Interkulturelles Management von Joint Ventures zwischen China und den deutschsprachigen Ländern


Diplomarbeit, 2002

163 Seiten, Note: 1


Leseprobe


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Eidesstattliche Erklärung

nur unter Verwendung der angegebenen Hilfsmittel angefertigt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Vorwort

Das Wort „interkulturell“ wurde deshalb im Titel der Arbeit verwendet, um - in Erweiterung zum Wort „international“ - auf die Tatsache hinzuweisen, dass gerade in Joint Ventures eine intensive Interaktion zwischen den Aktionsträgern der beiden Kulturen erfolgt, wodurch ein hohes Maß an interkultureller Sensibilität zu einem wesentlichen Erfolgskriterium wird. Deshalb befasst sich Kapitel 2 näher mit den soziokulturellen Rahmenbedingungen in der VR China. Des Weiteren werden in Kapitel 3 die politisch-ökonomischen und in Kapitel 4 die rechtlichen Umweltbedingungen näher durchleuchtet.

In Kapitel 6 wird Grundlagenwissen über Joint Ventures vermittelt, unter anderem über die Erscheinungsformen, die strategischen Ziele und die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren dieser Kooperationsform. Des Weiteren werden die beiden gesetzlich möglichen Arten von Joint Ventures in China inklusive deren rechtliche Bestimmungen erläutert.

Eine Danksagung ergeht an dieser Stelle an Herrn Hon.-Prof. Dr. Klaus Czempirek für die Betreuung der Diplomarbeit.

Für ein wirtschaftliches Engagement in China können zahlreiche ökonomische Faktoren als Gründe genannt werden 1 . Zum einen bieten sich durch die Partizipation am Binnenmarktpotenzial des Wachstumsmarktes China große Expansionspotenziale für ausländische Unternehmen. Die Volksrepublik mit ihren rund 1,28 Milliarden Einwohnern weist seit rund zwei Jahrzehnten ein sehr hohes Wirtschafswachstum auf 2 , und die dadurch stetig steigende Kaufkraft bildet im Zusammenhang mit dem starken Nachholbedarf am Erwerb von Konsum- und Investitionsgütern bzw. Infrastruktureinrichtungen einen enormen Anziehungspunkt für ausländische Unternehmen aller Art. Dabei können Firmen von diversen lokalen Standortvorteilen profitieren, etwa von den niedrigen Produktionskosten auf Grund des relativ niedrigen Lohn- und Rohstoffkostenniveaus oder von diversen staatlichen Investitionsanreizen, z.B. in Form von Steuerbegünstigungen für Direktinvestoren. Unterstützend wirken dabei die sich verbessernden Umfeldbedingungen. Vor allem der WTO-Beitritt Chinas im November 2001 trägt zu einer stufenweisen Reduktion von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen, zur Lockerung von Investitionsbestimmungen und zur Schaffung einer wachsenden Rechtssicherheit und Transparenz im Chinageschäft bei. Zudem verbessert sich das Ausbildungsniveau fortlaufend. 3

Nicht zu verschweigen sind jedoch auch die Risiken und Probleme eines Engagements in China. Zu nennen sind hier etwa die politischen Instabilitäten und sozialen Spannungen auf Grund der regionalen Entwicklungsdisparitäten und Separationstendenzen einiger Provinzen, die weite Verbreitung von Korruption und Nepotismus, die starke Einbindung der Bürokratie in nahezu allen Ebenen der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Gefahr der Markenpiraterie und Imitation auf Grund des noch mangelnden Rechtsschutzes beim Technologietransfer oder die kurzfristigen Veränderungen rechtlicher Rahmenbedingungen. Des Weiteren stellen die zum Teil gravierenden Mängel in der Infrastruktur und in den Vertriebssystemen, die mangelnde Versorgungssicherheit und Qualität bei lokaler Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten oder die geografische und vor allem auch kulturelle Distanz Probleme beim Engagement in China dar. 1

In folgenden Bereichen bieten sich angesichts einer erhöhten staatlichen und/oder privaten Nachfrage gute Geschäftsmöglichkeiten 2 :

