wird durch diese Technologien die Markttransparenz der Konsumenten erhöht, was sich zusätzlich wettbewerbsfördernd auswirkt. Es sollte auch erwähnt werden, daß infolge dieses erhöhten Angebots die Entscheidungsfindung des Verbrauchers erschwert wird.

 

Vor dem Hintergrund der Globalisierung ist in zunehmenden Maße die Entwicklung netzwerkartiger Organisationsformen zu beobachten. Sie stellen neben Teleheimarbeit, Kooperationsgeflechten, virtuellen Organisationsstrukturen und Telekooperationen eine  Reaktion auf neue Markt- und Wettbewerbsbedingungen unter dem Einfluß neuer Informations- und Kommunikationstechniken dar.[15] Traditionelle Unternehmensstrukturen und -grenzen lösen sich in Richtung symbiotischer Verbindungen mit externen Partnern auf, d.h., die klassischen Grenzen der Unternehmung beginnen zu „verschwimmen“. Eine symbiotische Verbindung, auch Netzwerk genannt, nimmt in Anlehnung an die Transaktionskostentheorie (von R. Coase und später O.E. Williamson) eine intermediäre Stellung zwischen Markt und Hierarchie (interne Organisation) ein. Ein Unternehmensnetzwerk stellt eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet.[16] Dabei meint komplex-reziprok ein eher auf Vertrauen basierendes Handeln, das einer internalisierten Norm folgt, die die Organisationsmitglieder dazu verpflichtet, einer erbrachten Leistung sofort oder aber später eine Gegenleistung folgen zu lassen.[17] Klassische ökonomische Austauschbeziehungen sind im Gegensatz dazu vertraglich genau geregelt, wobei die Gegenleistung i.d.R. unmittelbar auf die Leistung folgt. Die einzelnen Netzwerkunternehmungen behalten ihre eigene Rechtspersönlichkeit und sind daher rechtlich selbständig; wirtschaftlich jedoch sind sie i.a. so stark in das Netzwerk integriert, daß sie einen Teil ihrer Handlungsfreiheit zugunsten der langfristigen Kooperation mit ihren Netzwerkpartnern aufgeben. Die Teilnehmer eines Netzwerkes stehen nicht im unmittelbaren Konkurrenzkampf, sondern arbeiten hinsichtlich einer gemeinsamen Zielsetzung zusammen (Kooperation). In lose gekoppelten Netzwerken kann zwischen den Netzwerkpartnern allerdings in anderen Geschäftsbereichen durchaus starker Wettbewerb bestehen (Bsp.: Kooperation von VW/SEAT und Ford bezüglich der Van-Familie Sharan/Alhambra und Galaxy, wobei in anderen Segmenten jedoch hart miteinander konkurriert wird).

 

Netzwerkartige Organisationsstrukturen können sowohl positive als auch negative Konsequenzen haben. Zum einen lassen sich Synergieeffekte in Form von Preis-Mengen-Effekten und Fixkostendegressionen sowie Vorteile durch Wissensaustausch realisieren, zum anderen begibt man sich jedoch in Abhängigkeiten und läuft Gefahr, Kernkompetenzen und Know-how zu verlieren.

 

Netzwerke oder netzwerkartige Organisationsstrukturen sind keine grundsätzlich neuen Organisationsformen. Kooperative Beziehungen zwischen Unternehmen existieren schon so lange wie es Unternehmen selbst gibt, jedoch läßt sich heute ein wachsendes Ausmaß an Quantität und Qualität solcher Organisationsstrukturen feststellen. Nicht zuletzt auch durch die Etablierung des Netzwerkbegriffes sind solche Phänomene zunehmend in den öffentlichen und wirtschaftlichen Blickpunkt gerückt und werden schneller erkannt.

 

In Abgrenzung zu symbiotischen Unternehmensnetzwerken, die eher langfristig orientiert sind, rücken durch die Forcierung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sogenannte virtuelle Unternehmen in den Vordergrund. Sie bilden einen Gegenpol zu solchen Unternehmen, die klar definierte Grenzen zur Umwelt aufweisen, an einen Standort gebunden sind und eine relativ dauerhafte Ressourcenzuordnung haben. In virtuellen Unternehmen geht es um eine kooperative Problemlösung zwischen lose gekoppelten Kooperationspartnern, wobei sich die Kooperationsstrukturen dynamisch bilden und zeitlich begrenzt sind. Sie entstehen dann, wenn Organisationseinheiten verschiedener Standorte, die in einem koordinierten arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozeß involviert sind, miteinander vernetzt werden.[18] Traditionelle Bedingungen der Leistungserstellung verlieren durch die Telekommunikationstechnik bedingte Unabhängigkeit von Raum und Zeit an Bedeutung. Virtuelle Unternehmen bieten sowohl den kooperierenden Geschäftspartnern eine Erweiterung der Funktionsbereiche als auch ihren Kunden ein verbessertes und diversifizierteres Produkt- und Serviceangebot. Durch virtuelle Unternehmen können Entwicklungs- und Produktionskapazitäten entsprechend den Nachfrageschwankungen angepaßt werden. Es wird eine größere Marktnähe erreicht, indem besser auf sich ändernde Kundenwünsche eingegangen werden kann. Aufgrund des Käufermarktes ist der Konsument anspruchsvoller geworden und nicht mehr bereit, organisatorisch bedingte Koordinationsprobleme, wie z.B. lange Lieferfristen oder überhöhte Produktpreise, zu akzeptieren.[19] Insofern hat sich die Marktnähe zu einem der wichtigsten Wettbewerbsvorteile herausgebildet. Eine Erweiterung zeitlicher Kapazitäten kann die virtuelle Unternehmung erreichen, wenn sie sich über die Zeitzonen standortmäßig so verteilt, daß sie rund um die Uhr dem Kunden Service bieten kann. Der Kunde kann, wann es ihm beliebt, Informationen, Auskünfte und Beratungen abrufen und wird jeweils an den Standort verwiesen, der sich momentan in Bereitschaft befindet.[20] Die Aufhebung zeitlicher Barrieren kommt den Kundenwünschen nach Individualisierung und Unabhängigkeit entgegen und ist beispielsweise bei international agierenden Fluggesellschaften und Kundendiensten im High-Tech-Bereich (Hotlineberatung) schon heute Realität. In dem Maße wie solche Dienstleistungen unabhängig von Ort und Zeit in Anspruch genommen werden können steigt das Potential kundenorientierter Lösungen und damit die Möglichkeit einer intensiveren und zielgenaueren Marktbearbeitung.[21] Aus dieser Betrachtung heraus ergeben sich also für die Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings neue Chancen und Herausforderungen.

 

Globalisierung, Netzwerke bzw. virtuelle Unternehmen und die IuK-Technologien stehen in einem interdependenten Verhältnis, indem sie sich gegenseitig fördern und einander bedingen, d.h., sie sind je nach Perspektive Voraussetzung oder Ergebnis der jeweiligen Ausprägung.

 

Unter den Marktbedingungen der zunehmenden Internationalisierung der Märkte, der schon angesprochenen wachsenden Käufermacht sowie der Schnellebigkeit von Produkten bzw. Dienstleistungen und Kundenanforderungen kann gerade die Generierung und Verbreitung von Wissen in der Organisation als einzig sichere Quelle für dauerhafte Wettbewerbsvorteile gesehen werden.[22] Unter Wissen wird das gesamte Know-how aller Mitarbeiter, die Summe aller Unterlagen sowie das externe Wissen verstanden, auf die das Unternehmen Zugriff hat. Es gilt nun, in den nächsten Jahren diese Wissensbasis zu digitalisieren und so einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Die neuen Technologien gestatten es, Wissen preiswert und digital zu speichern und über Netze jederzeit für jeden verfügbar zu machen, zumal die Ausstattung mit Computern sowie deren Vernetzung in den Unternehmen bereits vorhanden sein dürfte. Insbesondere das Marketing muß daran denken, das Wissen der Unternehmung ihren Kunden zugänglich zu machen, um ihnen somit servicefreundlich zu begegnen (z.B. Auskunft über Liefertermine, Updates von Wartungs- und Benutzerhandbüchern, Preisänderungen und Sonderangebote, Produktinnovationen etc.).[23]

 

1.2 Gesellschaftlicher Wandel

 

Die Unternehmung und insbesondere das Marketing als Schnittstelle zur Umwelt ist heute einer verstärkten Dynamik innerhalb der Gesellschaft mit seinen Konsumenten ausgesetzt. Diese Veränderungen sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Art.

 

Unter dem quantitativen Aspekt läßt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine Stagnation des Bevölkerungswachstums konstatieren. Parallel dazu läßt sich bezüglich der Bevölkerungsstruktur eine Überalterung feststellen. Einerseits trägt die verbesserte Hygiene und medizinische Versorgung zu einem steigenden Lebensalter der Menschen bei, andererseits führen die heute niedrigen Geburtenraten zu einem überproportionalen Anstieg des Anteils älterer Menschen. Des weiteren werden die privaten Haushalte immer kleiner (Anzahl der Single-Haushalte steigt), wobei das zur Verfügung stehende Einkommen zunimmt. Auch die Bildungsstruktur verschiebt sich in Richtung größerer Anteile höherer Bildung, so daß der Verbraucher informierter, rationaler und kritischer wird, was zu Änderungen im Konsumentenverhalten führt. Darüber hinaus hat die Anzahl der Urlaubstage pro Jahr in den letzten Jahrzehnten zugenommen, gleichzeitig sank die Arbeitszeit in Stunden pro Woche, so daß insgesamt den Erwerbstätigen mehr Freizeit zur Verfügung steht. Dies hat weitreichende Konsequenzen auf das Freizeitverhalten der Konsumenten und folglich auch für die Freizeitindustrien, wie die Touristikbranche, Sportbranche etc. [24]

 

Mit der qualitativen Dynamik sind die Wertesysteme und Wertepräferenzen der Konsumenten gemeint, welche einem permanenten Veränderungsprozeß unterliegen. Eine Mißachtung gesellschaftlicher Wertetrends seitens der Unternehmung kann zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen und hätte möglicherweise auch negative Konsequenzen für dessen Umwelt. Insofern stellt das Thema Werte bzw. Wertewandel eine Herausforderung an die Marketingforschung und -praxis dar. Werte, Werthaltungen und Werteinstellungen sind Richtlinien oder Zielvorstellungen in einer Gesellschaft und als elementare Vorstellungen vom Wünschenswerten oder gar als Lebensziele für grundlegende, langfristig angelegte Entscheidungen von Bedeutung.[25] Werte bestimmen also das Handeln der Mitglieder einer Gesellschaft und können derart internalisiert sein, daß sie für richtig gehalten werden, selbst wenn sie nicht befolgt werden.[26] Werte sind zeitlich relativ stabil, können sich jedoch über einen längeren Betrachtungszeitraum hinweg verändern oder es treten neue hinzu (Wertewandel).