Infrastruktur- und Bauprojekte: Die chinesische Regierung hat erkannt, dass die Beibehaltung des Wirtschaftswachstums durch einen massiven Ausbau der Infrastruktur unterstützt werden muss. Zunehmend werden private Investoren gesucht, die sich an diesen Projekten beteiligen, beispielsweise in Form des BOT-Verfahrens (Build-Operate-Transfer). Konkret bestehen für Großunternehmen gute Chancen für den Straßen- und Schienenverkehr, die Energieerzeugung und -verteilung, die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung und für die Telekommunikationsbranche 3 . Neben den großen Betreiberfirmen bieten sich für mittelständische Unternehmen Chancen im Zulieferbereich.

pulse sind auch in der pharmazeutischen Industrie zu verzeichnen, wo verstärkt Pharmazeutika zur Selbstmedikation und Produkte aus dem Health-Care-Sektor nachgefragt werden.

2.1. Kultur - Allgemeines

a) „Die heutigen Chinesen, zumindest die mit Auslandskontakten, sind längst ‘verwestlicht’. Auftretende Probleme können daher nicht durch kulturelle Unterschiede bedingt sein.“

b) „Wenn die Leute sich nur lange genug kennen, etwa weil sie miteinander arbeiten, dann lernen sie einander automatisch auch verstehen und respektieren.“

c) „Ob Mitarbeiter in einem gemischtkulturellen Unternehmen miteinander optimal harmonieren oder nicht ist von zweitrangiger Bedeutung, weil es sich dabei um einen so genannten weichen Faktor im Gegensatz zu harten Faktoren wie Finanzierung, juristische Absicherung, Marktanalyse usw. handelt.“

sich, wenn zwei oder mehr Gruppen ohne spezifisches Coaching zusammengebracht werden, deren gegenseitige Unterschiede nicht angleichen, sondern eher noch verstärken 3 . Die dritte Hypothese wird durch Analysen misslungener internationaler JVs widerlegt, denen zufolge nur rund 30 % der Fehlschläge auf technische, finanzielle oder strategische Probleme zurückzuführen sind, bei etwa 70 % jedoch kulturspezifische Konflikte für das Scheitern verantwortlich waren 4 .

dass es einerseits in der Menschheit Universale gibt, die von Natur aus angeboren und weltweit anerkannt sind. So haben alle Menschen Bedürfnis nach Liebe und Sexualität, Glück, Freiheit,

Friede, Gesundheit, respektvoller Behandlung oder nach sozialen Kontakten. Auf der anderen Seite ist jeder Mensch wie kein anderer, da jeder eine unverwechselbare Persönlichkeit besitzt, die nicht durch die menschliche Natur oder Nationalkultur vorbestimmt, sondern individuell angeboren und teilweise erlernt ist. 1

kollektives Phänomen, da sie zumindest teilweise mit Menschen geteilt wird, die im selben sozialen Umfeld leben. Kultur ist erlernt, und nicht ererbt. Sie leitet sich aus unserem sozialen Umfeld ab, das unsere inneren Muster des Denkens, Fühlens und Handelns programmiert 3 . Die einzelnen Bausteine oder Elemente einer Kultur werden oft als Kulturstandards bezeichnet. Es handelt sich dabei um „die von den in einer Kultur lebenden Menschen geteilten und für verbindlich angesehenen Normen und Maßstäbe zur Ausführung und Beurteilung von Verhaltensweisen 4 “. Sie bieten den Mitgliedern einer Gesellschaft Orientierung für das eigene Verhalten und ermöglichen zu entscheiden, welche Verhaltensmuster als normal, typisch und noch akzeptabel anzusehen, bzw. welche abzulehnen sind. Diese Kulturstandards beziehen sich auf die einer Nation gemeinsamen Elemente, erheben jedoch nicht den Anspruch, Individuen zu beschreiben 5 . Deshalb sei darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Arbeit mit „die Chinesen“, „die Westler“ etc. nicht hundert Prozent der Bevölkerung gemeint sind, sondern jene Mehrheit, die einen gewissen Standard zur typischen Norm eben dieser Kultur macht. 6

Betrachtet man kulturelle Unterschiede, so kann festgestellt werden, dass diese einem Eisberg gleichen. Essgewohnheiten, Sprache, Etikette, Bräuche, angemessene Kleidung etc. stellen die Spitze des Eisbergs dar, die aus dem Wasser ragt. Diese Unterschiede sind zwar leicht zu erkennen, jedoch nicht die wichtigsten, zumal sie sich zum Teil rasch ändern können. Zum

untergetauchten Teil des Eisbergs zählen die Werte, Grundannahmen und -einstellungen oder ästhetische Grundprägungen einer Gesellschaft, wie etwa ein kulturspezifisches Gefühl von Raum und Zeit. Diese Unterschiede halten sich weitaus hartnäckiger und sind schwer sichtbar, weshalb sich die folgenden Ausführungen vor allem mit diesen Elementen der Nationalkultur 1 befassen. 2

2.2. Gemeinsamkeiten

Gemeinsamkeiten zählen die bereits im Punkt 2.1. erläuterten Universale, die „eine ganze Spielwiese interkultureller Beziehungsanknüpfung“ 4 darstellen. Ebenso bestehen beispielsweise folgende Ähnlichkeiten zwischen den beiden Kulturen 5 :

2.3. Die Kulturtheorie von Hofstede

einzelne Länder ermittelt hat. Diese sind für die deutschsprachigen Länder und für China in Tab. 2.1. ersichtlich: 1

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Tab. 2.1.: Länderspezifische Punktwerte des 5D-Modells von Hofstede

Quelle: entnommen aus Weidmann (1995), S. 22f (zusammengestellt nach Hofstede (1991)

Die Dimension Individualismus vs. Kollektivismus beschreibt das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gruppe oder der Gesellschaft insgesamt. Individualismus drückt sich dadurch aus, dass sich Menschen vor allem um sich selbst und das unmittelbare Umfeld (z.B. Familie) kümmern und das Streben nach Verwirklichung der eigenen Ziele im Vordergrund steht. Kollektivismus hingegen äußert sich durch starkes Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe („Wir-Gefühl“), innerhalb der man sich um die Belange der Mitglieder annimmt und Gruppenzielen Priorität gegenüber Individualzielen gibt. Der Individualismusindex zeigt, dass in China Kollektivismus, in den deutschsprachigen Ländern jedoch Individualismus vorherrscht. Dieses kollektivistische Verhalten äußert sich im Arbeitsumfeld z.B. darin, dass Personen gemäß ihrer Gruppenzugehö- rigkeit beurteilt werden, Gruppenziele bzw. -interessen klar im Vordergrund stehen, Mitarbeiter eher durch ein Gefühl der Zugehörigkeit motiviert werden und harmonische zwischenmenschliche Beziehungen wichtiger als Aufgaben sind. Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen sind moralisch fundiert, wobei sich Angestellte auch erwarten, dass das Unternehmen sich wie eine Familie um sie kümmert. 3

Der Grad der Maskulinität oder Feminität definiert, welchen Wert die Angehörigen einer Kultur den Qualitäten Durchsetzungsvermögen und Materialismus auf der einen Seite, und Mitmenschen und Lebensqualität auf der anderen Seite zuerkennen. Wenngleich die Unterschiede innerhalb dieser Dimension bei den betrachteten Ländern nicht gravierend sind, zeigt sich, dass China etwa in der Mitte und die deutschsprachigen Länder eher am maskulinen Ende angesiedelt sind. Dies drückt sich in China am Arbeitsplatz z.B. dadurch aus, dass zu selbstbewusstes Verhalten lächerlich gemacht wird und man sich unter seinem Wert verkauft. Des Weiteren genießen Einfühlungsvermögen und Anpassungsbereitschaft einen hohen Stellenwert, liegt die Betonung auf Kooperation und guter Arbeitsatmosphäre und ist der Leistungswettbewerb im Allgemeinen weniger hoch. 1