 

In der Vergangenheit kann ein tiefgreifender Wandel in der Gesellschaft festgestellt werden, in dessen Verlauf „private Werte“ eine Aufwertung erfuhren. Bis Mitte der 60er Jahre dominierten Akzeptanz- und Pflichtwerte wie z.B. Gehorsam, Disziplin und Ordnung. Im Zeitraum von 1965 bis 1975 kam es zu einer Expansion der Entfaltungswerte. Dabei standen vor allem Freizeit, Lebensgenuß, Unabhängigkeit und Selbstentfaltung im Vordergrund. Ab Mitte der 70er Jahre trat eine Stagnation des Wertewandels bei relativ hoher Instabilität ein. Beim Bürger entwickelte sich beispielsweise ein gesteigertes Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein. Er erkannte, daß er mitverantwortlich für die Umweltbelastung ist, ebenso für den gebotenen Umweltschutz. Andere wichtige Werte sind hier Sicherheit, Geborgenheit, Zuneigung, Ehrlichkeit und Ausgeglichenheit. Dieser Wertetrend setzt sich bis Ende der 80er Jahre fort.[27] Die heutige Struktur des gesellschaftlichen Wertesystems ist nach Raffée/Wiedmann[28] gekennzeichnet durch die folgenden vier zentralen Tendenzen des Wertewandels:

 

1. Der erhöhte Stellenwert gesellschaftlicher Werte bzw. Ziele

 

Die gesellschaftlichen Werte Umwelterhaltung und Umweltschutz sowie Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen haben über Jahre hinweg oberste Priorität im Wertesystem. Auch humanitäre Ziele, wie Hilfen für die Dritte Welt und die Integration von Ausländern, werden zunehmend als sehr wichtig beurteilt. Daraus kann man jedoch nicht ableiten, daß diese Zielvorstellung in entsprechendes soziales Verhalten transformiert werden, vielmehr besteht eine Diskrepanz zwischen wünschenswertem und tatsächlichem Verhalten. Es wird allerdings deutlich, daß das Bewußtsein der Konsumenten für die aktuellen Probleme geschärft ist.

 

2. Der Trend zur Selbstentfaltung und Erleben

 

Danach erfahren die klassischen Pflicht- und Akzeptanzwerte einen weiteren Bedeutungsverlust zugunsten einer hedonistischen Selbstentfaltung und Erlebnisorientierung. Dieser Trend schlägt sich nicht nur im bewußten Konsumerlebnis („Lustprinzip“ bzw. „Genuß-hier-und-jetzt-Haltung“) nieder, sondern auch im Freizeitverhalten und in der Arbeitswelt. Das stark ausgeprägte freizeit- und erlebnisorientierte Konsumverhalten läßt Zweifel am Trend zur postmateriellen Gesellschaft im Sinne von Inglehart aufkommen.[29] Materielle Werte und Wohlstand haben nach wie vor große Bedeutung bei den Konsumenten.

 

3. Der Trend zur aktiven und kritischen Gesellschaft

 

Dies spiegelt sich konkret im Informations-, Kauf- und Beschwerdeverhalten der Konsumenten wider. So sind einzelne Anspruchsgruppen immer weniger bereit, die mangelnde Erfüllung ihrer Erwartungen und Bedürfnisse stillschweigend hinzunehmen. Vielmehr melden sie Widerspruch an und stellen Ihr Anliegen in der öffentlichen Diskussion dar, was ihnen aufgrund des Engagements gesellschaftskritischer Massenmedien in höherem Maße auch gelingt.[30] Dieser Trend äußert sich nicht zuletzt darin, daß spezielle Interessenorganisationen der Verbraucher (z.B. die Stiftung Warentest oder im ökologischen Bereich das Umweltbundesamt) inzwischen erheblichen Einfluß gewonnen haben.[31] Die Entwicklung zum aktiven Konsumenten zeigt sich auch darin, daß er mehr Einfluß auf die Gestaltung der Produkte zu nehmen versucht, um sein individuelles Produkt zu kreieren. Diese Einflußnahme der sogenannten „Prosumenten“ reicht von der Produktmitgestaltung bis zur kreativen Ausgestaltung individueller Kommunikationskampagnen. So ist es heute selbstverständlich, seinen PC individuell zu konfigurieren und sein Fahrrad aus verschiedenen Komponenten selbst zusammenzustellen. Das Marketing muß diesen Trend aufgreifen und ihr Kommunikationskonzept dementsprechend ausrichten, indem beispielsweise die Motive für eine Werbekampagne über einen Kreativwettbewerb direkt vom Werbeempfänger und nicht durch eine Werbeagentur entwickelt werden.[32]

 

4. Der Trend zur Pluralisierung der Wertesysteme

 

Mit der Pluralisierung der individuellen Wertesysteme ist gemeint, daß sich eine Vielzahl zum Teil stark differenzierender Werte-, Lebensstil- und Konsumenten-verhaltenstypen herausbilden. Klassische Zielgruppen, die in ihrem Konsumverhalten relativ leicht zu charakterisieren waren, werden immer seltener und verlieren zunehmend an Bedeutung. Ausdruck der Vielschichtigkeit individueller Wertesysteme ist das Bild des hybriden oder multioptionalen Konsumenten, der einerseits in Discount-Läden billig einkauft und andererseits teure Fernreisen unternimmt oder ein prestigeträchtiges Luxusauto fährt.[33]

 

Als ein weiterer Konsumententrend kann das „Cocooning“ genannt werden. Abgeleitet aus dem französischen cocon (= Kokon, Gespinst der Seidenraupe) bezeichnet dieser Begriff das „Sichzurückziehen“ und Abkapseln des Konsumenten von seiner Umwelt.[34] Dieser Rückzug in das Überschaubare und Vertraute resultiert aus einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren für den Verbraucher, wie z.B. schlechte Wirtschaftslage, steigende Kriminalität und der Bedrohung durch Umwelt- und Gesundheitsgefahren. Cocooning führt zum Rückzug des nach außen gerichteten Konsums. Es bedeutet jedoch nicht unbedingt Weltabgeschiedenheit, denn durch den zunehmenden Einsatz multimedialer Systeme ist es dem Konsumenten möglich, zu Hause zu bleiben, dort auch zu arbeiten und dennoch den Kontakt zur Außenwelt zu wahren.[35]

 

Insgesamt wird der Verbraucher für die Massenkommunikation unberechenbarer. Die Märkte klassischer Ausprägung wandeln sich zu einem Konglomerat von Nischen, Segmenten und Szenarien, so daß die Kommunikationskonzepte diesem individuellen Wandel stärker Rechnung tragen müssen. Hierauf wird im nächsten Kapitel näher eingegangen.

 

1.3 Kommunikationsbedingungen

 

Sättigungseffekte, Individualisierungsbestrebungen und erlebnisorientierter Konsum stellen die Unternehmen verstärkt vor die Aufgabe, neue Formen einer bedürfnisorientierten Ansprache zu finden. Die Kommunikationsbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Dies läßt sich an folgenden Aspekten aufzeigen:

 

1. Zunehmende Informationsüberflutung

 

Seit vielen Jahren steigt das Informationsangebot wesentlich stärker als die Informationsnachfrage, was zu einer Informationsüberlastung der Empfänger führt. Unter Informationsüberlastung oder Informationsüberschuß versteht man den Anteil des Informationsangebotes, der von den Rezipienten nicht beachtet wird. Nach einer Berechnung der Forschungsgruppe um Kroeber-Riel[36] beträgt die Informationsüberlastung in Deutschland ca. 98%. Obwohl dieser Wert aufgrund zahlreicher Schätz- und Meßprobleme mit Vorsicht zu behandeln ist, macht er das enorme Ausmaß der Informationsüberflutung deutlich. Neben den nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Zeitressourcen zur Informationsaufnahme ist die begrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität des menschlichen Organismusses der wohl wichtigste Grund für diesen Tatbestand.[37] Mit zunehmender Informationsüberlastung steigt auch die Informationskonkurrenz, so daß immer mehr Handlungsappelle auf die Empfänger einwirken. Dadurch wird es schwieriger, ein gewisses Involvement bzw. eine Aktivierung für das beworbene Produkt herbeizuführen - davon hängt jedoch i.a. der Markterfolg ab. Entscheidend ist, daß der potentielle Konsument das Werbeobjekt als aktuelle Alternative wahrnimmt, denn er beschränkt sich bei seinem Kaufentscheidungsprozeß von vornherein nur auf eine geringe Alternativenanzahl (Parallelen zur „bounded rationality“ von H. Simon). Ziel der Kommunikationspolitik muß es sein, trotz schlechter Kommunikationsbedingungen den Rezipienten zu erreichen und ihm die Werbebotschaft zu vermitteln. Dabei erhält die Verwendung von Bildern in der Kommunikation eine entscheidende Bedeutung.