Bei der Dimension langfristige versus kurzfristige Orientierung zeigen sich wiederum starke Unterschiede zwischen den deutschsprachigen Ländern und China. Die Dimension beschreibt den Grad, in dem eine Gesellschaft eine „pragmatisch-zukunftsorientierte Grundhaltung gegenüber einer dogmatisch-gegenwartsbezogenen Perspektive“ 3 aufweist. Da die langfristige Orientierung vor allem in den Gesellschaften des Ostens von großer Bedeutung ist und die Werte dieser Dimension, nämlich Sparsamkeit, Ausdauer und Beharrlichkeit, Standesordnung und Schamgefühl (Wahrung des Gesichts) eng mit den Lehren des Konfuzius (siehe 2.5.2.) verbunden sind, bezeichnet man diesen Bereich auch als Konfuzianische Dynamik. Chinesen bevorzugen langfristige Entwicklungs- und indirekte Durchsetzungsstrategien. Der kürzeste Weg ist nach chinesischer Überzeugung nicht die gerade Linie, sondern der scheinbare Umweg. Es besteht eine ausgesprochene Akzeptanz für Näherungslösungen, und auf Veränderungen wird flexibel reagiert. Es findet keine lineare Zielorientierung mit der Fokussierung auf ein einzelnes Ziel statt. Vielmehr erfolgt eine Ausrichtung auf ein Zielfeld (siehe auch 2.9.). Im chinesischen Arbeitsum-

feld zeigt sich die Langzeitorientierung beispielsweise durch ausgesprochenen Pragmatismus, Ausdauer bei der Zielverfolgung, oder dem Sparen zur Zukunftssicherung. 1

2.4. Reaktionsmuster beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen

Die Alternative einer gegenseitigen Isolierung als vierte Möglichkeit repräsentiert klarerweise keine Strategie für die Überbrückung der Fremdheit. Nur die Alternative 3 erfüllt die Forderung Hofstedes nach einem „Kulturrelativismus für internationale Akteure, der die andere Kultur anerkennt, ohne die eigene zu verleugnen“ 3 . Dieser Kulturrelativismus bedeutet nicht das Fehlen von Normen für einen selbst oder für eine Gesellschaft. Er fordert jedoch den Verzicht auf vorschnelle Urteile beim Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen. Demnach ist es ein Fehler, ohne weiteres die Normen einer Person, Gruppe oder Gesellschaft auf eine andere zu übertragen. Stattdessen sollte man sich vor jeder Beurteilung oder Handlung über die Art der kulturellen Unterschiede zwischen Gesellschaften, sowie über ihre Ursprünge und Folgen informieren. 4

1 Auch wenn in China durch die Verstädterung und Industrialisierung ein Wertewandel erkennbar ist, sind viele religiös oder philosophisch geprägte Vorstellungen erhalten geblieben. Im Unterschied zu einigen anderen Ländern wirken sich diese Anschauungen großteils günstig auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes aus, da man keine religiösen Hürden kennt, die die wirtschaftliche Aktivität in Frage stellen könnten. So ist ein Kastendenken wie im Hinduismus ebenso unbekannt wie die Schicksalsgläubigkeit, die z.B. in Teilen des Islams anzutreffen ist. Zu beachten ist, dass die meisten Chinesen keine zentrale Gottheit verehren und keine klare Trennlinie zwischen den Religionen bzw. Lebensphilosophien ziehen. So ist es für Chinesen beispielsweise nicht unüblich, mehrere Kirchen bzw. Tempel verschiedener Glaubensrichtungen zu besuchen. Die wichtigsten drei Lebensphilosophien bzw. Religionen werden im Folgenden kurz erläutert.

Weltanschaulich leitend ist in China der Konfuzianismus, der nicht als Religion im eigentlichen Sinne angesehen werden kann, sondern vor allem eine irdisch orientierte Staats- und Moralphilosophie zur Förderung der Tugenden des Menschen darstellt. Konfuzius (551 - 479 v. Chr.) entwickelte seine Gesellschaftsordnung als Reaktion auf die chaotische, von Revolutionen geprägte Umbruchphase des chinesischen Reiches um 500 v. Chr. Seine Philosophie stellte sich in Folge als die brauchbarste und erfolgreichste heraus und prägt bis heute noch Verhaltensweisen im chinesischen Alltag. Sie basiert auf der rationalen Grundlage, dass Harmonie mit der ewigen Weltordnung durch rechtes Verhalten zu erreichen sei. Nach Konfuzius gründet sich die Stabilität der Gesellschaft auf den ungleichen Beziehungen zwischen den Menschen (Vertikalprinzip), denn eine Gesellschaft kann nach seinen Lehren nur stabil sein, wenn sie stark hierarchisch und patriarchalisch gegliedert ist 2 . Dieses Vertikalprinzip spiegelt sich bis heute im familiä- ren, beruflichen und staatlichen Bereich wider. Zu weiteren im chinesischen Alltag anzutreffenden konfuzianisch geprägten Verhaltensweisen zählen z.B. die Wichtigkeit der Schulbildung als Zugang zu Macht, die Bedeutung von Leistung und Fleiß als Grundlage für den Erfolg, die Hintanstellung des Schutzes des Individuums hinter dem Schutz der Allgemeinheit, der hohe Respekt gegenüber älteren Menschen (Senioritätsprinzip), die Wichtigkeit von Harmonie und Konfliktvermeidung in den zwischenmenschlichen Beziehungen (Harmonieprinzip bzw. Gesichtswahrung), oder der „Weg der Mitte“ (Vermeidung von Extremen). Des Weiteren gelten Gelassenheit, Ausdauer, Disziplin, Aufrichtigkeit, Höflichkeit, Bescheidenheit und Sparsamkeit

als elementare Werte der konfuzianischen Ethik. Reichtum zu erwerben wird nach dieser Philo- nicht als unanständig betrachtet, weil man damit Gutes für seine Familie vollbringt, für die man Verantwortung trägt. 1

Parallel zum Konfuzianismus entwickelte sich in China der Taoismus (Daoismus), der auf Lao Tse zurückgeht. Da der Konfuzianismus keinerlei Antworten auf metaphysische Fragen lieferte, ergänzten die meisten Chinesen ihre konfuzianische Vorstellung von der Gesellschaft durch die taoistische Philosophie, die die Natur in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt 2 . Der Taoismus folgt dem edlen Menschentum als Spiegel des Taos (Gang der Natur) und lehrt die Harmonie von Mikro- und Makrokosmos. Dazu gehört, dass die Urkräfte Yin (das Weibliche, die Erde, die Schwäche) und Yang (das Männliche, der Himmel, die Stärke) sich im Gleichgewicht befinden: „Kein Groß ohne Klein, kein Hell ohne Dunkel, kein Männlich ohne Weiblich, kein Leben ohne Tod, kein Yin ohne Yang - dies ist die Dialektik des Taoismus“ 3 . Der Mensch wird demnach zur Einordnung in die Harmonie der Welt angeleitet. Auch die traditionelle chinesische Medizin wurzelt in der Harmonielehre des Yin und Yang. 4

Auch der aus Indien stammende Buddhismus fand ursprünglich viele Anhänger in China. Seit der Buddhistenverfolgung 845 n. Chr. hat diese Religion nur noch eingeschränkte Breitenwirkung in der chinesischen Gesellschaft, und sie ersetzte zu keiner Zeit die konfuzianischen Ideale. 5

Auch Aberglaube ist in China weit verbreitet, allerdings deutlich stärker im Süden des Landes. Für viele Chinesen ist es deshalb z.B. wichtig, Orakel oder spezielle Meister zu befragen, um die günstigste Zeit für Hochzeiten, Begräbnisse oder Geschäftseröffnungen zu erfahren. Ebenso werden Büros und andere Räume streng nach geomantischen Wind-und-Wasser-Regeln („fengshui“) ausgelegt und eingerichtet. Auch Farben und Zahlen besitzen klare Signale. So verkünden beispielsweise die Farben Weiß, Dunkelblau, Dunkelgrün und Schwarz Schmerz und Tod. Rot, Rosa, Orange, Gelb und Gold hingegen signalisieren Glück und Freude, Gold steht auch für Reichtum. Alle geraden Zahlen gelten als Glück bringend, mit Ausnahme der 4, die für Südchinesen wegen der ähnlichen Aussprache mit dem chinesischen Wort für Tod als die Unglückszahl

gilt. Ungerade Zahlen signalisieren hingegen Trauer und Unheil. Die beste Zahl ist die 8, auch die 6 ist gut. 1