 

2. Dominanz der Bildkommunikation

 

Eine Konsequenz der werblichen Anpassung an diese Entwicklung reflektiert der Trend zu immer mehr bildbetonter Werbung (Bildkommunikation), die wesentlich schneller aufgenommen und verarbeitet werden kann als textbetonte Werbung. Unter der Bedingung der Informationsüberlastung kommt es fast immer zum vorzeitigen Abbruch des Kontaktes mit dem Kommunikationsmittel, wobei nur ein geringer Teil der dargebotenen Information aufgenommen wurde. Da Bilder i.d.R. zuerst betrachtet werden, wird die durch das Bild wiedergegebene Werbebotschaft vom Kontaktabbruch am wenigsten betroffen, so daß Bilder einen geringeren Informationsüberschuß produzieren als sprachlich-textliche Werbebotschaften. Bilder können besonders schnell aufgenommen und verstanden werden, da sie im Gehirn weitgehend automatisch und mit geringer gedanklicher Anstrengung und Kontrolle verarbeitet werden. Des weiteren aktivieren sie relativ stark, werden besser im Gedächtnis verankert und haben einen größeren Erlebnis- und Unterhaltungswert, der gerade bei wenig involvierten, passiven Empfängern von großer Bedeutung ist.[38] Die Kommunikationspolitik und insbesondere die Werbung muß diese Bedingungen beachten. Denn enorme Wirkungsverluste gehen darauf zurück, daß die Möglichkeiten der Bildkommunikation zu wenig und nicht professionell genug genutzt werden - mit der Folge großer Fehlinvestitionen in die Kommunikation.[39]

 

3. Von der Massenkommunikation zur Individualkommunikation

 

Unter Kommunikation im weiteren Sinne versteht man die Abgabe und den Empfang von Signalen jeglicher Art, die für die Beteiligten Informationsgehalt haben können. Im Marketingkontext umfaßt die Kommunikation die bewußte Beeinflussung marktwirksamer Meinungen mittels Instrumentaleinsatz mit der Absicht, die Meinungsrealität im Markt den eigenen Zielvorstellungen anzugleichen.[40] Die Kommunikation kann sich an eine Vielzahl anonymer (Massenkommunikation) oder an einzeln adressierbare Rezipienten (Individualkommunikation) wenden. Die Massenkommunikation verliert relativ zur Individualkommunikation an Bedeutung, da mit ihr die gestiegenen Ansprüche an Individualität nicht hinreichend erfüllt sind, und sich eine Marktsegmentierung nur unzureichend durchführen läßt. Für die Erreichung großer Abnehmergruppen ist ihr Einsatz jedoch weiterhin unerläßlich. Die Individualkommunikation hat den Vorteil, daß sie im Gegensatz zur monologisch ausgelegten Massenkommunikation überwiegend dialogisch und somit interaktiv abläuft.[41] Mit ihr läßt sich der Konsument adäquater, seinen Bedürfnissen und Vorstellungen entsprechend, kontaktieren. Analog zur geschilderten Entwicklung kommt es zu einem Wandel von der One-Way- zur Two-Way-Kommunikation. Der wesentliche Unterschied dieser beiden Kommunikationsformen liegt in der Wechselseitigkeit bzw. Interaktivität der Kommunikation. Die Two-Way-Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, daß die Kommunikationspartner aufeinander reagieren. Es findet eine direkte Rückkopplung zwischen Sender und Empfänger statt. Bei der klassischen Massen- oder auch One-Way-Kommunikation werden die Mitteilungen einseitig an ein verstreutes Massenpublikum verbreitet, wobei die Rolle von Sender und Empfänger nicht austauschbar, also asymmetrisch ist. Die Antwortmöglichkeit ist entweder von vornherein ausgeschlossen oder nur sehr eingeschränkt möglich.[42] Fördernd für den Trend zur Zwei-Wege-Kommunikation wirken die neuesten Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, die sich durch eine erhöhte Interaktivität und die Möglichkeit einer selektiven Informationsaufnahme auszeichnen. Sie sind im Sinne des Direkt-Marketings in der Lage, einen direkten Kundenkontakt herzustellen und den Kunden aus einer anonymen Gruppe herauszuheben.[43] Insofern entspricht die Entwicklung der interaktiven Kommunikation dem oben angesprochenen Wertevorstellungen und Individualisierungstendenzen der Konsumenten, die selbst Einfluß darauf nehmen wollen (Prosument), wann und welche Informationen sie abrufen.

 

Des weiteren wandelt sich unter dem Einfluß der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der zunehmenden Informationsüberlastung des Konsumenten die Push-Strategie des Marketings zu einer Pull-Strategie. Bei der Push-Strategie als klassische Marketing-Kommunikation wird mangels Treffsicherheit der Mediapläne, verbunden mit hohen Streuverlusten, die Information bzw. Werbebotschaft durch möglichst viele zielgruppenadäquate Kanäle in hoher Schaltfrequenz in den Markt gedrückt.[44] Somit soll Werbe- und Kaufdruck erzeugt werden, was jedoch die angesprochene Informationsüberlastung weiter verstärkt. Bei der Pull-Kommunikation hingegen entscheidet der Rezipient selbst, wo, wann und welcher Kommunikationsbotschaft er sich aussetzt. Dies ermöglichen die neuen multimedialen Technologien, indem sie durch Dialogfähigkeit und Interaktion die Fähigkeit zur Two-Way-Kommunikation aufweisen. Zwar tragen auch die neuen Medien zu einer weiteren Informationsteigerung bei, durch ihre interaktive Nutzungsfähigkeit sind sie jedoch in der Lage, die Wirkungsrichtung der traditionellen Kommunikationsmedien umzukehren. Der Nutzer erlangt eine Kontrolle über den Informationsfluß und kann somit die Botschaften ausblenden, die er nicht wünscht, so daß er sich auf das Wesentliche, das für ihn Relevante, konzentrieren kann.[45]

 

Im Zusammenhang mit veränderten Kommunikationsbedingungen und ihren Technologien fällt häufig der Begriff der Kommunikationswirtschaft und der Informationsgesellschaft. Mit Informationsgesellschaft wird der gesellschaftliche Gesamtkontext für die Einführung und Anwendung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien umschrieben. Der Begriff weist in Abgrenzung zu einer Gesellschaft, die in erster Linie auf industrieller Güterproduktion basierte, auf einen ökonomischen Strukturwandel mit einer wachsenden Wertschöpfung auf der Informations- und Wissensbasis hin.[46] Die Informationsgesellschaft hat ihren Ursprung nicht erst in den Neuen Medien bzw. in den multimedialen Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern gründet in der historisch-systematischen Veränderung der Marktgesellschaft.[47] Fälschlicherweise wird oftmals von einer Ablösung der Produktions- durch die Kommunikationswirtschaft bzw. der Industrie- durch die Informationsgesellschaft gesprochen. Es handelt sich jedoch nicht um eine Ablösung durch eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsform, als vielmehr um eine Weiterentwicklung und Vollendung der industriellen Wirtschaftsform zu ihrer bislang höchsten Entwicklungsstufe. Nicht das Ende des Industriezeitalters charakterisiert die Kommunikationswirtschaft und die Informationsgesellschaft, sondern dessen Vollendung, was keineswegs dasselbe ist.[48]

 

Es ist anzunehmen, daß in der Informationsgesellschaft die „Information“ den gleichen Stellenwert einnehmen wird wie in der Vergangenheit die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital. Schon heute hängt der langfristige Unternehmenserfolg zunehmend davon ab, daß die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Leuten (Mitarbeitern und Kunden) in leicht abzurufender Weise verfügbar gemacht werden. Die stark wachsende Informationsmenge steht in Interdependenz zur Möglichkeit, sie effektiv zu speichern, zu verwalten, bei Bedarf wieder abzurufen[49] und sie schließlich zu kommunizieren.

 

Die Bedeutung des Faktors Information wird sich zukünftig noch verstärken, da Unternehmen weltweit globale Unternehmensstrategien verfolgen und dabei die Informationsflüsse das Rückgrat dieser international agierenden Unternehmen darstellen. Darüber hinaus wird Zeit zum kritischen Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor. Wer zuerst über veränderte Markt- und Kundenbedürfnisse informiert ist, kann rechtzeitig reagieren und möglicherweise entscheidende Wettbewerbsvorteile gewinnen; denn nur wer in der Informationsgesellschaft zuerst mit seinen Produkten und Leistungen am Markt ist, hat die besten Chancen auf einen Markterfolg.[50]

 

Die derzeitigen Marktbedingungen, der gesellschaftliche Wandel und die veränderten Kommunikationsbedingungen müssen als übergeordnete Rahmenbedingungen für das Marketing als Schnittstelle zum Konsumenten berücksichtigt werden. Neben den multimedialen Anwendungen beeinflussen diese dynamischen Rahmenbedingungen die Inhalte der verhaltenswissenschaftlichen Theorie und damit auch den Einsatz und die Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings.

 

2. Einführung in die verhaltenswissenschaftliche Theorie

 

Das Marketing als interdisziplinäre betriebswirtschaftliche Forschungsdisziplin hat im Laufe der Entwicklung von der klassischen Absatztheorie zur modernen Marketingtheorie auf verschiedene Wissenschaftstheorien zurückgegriffen. In der modernen Marketingtheorie hat sich neben dem systemorientierten, dem entscheidungsorientierten und dem situativen Ansatz Ende der 60er Jahre der verhaltenswissenschaftliche Ansatz herausgebildet.[51] Die Verhaltenswissenschaft selbst bezieht sich wiederum auf mehrere Wissenschaften. Dazu gehören vor allem die Psychologie, Soziologie und Sozialpsychologie sowie die Verhaltensbiologie. Die Psychologie setzt sich im wesentlichen mit den individuellen Aspekten des Verhaltens auseinander, während die Soziologie die soziale Komponente betrachtet. Die Sozialpsychologie schließlich vereint diese beiden Betrachtungsweisen.[52]

 

Zentrales Fachgebiet der verhaltenswissenschaftlichen Theorie im Marketing ist die Konsumentenforschung. Sie hat das primäre Ziel, das Verhalten der Konsumenten zu erklären, indem sie Gesetzmäßigkeiten über das Verhalten formuliert, diese überprüft und an die Praxis weitergibt.[53] Aus den dann erhaltenen Ergebnissen versucht die Theorie schließlich, Techniken zur Steuerung des menschlichen Verhaltens durch Marketinginstrumente zu entwickeln (Instrumentalismus). Das Erkenntnisobjekt der Verhaltenswissenschaft ist der einzelne Mensch in seiner Rolle als Konsument (Letztverbraucher). Er soll dahingehend beeinflußt werden, daß er ein positives Bild (Image) der angebotenen Güter und Leistungen vermittelt bekommt und sich letztendlich zum Kauf entschließt.

 

Die verhaltenswissenschaftliche Forschung basiert dabei auf einer empirischen Fundierung ihrer Verhaltenshypothesen, um eine Nachprüfbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.[54] Zur Erklärung dieser Hypothesen geht sie dabei von drei grundsätzlichen Variablenklassen (S, O, R) aus. Im Zuge fortschreitender Erkenntnisse in der Verhaltensforschung können zwei Paradigmen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes unterschieden werden:

 

Stimulus-Response-Paradigma (S-R-Paradigma)

 

Stimulus-Organismus-Response-Paradigma (S-O-R-Paradigma).

 

2.1 S-R-Paradigma

 

Das S-R-Paradigma, auch black-box-Modell genannt, ist Gegenstand des behavioristischen Ansatzes, bei dem durch einen bestimmten Stimulus/Reiz (S) beim Menschen eine bestimmte Reaktion (R) ausgelöst wird.

 

 

Abb. 1: Das S-R-Paradigma[55]

 

Da dieses Modell auf der naturwissenschaftlich-empirischen Wissenschaftsauffassung gründet, dürfen wissenschaftliche Aussagen nur auf beobachtbaren und meßbaren Variablen basieren.[56] Das bedeutet, daß die nicht beobachtbaren psychischen Prozesse und Variablen, die sich im Menschen selbst abspielen, nicht berücksichtigt werden, so daß der Mensch als black-box betrachtet wird. Somit werden die Vorgänge im Inneren des Konsumenten, die dazu führen, daß die Stimuli in ein spezielles Verhalten umgesetzt werden, nicht untersucht. Beobachtbares Konsumentenverhalten kann anhand eines solchen Modells nur auf den Einfluß von ebenfalls beobachtbaren Umweltreizen zurückgeführt werden, d.h., das Verhalten wird als außengesteuert angesehen.

 

Obwohl ein behavioristisches Modell nichts über die komplexen Wirkungszusammenhänge im Konsumenten auszusagen vermag, kann es jedoch stabile Reiz-Reaktionsbeziehungen des Verhaltens in dieser Form durchaus erklären (z.B. Körperreflexe).[57] Bei Tieren ist dieses reaktive Verhalten die Regel, bei Menschen hingegen eher die Ausnahme.

 

Das black-box-Modell hat seine Grenzen dort, wo nach den Gründen für ein bestimmtes Konsumentenverhalten gesucht werden muß. So läßt sich mit dem S-R-Paradigma kaum erklären, weshalb Konsumenten auf den gleichen Reiz (z.B. gleiche Werbeanzeige) unterschiedlich reagieren können. In der Konsumentenforschung hat der behavioristische Ansatz daher keine besondere Bedeutung erlangt. Es ist zu offensichtlich, daß zwischen der Beziehung Stimulus-Reaktion Konstrukte vorhanden sind, die Stimuli blockieren, speichern und/oder verändern.[58]

 

2.2 S-O-R-Paradigma

 

Das S-O-R-Paradigma der neobehavioristischen Verhaltensforschung versucht dieses Problem zu lösen, indem psychische Konstrukte in das black-box-Modell eingeführt werden. Diese nicht beobachtbaren internen Vorgänge im menschlichen Organismus (O), die zwischen die Beziehung S-R treten, werden auch als intervenierende Variablen (I) bezeichnet, so daß vereinzelt vom S-I-R-Paradigma gesprochen wird.

 

 

Abb. 2: Das S-O-R-Paradigma[59]

 

Die Skizze zeigt, daß die Reaktion nicht direkt auf den Reiz folgt, sondern zwischen einem beobachtbaren Reiz, z.B. der Ausstrahlung eines Werbespots, und den entsprechenden Reaktionen, z.B. dem Kauf, vielmehr interne Vorgänge, wie Wahrnehmung des Reizes, Erinnerung an den Reiz oder Einstellungsänderungen intervenieren. Es wird also versucht, die im Inneren des Menschen ablaufenden Vorgänge zu erhellen bzw. in die black-box „hineinzuleuchten“.

 

Die verschiedenen Stimuli lassen sich einteilen in demographisch-sozioökonomische Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Einkommen), in das soziale Umfeld (soziale Bezugsgruppen, Meinungsführer) und in das ökonomische Umfeld der Person (Marketingmaßnahmen der Anbieter). Die im Organismus (O) ablaufenden inneren Vorgänge lassen sich nach Kroeber-Riel[60] grundsätzlich in aktivierende und kognitive Prozesse unterscheiden.

 

2.3 Aktivierende Prozesse

 

Als aktivierend werden solche Prozesse umschrieben, die mit inneren Erregungen und Spannungen verbunden sind und als menschliche Antriebskräfte verstanden werden können. Menschliche Antriebe haben für die Erklärung des Verhaltens eine zentrale Bedeutung, da sie das Individuum mit psychischer Energie versorgen und somit dafür verantwortlich sind, daß überhaupt Verhalten zustande kommt.[61]

 

Die Frage nach der Auslösung von Aktivierungsvorgängen und Aufmerksamkeit führt zur Unterscheidung in innere und äußere Reize. Innere Reize können beispielsweise durch organische Vorgänge (Stoffwechselvorgänge), durch die Einnahme von Genußmitteln (Alkohol, Tabletten, Kaffee) entstehen oder Ergebnis gedanklicher Vorstellungen sein. Äußere Reize sind solche Reize, die wir mit unseren Sinnesorganen aufnehmen, dazu zählen Töne, Bilder, Texte, Gerüche etc.[62]

 

Des weiteren unterscheidet Kroeber-Riel unspezifische und spezifische Erregungsvorgänge des Organismus. Mit erstgenannter Erregung ist die innere Spannung und allgemeine Aktivierung als „Basisvariable“ gemeint, die die Wachheit und Leistungsfähigkeit bestimmt und ausschlaggebend dafür ist, ob und wie das Individuum aktiv wird. Die spezifische Aktivierung hingegen ist mit einzelnen menschlichen Antriebskräften verbunden. Diese Antriebskräfte, wie Emotionen, Motivationen und Einstellungen, die ein bestimmtes Verhalten determinieren, entstehen durch das Zusammenspiel innerer und kognitiver Erregungsvorgänge.[63]

 

Welcher Grad der Aktivierung unterschieden werden kann, und welche Leistung dabei von einem Individuum jeweils erreicht wird, läßt die folgende Abbildung der umgekehrten U-Funktion (auch genannt „Lambda-Hypothese“ oder „kurvilineare Aktivierungshypothese“) erkennen.

 

 

Abb. 3: Der Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung[64]

 

Die Leistung umfaßt in diesem Zusammenhang sowohl die physikalische (Reaktionszeit, Kraft, Bewegungsgeschwindigkeit) als auch die psychische Leistung (Wahrnehmungsdifferenzierung, Lernen und Speichern).[65]

 

Wie aus dem Schaubild zu entnehmen ist, steigt mit zunehmender Aktivierung die Leistung eines Menschen zunächst an. Übersteigt die Aktivierung eine bestimmte Schwelle, so nimmt die Leistung wieder ab. Sowohl im euphorischen Zustand als auch im Zustand der Panik ist das Individuum in seinem Leistungsvermögen reduziert, so daß eine verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit vorliegt.[66] Ziel von Marketing- und Werbemaßnahmen ist es, den Rezipienten in einen Zustand erhöhter Aktivierung zu versetzen, so daß dieser die Botschaft besser aufnimmt, versteht und leichter lernt. Jedoch gilt es, ein überhöhtes Aktivierungsniveau zu vermeiden, welches sich in Furcht- und Angstgefühlen äußert und negativ auf die Leistungsfähigkeit wirkt. Untersuchungen am Institut für Konsum und Verhaltensforschung Saarbrücken haben allerdings gezeigt, daß der Zustand einer Überaktivierung durch Werbung praktisch niemals erreicht wird.[67] Dies ist in den allgemein leicht zu lernenden Botschaften der Werbung begründet, die auch bei einem hohen Aktivierungsgrad noch aufgenommen werden können.

 

Der idealtypische Verlauf der umgekehrten U-Funktion darf jedoch aufgrund der Mehrdeutigkeit der Variable „Leistung“ und der fehlenden Elimination von Störfaktoren nicht als empirische Gesetzmäßigkeit verstanden werden.[68]

 

Ausgehend von der allgemeinen Aktivierung, d.h. einer veränderten Aufmerksamkeit und Leistungsbereitschaft durch Reize, können komplexe psychische, aktivierende Prozesse ausgelöst werden, die insbesondere für das Marketing von zentraler Bedeutung sind:

 

Emotionen,

 

Motivationen,

 

Einstellungen.