2.6.1.1. Hierarchie und Top-down-Prinzip

Anweisungen „von oben“ warten und bei unklarer Entscheidungslage von sich aus keinerlei Entscheidung herbeiführen (striktes Top-Down-Prinzip). Eigeninitiative ist in diesem System nicht erwünscht, jedoch kann der jeweilige Vorgesetzte mit der unbedingten Loyalität seiner Untergebenen rechnen. 3

Rangordnung ist in China auf Grund der Hierarchieorientierung ein wichtiges Thema. Dies gilt auch für den Rang von ausländischen Geschäftspartnern. Da der chinesische Geschäftspartner zur Einstufung des ausländischen Geschäftspartners seinen Rang wissen muss, sind Visitenkarten mit Titelangabe (siehe 2.10.6.) im Chinageschäft unerlässlich. Man sollte

- natürlich in Absprache mit der eigenen Firma - einen möglichst hochrangigen Titel auf der Visitenkarte angeben (wie „Leiter von ...“ oder „Manager von ...“), aus dem die eigene Entscheidungsbefugnis speziell in dem für die Partner interessanten Gebiet hervorgeht. Wird dies nicht beachtet, so kann dies bei Verhandlungen in manchen Fällen zu einer Verletzung der Würde der chinesischen Geschäftspartner führen. Häufiger führt dies aber dazu, dass das Treffen von den chinesischen Partnern als Zeitverschwendung angesehen wird, da sie annehmen, dass der Rangniedrigere keine entsprechende Entscheidungs- bzw. Zeichnungsbefugnis besitzt. Ähnliche Probleme können sich auf Grund des Senioritätsprinzips der Chinesen ergeben. Diese Senioritätsorientierung der Chinesen bedeutet, dass älteren Personen hoher Respekt erwiesen wird. Im Betriebsleben bedeutet es auch, dass Beförderungen primär nach dem Alter und nicht

nach der Qualifikation der Person vorgenommen werden. Umgelegt auf ausländische Geschäfts- kann diese Senioritätsorientierung der Chinesen bei Entsendung eines jungen Verhandlungspartners nach China zu den oben geschilderten Problemen führen, auch wenn die fachliche Kompetenz der Person hoch ist. Eine Lösung dieses Problems besteht darin, dass man auf die Kontakte älterer, möglicherweise sogar pensionierter Mitarbeiter baut, die die jüngere Person beim ersten Treffen des chinesischen Geschäftspartners begleiten und ihr „die Türe öffnen“. 1

Eine weitere Besonderheit der chinesischen Kultur ist der Begriff „Guanxi“, welcher sich mit „Beziehungen“ übersetzen lässt. Dabei geht der Begriff jedoch über das europäische Verständnis der reinen Beziehung zur Erreichung gesellschaftlicher Vorteile hinaus. Es handelt sich um komplexe und informelle soziale Netzwerke, welche als eine horizontale Struktur aufgefasst werden können, die die ansonsten streng vertikal-hierarchische und zumeist bürokratische Struktur transzendieren. Sie ermöglichen es dem Einzelnen, auf Umwegen Ziele zu erreichen, die auf dem offiziellen Wege nicht erreichbar wären: „To the Chinese, ‘Guanxi’ is a sort of tit-fortat, ‘You scratch my back, I’ll scratch yours’ arrangement. Someone with whom you have ‘Guanxi’ can be counted on to do your favors, bend the rules, and even break them sometimes on your behalf. It is a cultural phenomenon to Chinese all over the world…” 2 . Auch für ausländische Geschäftspartner ist es wichtig, durch ständige Beziehungsknüpfung und Beziehungspflege in solche informellen Netzwerke aufgenommen zu werden. Dies involviert zwar viel Zeit und Kosten (z.B. für Geschenke), jedoch lohnen sich diese Investitionen. Ist man erst Teil dieser Netzwerke, erweisen sich diese als sehr tragfähig und vereinfachen das Geschäftsleben in China, z.B. bei Interaktionen mit Behörden oder Kunden, wesentlich. 3