 

Diese drei Konstrukte (intervenierende Variablen) stehen in Verflechtung und Interdependenz zu den kognitiven Vorgängen und sollen das Zustandekommen menschlicher Handlungen erklären. Die vorgenommene Grenzziehung zwischen aktivierenden und kognitiven Prozessen erfolgt aus didaktischen und analytischen Gründen und ist in der Realität nicht so eindeutig wiederzufinden. Wenn im weiteren die Konstrukte Emotion, Motivation und Einstellung nacheinander interpretiert werden, so darf auch dies nicht den Eindruck vermitteln, als handelt es sich bei diesen Konstrukten um streng gegeneinander abgrenzbare Vorgänge.[69]

 

Emotionen sind innere Erregungsvorgänge des Menschen, die subjektiv als angenehme (Interesse, Freude, Überraschung) oder unangenehme (Kummer, Zorn, Schuldgefühle, Furcht) Zustände erlebt werden.[70] Oftmals werden Begriffe wie Affekt, Gefühl oder Stimmungslage als Synonyme für diesen Terminus verwandt. Es handelt sich um ein mehr oder weniger bewußtes subjektives Erleben der eigenen inneren Zustände. Die Erregung bestimmt dabei die physiologische Aktivierung, die Richtung die Art der Aktivierung, die Qualität das Erlebnis der Aktivierung und das Bewußtsein den Wahrnehmungsgrad der Aktivierung.[71] Im Anwendungsbereich des Marketings sind Emotionen deshalb sehr wichtig, weil einerseits emotionale Aktivierungszustände spontane Verhaltensreaktionen (z.B. ein Impulskauf) auslösen können, und andererseits die Emotionen kognitive Vorgänge (z.B. marketinginduzierte Gefühlsäußerungen in Form einer Lenkung, Auslösung oder Beschleunigung von Lern- und Wahrnehmungsprozessen) beeinflussen.[72]

 

Motivationen stellen ebenfalls innere Erregungszustände dar, bei denen aber eine Tätigkeits- und Zielorientierung hinzukommt. Unter Motivation versteht man demnach auf bestimmte Ziele ausgerichtete Gefühle. Es handelt sich also um ein hypothetisches Konstrukt, das die Antriebe und Ursachen des Verhaltens erklären will und die Frage nach dem „Warum“ des Handelns beantwortet. Im Begriff Motivation wird die Antriebswirkung von Emotionen und die kognitive Wirkung der Verhaltenssteuerung zusammengefaßt.[73] Aus der Interaktion zwischen den aktivierenden emotionalen und verschiedenen kognitiven Prozessen, die zu Zielbestimmungen führen, erwächst die Motivation.[74] Zur Verdeutlichung des Sachverhalts sei folgender Ablauf skizziert: die in einer Werbebotschaft enthaltenen emotionalen Reize führen den Rezipienten zunächst auf einen erhöhten Aktivierungsgrad, der seine Aufnahmebereitschaft steigert. Eine mit diesen emotionalen Reizen verknüpfte Information nimmt die Aktivierung auf, hält oder steigert sie und bewirkt eine bestimmte Handlungsrichtung.[75]

 

Unter Einstellungen versteht man relativ stabile innere Bereitschaften (Prädispositionen) eines Konsumenten, auf bestimmte Stimuli konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Als Objekte einer Einstellung können sowohl Sachen, vor allem angebotene Produkte, als auch Personen oder Denkobjekte (bestimmte Gesprächsthemen, Schlagworte, etc.) in Frage kommen.[76] Als Synonym für Einstellung wird in der Literatur häufig der Begriff „Image“ verwendet. In Abgrenzung zur Motivation ist der Einstellungsbegriff verknüpft mit einer kognitiven Beurteilung eines Meinungsgegenstandes hinsichtlich seiner Eignung zur Befriedigung einer bestimmten Motivation. Der Einstellungsbegriff präsentiert eine Verbindung aus kognitiver Komponente (verstandesmäßige Einschätzung von Objekten), affektiver Komponente (gefühlsmäßige Einschätzung) und konativer Komponente (Handlungstendenz).[77] Einstellungen entspringen dem längerfristigen Sozialisationsprozeß und entstehen somit durch Lernen aus Erfahrung. Das Individuum entwickelt also aufgrund unmittelbarer und mittelbarer Erfahrung mit einem Objekt (Produkt, Firma, Marke) Überzeugungen, Vorurteile oder Meinungen. Für das Marketing gilt es, positive Einstellungen zu verstärken oder negative Einstellungen zu verändern, um zu einer höheren Verkaufswahrscheinlichkeit zu gelangen.

 

Zusammenfassend können in Anlehnung an Kroeber-Riel[78] folgende Arbeitsdefinitionen zu den hier betrachteten komplexen aktivierenden Prozessen gegeben werden:

 

 

Kurz gesagt sind Emotionen nach innen - auf das eigene Erleben - gerichtet, Motivationen auf ein Handeln und Einstellungen auf Objekte.[79]

 

 

Abb. 4: Das Verhältnis von Emotion, Motivation und Einstellung

 

Durch das Ineinandergreifen der drei Konstrukte wird ersichtlich, daß die Übergänge fließend und nicht eindeutig trennscharf sind. Die Abbildung macht ebenfalls deutlich, daß Motivation mehr kognitive Vorgänge als Emotion umfaßt und Einstellung mehr als Motivation. Eine eingehendere Betrachtung dieser kognitiven Prozesse wird im nun anschließenden Kapitel durchgeführt.

 

2.4 Kognitive Prozesse

 

Das Konsumentenverhalten ist durch aktivierende Prozesse allein nur unzureichend zu erklären, da diese immer auch von mehr oder weniger stark ausgeprägten kognitiven Prozessen begleitet sind. Während die aktivierenden Determinanten das Individuum antreiben und dafür sorgen, daß es aktiv wird, dienen die kognitiven Vorgänge vor allem dazu, das Verhalten zu kontrollieren und willentlich zu steuern. Kognitive Prozesse sind dafür verantwortlich, daß das Verhalten nach Plänen erfolgt, zielgerichtet ist und nicht nach automatischen Reaktionen abläuft.[80] Unter kognitiven Prozessen können gedankliche Vorgänge verstanden werden, durch die das Individuum Informationen aufnimmt, verarbeitet und speichert. In Analogie zur elektronischen Informationsverarbeitung hat sich in der kognitiven Theorie folgende Einteilung durchgesetzt:

 

Informationsaufnahme,

 

Informationsverarbeitung (Wahrnehmung),

 

Informationsspeicherung (Lernen und Gedächtnis).[81]

 

Anhand des Drei-Speicher-Modells läßt sich die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen in seinem grundlegenden Ablauf darstellen. Die Reize werden durch verschiedene Gedächtniskomponenten nicht nur gespeichert, sondern auch verarbeitet.

 

 

Abb. 5: Schematische Darstellung des Drei-Speicher-Modells[82]

 

Der Informationsfluß beginnt mit der Aufnahme äußerlicher Reize durch ein Sinnesorgan. Im sensorischen Informationsspeicher (SIS oder Ultrakurzzeitspeicher) werden diese Sinneseindrücke für sehr kurze Zeit gespeichert, so daß die nacheinander aufgenommenen Reize zeitlich gemeinsam zu einem Gesamtbild verarbeitet werden können. Es besteht die Annahme, daß die kurzfristige Speicherung der visuellen Eindrücke noch in der Netzhaut erfolgt, so daß, wenn überhaupt, hier nur sehr einfache kognitive Verarbeitungsvorgänge stattfinden. Im Kurzzeitspeicher (KZS oder zentraler Prozessor des Gehirns) erfolgt die Umwandlung von Sinneseindrücken in Information. Je nach Aktivierungspotential wird nur ein Teil aus dem SIS weiterverarbeitet, was zu einer Informationsreduktion führt. Die eigentliche Informationsverarbeitung findet also hier statt, indem die neu eintreffenden externen Informationen mit Hilfe vorhandener interner Informationen entschlüsselt und mit diesen verknüpft werden.[83] Die im Kurzzeitspeicher verfügbaren Informationen werden entweder ziemlich schnell wieder vergessen oder aber in reduzierter Form in den Langzeitspeicher (LZS) übernommen. Hier werden die zu kognitiven Einheiten organisierten Informationen langfristig gespeichert, man kann auch sagen: die Informationen werden gelernt.[84] Man ist heute der Meinung, daß Informationen nicht „vergessen“, sondern durch andere Informationen so überlagert werden, daß ihre Repräsentierbarkeit erschwert wird.[85]

 

Die Informationsaufnahme umfaßt die Vorgänge, die zur Übernahme von Informationen aus dem sensorischen Informationsspeicher in den Kurzzeitspeicher führen. Eine wichtige Unterscheidung bildet die Gliederung in aktive und passive Informationsaufnahme. Beim aktiven Informationsverhalten versucht das Individuum entweder willentlich interne Informationen aus dem Gedächtnis abzurufen oder es werden externe Informationsquellen und Inhalte gesucht (high involvement).[86] Dabei unterscheiden sich die Konsumenten in ihrer persönlichen Informationsneigung (persönliches Involvement). Aufgrund persönlicher Prädispositionen gibt es Individuen mit stärkerem Informationsdrang (Informationssucher) und solche mit geringerer Informationsneigung. Das situative Involvement ist abhängig vom wahrgenommenen Kaufrisiko. Je größer dieses ist, um so stärker der Antrieb, zusätzliche Informationen zu suchen.[87] Passives Informationsverhalten, welches ebenfalls interner oder externe Natur sein kann, liegt dann vor, wenn Informationen absichtslos und zufällig oder gewohnheitsmäßig übernommen werden (low involvement). Dabei werden i.d.R. Bilder vor Texten betrachtet. Dies liegt zum einen daran, daß Bilder stärker aktivieren und zum anderen, daß sie leichter aufgenommen und verarbeitet werden können[88] („Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“). Die Informationsaufnahme der Empfänger läßt sich durch eine geeignete Plazierung von Bildern, durch ihre Inhalte (Kinder, Tiere, erotische Reize) und ihre aktivierende Gestaltung (Größe, Kontrast, Farbe) beeinflussen. Die höhere Aufmerksamkeitswirkung darf jedoch nicht dazu führen, daß die Kerninformation unbeachtet bleibt (Ablenkungswirkung).