Das Harmoniestreben des Konfuzianismus und die Betonung wechselseitiger Beziehungen sind Ursachen einer ausgeprägten Gruppenorientierung der Chinesen. Die Vermeidung von offenen Konflikten wird als die oberste Maxime der Gruppe gesehen. Innerhalb der Gruppe herrscht große Solidarität. Man bietet sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung und zollt den Gruppenmitgliedern seinen Respekt. Dieser ausgesprochenen Gruppenloyalität steht jedoch die Gleichgültigkeit gegenüber der anonymen Gesellschaft gegenüber, was zu einer bewussten Abgrenzung von anderen Gruppen führt (Fraktionsprinzip). Außenstehende können nicht mit der Unterstützung der Gruppe rechnen. Die Trennlinie wird je nach Situation bzw. Kontext zwischen Familien, Betrieben 4 , Universitäten, „Danweis“ 5 oder auch Städten oder Provinzen gezogen. 1

2.7. Bürokratie und Korruption

niedriges Gehalt nicht durch die Annahme von Aufmerksamkeiten aufbessern würde. Für ausländische Firmen stellt sich die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit von „seitlichen Abgaben“. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass die Abwicklung von Geschäften in China ohne diese „obligatorischen Zugaben“ sehr erschwert wird. Die Geschenke dienen der Beziehungspflege und sind daher als eine Zukunftsinvestition anzusehen. Dementsprechend sollte bei Angeboten immer ein Zuschlag einkalkuliert werden, der die Kosten der Zugabe deckt. Obwohl Korruption bis in höchste Regierungskreise praktiziert wird, versucht die chinesische Regierung in regelmäßigen Kampagnen gegen Wirtschaftskriminalität und Amtsmissbrauch vorzugehen. Bisher ist es jedoch nicht in zufrieden stellender Weise gelungen, dieser Herausforderung gerecht zu werden. 3

2.8. Raum und Zeit

Auch das Zeitempfinden der Chinesen ist von den europäischen Maßstäben deutlich verschie- Nach dem Motto „time is time and money is money“ wird Zeit selten als knappe, sondern

denn sie bietet dem Einzelnen Schutz und Geborgenheit und wirkt über die Bereitstellung von Arbeitsplatz, Wohnung, Kranken- Altersversorgung etc. als ein stabilisierender Faktor der chinesischen Gesellschaft. Am stärksten ausgeprägt findet sich die

Danwei-Form auf den Dörfern, wo Produktions- und Lebensraum weit gehend zusammen fallen. Weil diese beiden Bereiche in den

Städten immer häufiger auseinander fallen, ist dort der einzelne oft sowohl einer Wohndanwei (z.B. Wohnviertel) als auch einer

Arbeitsdanwei (z.B. Fabrik, Universitätsfakultät) angehörig. Zu beobachten ist jedoch, dass die Danwei-Struktur der chinesischen

Gesellschaft durch die zunehmende Einführung von Marktstrukturen, vor allem im Personalbereich, langsam aufgebrochen wird

und an Bedeutung verliert. Dennoch ist sie immer noch für rund 2/3 der Bevölkerung das Lebensfundament. (Schuchardt (1994),

S. 80f und S. 103; Niembs (1996), S. 43ff)

eher als frei verfügbare Ressource gesehen 1 . Pünktlichkeit nach westlichen Maßstäben wird nur eine untergeordnete Rolle beigemessen 2 . Zudem erfolgt keine klare Trennung zwischen Arbeits-und Privatzeit. Für chinesische Geschäftsleute gilt alle Zeit außerhalb der Schlafruhe den Geschäften. Mehrere Sachen werden parallel und vernetzt bearbeitet, wobei Unterbrechungen, z.B. innerhalb von Besprechungen, von Chinesen nicht als störend empfunden werden. 3 Im Folgenden wird näher auf diese polychrone Vorgehensweise eingegangen.