 

Die Wahrnehmung als Prozeß der Informationsverarbeitung ist die Entschlüsselung aufgenommener interner und externer Reize, die dadurch für das Individuum einen subjektiven Sinn erhalten. Wahrnehmung ist das Ergebnis von Sinnes- oder Körperempfindungen, die interpretiert und in einen bestimmten Zusammenhang gebracht werden, d.h., sie werden zu einem inneren Bild der Umwelt und der eigenen Person verarbeitet.[89] Wahrnehmungsprozesse können durch die Dimensionen Subjektivität, Aktivität und Selektivität näher erläutert werden. Subjektivität bedeutet, daß gleiche Objekte individuell abweichend wahrgenommen werden können. Aktivität meint in diesem Zusammenhang, daß Wahrnehmung ein vom Konsumenten initiativ ausgehender Prozeß ist. Selektivität schließlich heißt, daß infolge kognitiver oder willentlicher Wahrnehmungsbeschränkungen einzelne Informationen herausgefiltert werden.[90] Des weiteren werden nur jene Reize bewußt wahrgenommen und effizient weiterverarbeitet, die eine gewisse Aufmerksamkeit/Aktivierung erzeugen. Außerdem werden bevorzugt solche Reize wahrgenommen, die den Bedürfnissen und Wünschen des Konsumenten entsprechen; unangenehme Reize werden schlechter wahrgenommen, langsamer identifiziert oder ganz gemieden (Wahrnehmungsabwehr). Wahrnehmung ist also ein komplexer kognitiver Vorgang, der mit anderen Prozessen wie Aufmerksamkeit, Denken und Gedächtnis verknüpft ist.[91] Für das Marketing bleibt festzuhalten, daß nicht das objektive Angebot das Konsumentenverhalten beeinflußt, sondern das subjektiv wahrgenommene Angebot.

 

Bei der Informationsspeicherung spielen Lernprozesse eine herausragende Rolle. Unter Lernen wird die systematische (mögliche) Änderung des Verhaltens aufgrund von Erfahrungen verstanden.[92] Ein Individuum hat gelernt, wenn es sich in Reaktion auf eine Umweltsituation relativ dauerhaft anders verhält oder verhalten kann. Lernprozesse haben als Ergebnis eine Verbindung von Reiz-Reaktionsketten zur Folge. Ergebnisse von Lernvorgängen können zu Stimulusgeneralisierungs-, Reaktionsgeneralisierungs- oder Diskriminierungs-effekten führen. Während mit der Generalisierung von Stimuli gemeint ist, daß die gleiche Reaktion bei ähnlichen Stimuli ausgelöst wird, meint die Reaktionsgeneralisierung, daß bei gleichen Stimuli ähnliche Reaktionen hervorgerufen werden.[93] Diskriminierung bedeutet, daß unterschiedliche Reize auseinander gehalten werden können und das Individuum in die Lage versetzt wird, in spezifischer Weise darauf zu reagieren. Es können weiterhin zwei wichtige Lernmechanismen unterschieden werden: die klassische und die operante Konditionierung. Das Prinzip der klassischen Konditionierung basiert auf der Verknüpfung von Umweltstimuli und Reflexen: Tritt ein ursprünglich neutraler Stimulus häufig genug zusammen mit einem Stimulus auf, der einen Reflex auslöst, dann wird dieser Reflex auch von dem neutralen Stimulus ausgelöst.[94] Bei der operanten Konditionierung wird eine Verhaltensweise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgeführt, wenn eine zuerst unregelmäßige und zufällige Reaktion auf einen neutralen Reiz belohnt bzw. bestraft wird.[95] Der neutrale Reiz wirkt hier nicht wie bei der klassischen Konditionierung als Auslöser, sondern als Verstärker. Im Zusammenhang mit Lernprozessen, insbesondere im Bereich der Kommunikationspolitik des Marketings, ist auch der Lern- bzw. Vergessensverlauf von Bedeutung. Wird eine erlernte Reaktion nicht laufend durch Wiederholungen verstärkt, so nimmt ihre Intensität bis hin zum Vergessen ab.[96] Dies begründet die Notwendigkeit kontinuierlicher Marketingmaßnahmen (z.B. Erinnerungswerbung).

 

Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die komplexen kognitiven Vorgänge immer auch aktivierende Elemente enthalten. So hat eine Lernleistung immer auch eine motivationale Komponente, wie auch eine Wahrnehmung unter Ausblendung von Emotionen nur schwer vorstellbar ist. Das Entscheidende ist jedoch, daß die kognitiven Determinanten vorherrschend sind.[97]

 

3. Grundlagen von Multimedia

 

Die Aktualität von Multimedia ist nach wie vor ungebrochen, und die Einstellungen hierzu reichen von Euphorie über diese revolutionäre Entwicklung bis hin zur Ablehnung als Modetrend. Jedoch sind die vielfältigen Möglichkeiten einer multimodalen Präsentation, Kommunikation, Verarbeitung und Speicherung realer oder konstruierter Sachverhalte derart verlockend, daß sich Multimedia mittlerweile in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen scheint. So wird seit Ende der 80er Jahre über die Ablösung der klassischen Medien durch Multimedia diskutiert.

 

Bevor wir uns mit dem Multimediakonzept näher beschäftigen, wird zunächst der Begriff „Multimedia“ und seine Kennzeichen erläutert. In Kapitel 3.2 werden dann die derzeit eingesetzten Multimedia-Systeme im Kontext des Marketings vorgestellt. Anschließend erfolgt sowohl eine allgemeine Analyse des Multimediamarktes als auch eine nach den einzelnen Systemen differenzierte Betrachtung.

 

3.1 Merkmale von Multimedia

 

Multimedia, Wort des Jahres 1995, wird als Oberbegriff für eine Vielzahl neuartiger Produkte und Dienste aus dem Computer-, Telekommunikations- und Medienbereich verwendet. Die Unterschiedlichkeit dieser Produkte, Anwendungen und Dienstleistungen führt dazu, daß derzeit eine einheitliche Definition des Begriffs noch nicht möglich ist. Allerdings lassen sich in Abgrenzung zu den klassischen Medien drei Wesensmerkmale ausmachen, mit Hilfe derer der Multimediabegriff eingegrenzt werden kann:

 

integrative Verwendung verschiedener Medientypen (Multimodalität)

 

interaktive Nutzung (Interaktivität)

 

digitale Technik (Digitalisierung).[98]

 

Wörtlich übersetzt meint Multimedia den Einsatz und das Zusammenwirken vieler (=Multi) unterschiedlicher Medien (=Media). Die Ansprache der Rezipienten wird durch die Integration verschiedener Medien multimodal, d.h. mehrere Sinne werden parallel angesprochen. Die Vorsilbe „Multi“ weist auch auf einen Prozeß des Zusammenwachsens einer Vielzahl unterschiedlicher Informationsträger hin, der sich in einer Konvergenz der TIME-Industrien niederschlägt.[99] Die Integration der Medien bietet dem Anbieter die Möglichkeit einer inhaltlich und zeitlich beliebig variierbaren Kombination der Information. Rein technisch betrachtet ist Multimedia ein leistungsfähiger Personalcomputer, der sowohl als Steuergerät als auch als Schnittstelle für unterschiedliche Peripheriegeräte wie CD, Bildplatte, Videorecorder, Videokamera, Drucker usw. dient. Multimedia ist also ein Synonym für die beliebige Kombination und Mischung von Grafik, Sprache, Text, Musik, Animation, Film etc. und die visuelle Darstellung dieser Information auf einem Monitor.[100]

 

Das Merkmal der interaktiven Nutzung bietet dem Nutzer die Möglichkeit, mit dem System zu interagieren, d.h., er wird selbst aktiv, indem er selektiv über Eingabemechanismen wie Tastatur, Maus, Touchscreen usw. auf die Information zugreift. Durch diese Interaktivität kann der Benutzer Informationen und Medientypen nach seinen individuellen Bedürfnissen zusammenstellen und wird somit zum integralen Bestandteil des Systems.[101] Des weiteren lassen interaktive Kommunikationstechnologien auch ein unmittelbares Einwirken des Konsumenten in die laufende Produktgestaltung zu.[102]

 

Die Digitalisierung umfaßt den, hauptsächlich für Techniker interessanten, Übertragungsprozeß von schriftlichen, akustischen und visuellen Informationen in das binäre System der Computersprache. Dieser Vorgang ermöglicht einerseits die Weiterverarbeitung dieser Information per EDV, und andererseits praktischerweise eine einheitliche Übertragungstechnik all dieser völlig verschiedenartigen Informationen.[103]

 

3.2 Multimedia-Systeme im Marketing

 

Der Einzug multimedialer Anwendungen in das Marketing ist nicht systematisch erfolgt. Vielmehr sind an unterschiedlichen Stellen mehr oder weniger komplexe und entwickelte Anwendungen im praktischen Einsatz zu finden. Gemäß der Aufgabenstellung der Arbeit, soll sich im folgenden der Blick auf die Multimedia-Systeme beschränken, die die externen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen und Konsumenten betreffen. Dazu wird eine Klassifikation bzgl. der Dialogfähigkeit in Offline- und Online-Medien vorgenommen.

 

3.2.1 Offline-Medien

 

Zu den Ursprüngen von Multimedia gehören die digitalen Offline-Medien. Sie sind daher die technisch am weitesten entwickelten Medien im Kommunikationsbereich des Marketings. Unter Offline-Medien versteht man Systeme, bei denen der potentielle Kunde auf einen multimedialen Informationsträger zugreift, ohne daß eine direkte Verbindung (Vernetzung) zum Anbieter der Information aufgebaut wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch häufig von sogenannten Stand-alone-Systemen. Charakteristisch für sie ist, daß die Informationen unmittelbar beim Nutzer, also dezentral gespeichert sind, so daß online-typische Engpässe und Unwägbarkeiten ausgeschlossen sind.[104] Die Interaktivität der Offline-Medien muß hier allerdings eingeschränkt werden, da der Informationsfluß im wesentlichen einseitig ausgerichtet ist, bzw. in vorher vom Anbieter festgelegten Bahnen verläuft. Die Interaktion beschränkt sich auf Rückmeldungen, die mehr die Geschwindigkeit und Häufigkeit der Darbietungen steuern, als die eigentlichen Inhalte.[105] Offline-Anwendungen werden i.d.R. dann eingesetzt, wenn sich der Informationsinhalt dieser Datenträger nur selten ändert, da der Aktualisierungsaufwand zeitintensiv ist und Kosten verursacht.

 

Das Einstiegsmedium in das Offline-Marketing stellt die Diskette dar, die ideal zum Speichern kleiner Datenmengen ist (i.d.R. bis 1,44 MB). Sie zeichnet sich aus durch Handlichkeit, geringe Produktionskosten und hohe Reichweite, ihre Zugriffsgeschwindigkeit und Speicherkapazität ist jedoch insbesondere für multimediale Darstellungen nicht mehr zeitgemäß. Disketten werden oftmals als Instrument des Jugendmarketings eingesetzt, da diese Zielgruppe eine hohe Affinität zum Medium aufweist.[106]

 

Müssen größere Datenmengen bewältigt werden um die Information adäquat darzubieten, muß auf CD-ROM-gestützte Anwendungen zurückgegriffen werden, wie z.B. elektronische Produktkataloge und Informationsbroschüren, Video Clips, animierte Produktpräsentationen und Computerspiele mit integrierter Werbung. Das Speichervolumen der CD-ROM (bis zu 650 MB) bietet große Freiheiten der audiovisuellen Gestaltung, vorausgesetzt, die notwendige Abspielstation des Nutzers genügt den Leistungsanforderungen der Multimedia-Anwendung. Die CD-ROM ist ein optisches Speichermedium, das - einmal vom Hersteller beschrieben - vom Nutzer nur noch gelesen werden kann. Eine nachträgliche Veränderung der Informationen (Daten) ist nicht mehr möglich. Mit der HDCD, die bei kleineren Abmessungen nochmals das Speichervermögen steigert, steht bereits ein Nachfolger für die CD-ROM in den Startlöchern.[107] Die DVI, DVD und CD-i sind der CD-ROM verwandte Medien der Bildplattenspeicherung, die sich allerdings im Marketing noch nicht durchgesetzt haben.

 

Als weitere Offline-Medien müssen die Kiosksysteme genannt werden. Diese lassen sich differenzieren in Point-of-Information (POI-Systeme), Point-of-Fun (POF-Systeme) und Point-of-Sales Systeme (POS-Systeme).[108] Es handelt sich dabei um computergestützte Informationssysteme, mit deren Hilfe der Benutzer Informationen über ein möglichst einfaches Dialoggerät (i.a. Tastaturbedienung oder Touchscreen) abrufen kann.[109] Ihr Einsatzgebiet liegt vor allem an belebten Orten, dies können z.B. Geschäfte, Messen, Hotelhallen, Flughäfen, Bahnhöfe etc. sein. Als eines der bekanntesten und auch erfolgreichsten Kiosksysteme kann der Music Master von Karstadt angesehen werden, der alle bei Karstadt geführten Musiktitel und Kaufvideos in Bild und Ton präsentiert[110] und somit den Nutzer informiert (POI-Funktion) und unterhält (POF-Funktion).

 

Grundsätzlich lassen sie sich in moderierte und autonome Systeme unterscheiden. Beim moderierten Einsatz wird das System als eine Art Informationsmittler in einer persönlichen Beratungssituation z.B. mit dem Verkäufer beratungsunterstützend genutzt. Beim autonomen System besteht die Möglichkeit sich am Terminal über einen bestimmten Sachverhalt (z.B. Ausstattungsvarianten des Produktes) näher zu informieren, um dann anschließend kompetenter an den Verkäufer heranzutreten. Der autonome Einsatz setzt voraus, daß der Kunde das System ohne personelle Unterstützung nutzen und bedienen kann.[111] Daher ist das Layout der Benutzeroberfläche bei Systemen, die den Anwender alleine agieren lassen, von entscheidender Bedeutung. Welche verhaltenswissenschaftlichen Implikationen daraus abzuleiten sind, wird in Kapitel II. 4 näher untersucht.

 

Das Problem mangelnder Aktualisierbarkeit läßt sich bei digitalen Offline-Medien je nach Bedarf durch eine Vernetzung umgehen. Durch diese Offline-Online-Kombination entstehen die sogenannten Hybridlösungen. Dabei werden relativ konstante Rahmeninformationen und speicher- bzw. übertragungsintensive Darstellungen offline (lokal) verwaltet und zeitlich variante Informationen wie z.B. Preise online ergänzt.[112]

 

3.2.2 Online-Medien

 

Online-Systeme basieren auf dem Anschluß der Endgeräte an ein Computernetz und dem damit jederzeit möglichen Medien- und Informationsaustausch zwischen räumlich verteilten Plattformen.[113] Im Gegensatz zu den Offline-Medien verfügen Online-Anwendungen also über einen direkten Kontakt via Datenleitung, so daß Kunden und Unternehmen gleichermaßen Inhalte bereitstellen, darauf zugreifen und auch direkt miteinander kommunizieren können. Dies hat zur Folge, daß das klassische Sender-Empfänger-Modell erweitert wird, indem sich die Kommunikationspfade zwischen den Kommunikationspartnern vervielfachen.[114] Der Sender wird zugleich Empfänger und umgekehrt. Man darf sich dabei jedoch nicht vorstellen, daß jeder Teilnehmer interaktiver Online-Systeme jedem anderen etwas mitzuteilen hat. Vielmehr ist die Interaktivität der Online-Anbindung so zu interpretieren, daß jeder mit jedem in Kontakt treten könnte, d.h. jeder Empfänger ist zugleich potentieller Sender im gleichen Kommunikationsmedium.[115]

 

Als Online-Medien unterscheidet man das dezentral und in seiner Struktur anarchische Internet, welches hauptsächlich über das World Wide Web (WWW) genutzt wird, und die zentral organisierten, kommerziellen Online-Dienste.

 

Das Internet ist ein weltweiter Rechnerverbund, bestehend aus Tausenden von Computernetzwerken, die zwar unabhängig voneinander arbeiten, aber dennoch über Telekommunikationsleitungen miteinander Daten austauschen können. Es ist kein profitorientiertes, gemanagtes Unternehmen, sondern ein freier Zusammenschluß weltweiter, lokaler Computer.[116] Ursprünglich ist das Internet in den USA als militärisches Kommunikationssicherheitssystem eingeführt worden mit dem Ziel, bei Ausfall einzelner Komponenten den Informationsfluß noch aufrechterhalten zu können. Die zu kleinen Datenpaketen gebündelten Informationen suchen sich selbst einen freien Weg zum Zielrechner, wo sie sich gemäß dem Internet Protocol (IP oder TCP) automatisch entpacken und zusammensetzen. Die Informationen suchen sich also nicht unbedingt den direktesten Weg im Netz, sondern können durchaus um die „halbe Welt“ geschickt werden, bevor sie ihren Bestimmungsort erreichen.[117] Auf dieser Grundlogik basiert auch heute noch dieses Netzwerk.

 

Aus Marketingsicht ist i.d.R. nur ein Teil des Netzes relevant, das World Wide Web (WWW). Dieser multimediale Teil des Internet eignet sich besonders gut für die Übermittlung kommerzieller Botschaften in Text, Bild und Ton bzw. deren Kombination.[118] Mittels eines Browsers (Netscape Navigator, Microsoft Explorer) ist die Navigation im WWW möglich. Über sogenannte Links werden verschiedene Dateien (Webseiten), die auf einem Computer (Server) abgespeichert sind, miteinander verknüpft und können vom Onlinenutzer abgerufen werden. Er hat die Möglichkeit durch Anklicken der Links von einer Webseite zu einer anderen zu wechseln, selbst wenn letztere auf einem Computer an einem anderen Ort der Welt abgelegt ist.[119] Dazu bedarf es einer eindeutig festgelegten Adresse (URL) einer jeden Webseite, die auf den Server und das Verzeichnis verweist. Die Einstiegsseite oder Startseite einer kommerziellen oder privaten Webseite bezeichnet man als Homepage.

 

Die zentral organisierten kommerziellen Online-Dienste bieten dem Nutzer einerseits den technischen Zugang zum Internet (Access-Provider), andererseits können sie auch selbst Informationen gegen Entgelt direkt und interaktiv zur Verfügung stellen (Service-Provider). PC, Modem und Telefonnetz erschließen den Zugang zu den Online-Diensten (T-Online, CompuServe, America Online, Microsoft Network usw.), die dem User u.a. folgende Dienstleistungen ermöglichen: Zugriff auf weltweites und eigenes Informationsangebot, E-Mail-Kommunikation, Kommunikationsforen zu verschiedenen Themenbereichen, Erledigung von Bankgeschäften (Homebanking), Online-Shopping, Buchung von Flügen, Hotels, Kulturveranstaltungen etc. Je nach Art der kommerziellen Online-Dienste findet man, in Abhängigkeit von der Zielgruppe, die angesprochen werden soll, unterschiedliche Informationsangebote. Die o.g. etablierten Online-Diensteanbieter bekommen zunehmend Konkurrenz durch lokale und regionale Online-Dienste (z.B. Cityweb Online der WAZ), die direkt auf dem Internet aufsetzen und regionspezifische Informationsangebote (Stadtnachrichten, Kinoprogramme etc.) anbieten.[120]

 

Neben den hier aufgrund ihrer Bedeutung ausführlich behandelten Online-Diensten und dem Internet gibt es auch noch zahlreiche andere Online-Multimediasysteme und -dienste, die entweder noch im frühen Entwicklungsstadium sind oder sich am Markt noch nicht durchsetzen konnten. Dazu zählt das Interaktive Fernsehen (ITV) mit seinen innovativen Dienstleistungen wie beispielsweise Video-on-Demand, Pay-per-View, Teleshopping und -banking, Videogames und virtuelle Städte. Weitere Multimedia-Systeme sind der interaktive Rundfunk mit dem Digital Audio Broadcasting (DAB), Computer-Based-Training (CBT), Videokonferenz und die Bildtelefonie.

 

Bei den meisten der obengenannten Produkte und Dienstleistungen handelt es sich jedoch nicht um elementar neue Anwendungen, sondern vielmehr um eine multimediale Anreicherung bereits heute bestehender Angebote. Multimedia ist somit keine eigene neue Welt, sondern eher eine weitere Dimension in den zusammenwachsenden Welten der TIME-Industrien.[121]

 

3.3 Entwicklung des Multimediamarktes

 

Multimedia ist ein nicht erst vor kurzem aufgekommener Begriff, sondern wurde bereits in den 70er Jahren mit Lehrmittelpaketen verbunden, in denen verschiedene Unterrichtsmaterialien zusammengefaßt wurden. Das heutige Verständnis von Multimedia geht auf die „Windows-Technik“ von Englebart aus der Mitte der 70er Jahre zurück.[122] Schon bald wurden diesen Fenstern neben Texten auch Bilder und Filmsequenzen in Verbindung mit Audioklängen zugeordnet. Parallel dazu wurden die ersten Mikrocomputer eingeführt, die heute auch als Personal Computer (PC) bezeichnet werden. Der eigentliche Siegeszug der PC’s begann aber erst 1981 mit der Einführung des Disk Operating Systems (DOS-Betriebssystem) und der immer komfortabler werdenden Nutzeroberflächen (Windows).[123] Damit beschleunigte sich auch die Multimediaentwicklung und -verbreitung. 1991 wurde es durch die Einführung des Softwareprogramms „Quicktime“ der Firma Apple möglich, in graphisch orientierten Programmen Videoclips, Ton und Animation einzufügen und damit Multimedia einer breiten Nutzerschicht zugänglich zu machen. Andere große Hersteller wie IBM, Microsoft, Miro etc. folgten kurz darauf.[124]

 

Heute ist der Multimediamarkt der am schnellsten wachsende Bereich im Kommunikationsmix. Das Marktvolumen in Deutschland betrug 1995 zwar nur 2 Mrd. DM mit jeweils 1 Mrd. DM für Offline- und Online-Anwendungen. Bis zum Jahr 2000 wird es aber auf ein Gesamtvolumen von 10 Mrd. DM geschätzt.[125]

 

Wie die Entwicklung des Multimediamarktes ablaufen kann und welche Märkte dabei erschlossen werden, kann anhand einer Expertenbefragung von Booz, Allen & Hamilton[126] nachgezeichnet werden. Es werden dabei drei Phasen unterschieden:

 

 

Abb. 6: Phasische Entwicklung des Multimediamarktes[127]

 

Phase 1: Seit Beginn der 90er Jahre existieren und entwickeln sich Pionieranwendungen sowie grundlegende Technologien mit Schwerpunkt im Offline-Bereich bzw. bei den Stand-alone-Systemen (insbesondere CD-ROM-Anwendungen sowie POS-/POI-Systeme). Erst heute, also gegen Ende dieser Periode, zeigt sich eine Belebung der Nachfrage.

 

Phase 2: Hier erschließen sich breitere Segmente im privaten und geschäftlichen Bereich. Im Konsumentenbereich werden hohe Wachstumsraten bei Spielen, Edutainment[128] und Infotainment[129] erzielt, im gewerblichen Sektor dringen POS-/POI-Systeme, Telelearning, Teleworking und Videoconferencing weiter vor. Diese Entwicklung wird begleitet von einer zunehmenden Bildung von Allianzen zwischen Telekommunikations- und Inhalteanbietern. Die ISDN-Infrastruktur wird ausgebaut und teilweise schon wieder abgelöst durch das Breitband-ISDN auf ATM-Basis. Durch die Deregulierung des Telekommunikationsmarktes wird der Wettbewerbsdruck durch Globalisierungstendenzen weiter fortschreiten.

 

Phase 3: Ab dem Jahr 2000 vollendet sich die Entwicklung des Multimediamarktes in der Erschließung des Massenmarktes für Privatkunden. Als digitale Endgeräte kommen neben den schon vorhandenen PC’s verstärkt Fernsehgeräte mit Set-Top-Boxen zum Einsatz, wobei das digitalisierte Kabelnetz voraussichtlich die technologische Basis sein wird.

 

Der Verlauf zeigt, daß Multimedia die Welt nicht von heute auf morgen verändern wird, sondern als Prozeß zu verstehen ist. Dabei sollten die Eintrittszeitpunkte der einzelnen Phasen nicht zu genau genommen werden.[130]

 

Die skizzierte Entwicklung des Multimediamarktes vollzog und vollzieht sich je nach Medium unterschiedlich schnell. Bei den Offline-Medien konnte mittlerweile die CD-ROM die Diskette in ihrer Bedeutung als multimedialen Datenträger hinter sich lassen. Bereits 1996 waren weit über eine Million CD-ROM-Laufwerke im deutschsprachigen Raum im Einsatz, und für 1997 wird die Zahl auf drei bis vier Millionen geschätzt. Derzeit sind nahezu alle privat genutzten PC’s mit einem solchen Laufwerk bestückt, so daß im Jahr 2010 ca. 60% aller deutschen Haushalte über eine Abspielmöglichkeit verfügen werden.[131] Infolge der breiten Akzeptanz der CD-ROM und der inzwischen hohen Verbreitung von Laufwerken ist naturgemäß auch das CD-ROM-Angebot enorm gestiegen. So wuchs das Angebot an CD-ROMs von 1989 bis 1995 weltweit um 161%, der größte Zuwachs erfolgte dabei zwischen 1993 und 1994 mit knapp 50%.[132]

 

Auch der POS-/POI-Markt kann in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnen. Von 216 Mill. Dollar im Jahr 1991 wächst dieser Bereich auf über 400 Mill. Dollar im Jahr 1996.[133]

 

Bei den Online-Medien kann insbesondere im Internet eine rasante Entwicklung der Nutzer- und Umsatzzahlen verzeichnet werden, und es ist zu erwarten, daß sich dieser Trend in ähnlicher Geschwindigkeit fortsetzen wird. Nach einer Studie der MGM MediaGruppe München[134] halten sich derzeit weltweit rund 50 Mill. Nutzer im Internet auf, welches aus einem Verbund von ca. 10 Mill. Rechnern besteht. Die Zahl der Online-User in Deutschland liegt bei etwa vier Millionen, das mittelfristige Potential bei zusätzlichen 14 Millionen. Dies teilt sich auf in 7,6 Mill. Menschen, die trotz technischer Voraussetzungen noch nicht Online sind und in weitere 6,5 Mill. PC-Besitzer, die ein Modem oder ISDN-Anschluß planen.

 

 

Abb. 7: Derzeitige Online-Nutzer und das Marktpotential

 

Entsprechend dieser Nutzerzahlen entsteht ein wachsender Internet-Markt. Nach der MGM Mediagruppe München liegen die Umsätze, die durch das Internet generiert werden (durch Zugangsgebühren, Inhalte, Handel, Software und Beratung) in Deutschland bei rund 300 Mill. DM, im Jahr 2000 werden 1,2 Mrd. DM erwartet.

 

Trotz des Konkurrenzdrucks durch die zahlreichen Internet-Angebote werden auch den kommerziellen Online-Diensten für die nächsten Jahre weiterhin hohe Wachstumsraten prognostiziert. Während die weltweiten Umsätze der Online-Dienste 1996 1,5 Mrd. US-Dollar betrugen, werden sie für 1998 auf etwa 2,4 Mrd. US-Dollar geschätzt.[135] In Deutschland dominiert die Deutsche Telekom AG mit T-Online den Markt vor den Mitkonkurrenten America Online (AOL) und CompuServe.

 

 

Abb. 8: Kommerzielle Online-Diensteanbieter in Deutschland

 

(Mitgliederzahlen)[136]

 

Allen kommerziellen Diensteanbietern (Providern) ist gemeinsam, daß die Fluktuation innerhalb ihrer Kundschaft ausgesprochen hoch ist, d.h. die Nutzer wechseln gerne zwischen den Anbietern, was zunehmenden Wettbewerb schafft.

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Multimedia revolutioniert die Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings
Untertitel
Eine verhaltenswissenschaftliche Betrachtung
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
2
Autor
Jahr
1998
Seiten
100
Katalognummer
V185260
ISBN (eBook)
9783656997597
ISBN (Buch)
9783867461993
Dateigröße
993 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
multimedia, kommunikationsmöglichkeiten, marketings, eine, betrachtung
Arbeit zitieren
Gunnar Röntgen (Autor:in), 1998, Multimedia revolutioniert die Kommunikationsmöglichkeiten des Marketings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185260

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