2.9. Vorgehensweisen zur Zielerreichung

chend kann für die Mehrzahl der Managementaufgaben ein Tag als kleinste realistische Zeiteinheit für die Planung gelten. Wenn in einem derartigen System eine Etappe nicht erreicht werden kann, würden bei einem stark monochronen, linearen Zeitplan auch alle folgenden Etappen in Verzug geraten. Daher wird anstatt der Strategie des „kritischen Pfades“ in China meist eine personenbezogen-polychrone Vorgehensweise gewählt (siehe Abb. 2.1. rechte Seite). Dabei wird eine Art Grundgerüst geplant, jedoch können die Pläne ad hoc und flexibel geändert werden, wenn sich eine andere Möglichkeit zur Erreichung eines Ziels ergibt. Die Punkte in Abb. 2.1. rechte Seite stehen für nützliche Personen, die in einem Beziehungsnetz miteinander verbunden sind und schnell und unbürokratisch alles Notwendige arrangieren können. Dieses verschlungene Netzwerk erscheint zur Zielerreichung angesichts der erwähnten chinesischen Rahmenbedingungen Erfolg versprechender als eine detaillierte Ressourcenplanung, deren Einhaltung oft nicht garantiert werden kann. Zeitersparnis ergibt sich bei dieser Arbeitsweise aus Querverbindungen zwischen den parallel laufenden Projekten, d.h. wenn die in einem Projekt aktivierten Kontakte auch für andere Projekte genutzt werden können. Klarerweise ist keine Kultur zu hundert Prozent auf einer einzigen Seite angesiedelt. Dennoch gehen Menschen der deutschsprachigen Länder tendenziell monochron und Chinesen tendenziell polychron vor. 5

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Abb. 2.1.: Sachbezogen-monochrone versus personenbezogen-polychrone Vorgehensweisen

Quelle: entnommen aus Reisach et al. (1997), S. 313

Konditionen zu erhalten. Um nicht den Zeitfaktor als Druckmittel gegen sich verwenden zu lassen, sollten für alle Chinareisen großzügige Zeitreserven eingeplant werden. Außerdem sollte man vereinbarte Termine nicht für unumstößlich halten, sondern zwischen Planung und Treffen mehrmals Kontakt mit dem Geschäftspartner zur Bestätigung des Termins aufnehmen. 2

Die chinesische Schrift kennt über 50.000 Schriftzeichen, wobei für den gehobenen Sprach- nur rund 8.000 Zeichen und zum Verstehen der Grundzüge einer Tageszeitung nur rund 2000 Zeichen benötigt werden. Grammatik und Schreibweise sind in ganz China gleich. Dank der universellen Zeichen können landesweit Texte geschrieben und verstanden werden. Die Dialekte unterscheiden sich jedoch massiv, sodass eine rein mündliche Verständigung von Chinesen unterschiedlicher Regionen oft äußerst kompliziert bis unmöglich ist. In solchen Fällen ist eine Kommunikation nur über die allen vertrauten Schriftzeichen möglich 3 . Die chinesische Hochsprache Mandarin basiert auf dem nördlichen Dialekt (Beihua), neben der eine Vielzahl von regionalen Idiomen, wie z.B. Shanghai-Chinesisch, Cantonesisch (vor allem in Hongkong), Minanhua oder Hakka, gesprochen werden. 4

Die Mentalität eines Kulturkreises wird ganz wesentlich von der Struktur der Sprache geprägt. Fundiertes Wissen über die Grundzüge und Besonderheiten der chinesischen Sprache und Schrift hilft, sich besser in das Denken und die oft recht bildreiche Ausdrucksweise der chinesischen Partner einfühlen zu können. Im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch darauf nicht näher eingegangen werden. 1

Beim Geschäftemachen in China kann man sich keinesfalls auf seine Englischkenntnisse alleine verlassen. Denn die eigentlichen, meist älteren chinesischen Entscheidungsträger beherrschen sehr oft keine westliche Fremdsprache bzw. sind bei Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern oft nicht gewillt, diese zu sprechen. Auch wenn in China vor allem bei der jüngeren Generation ein Trend zum vermehrten Erlernen von Englisch erkennbar ist, ist für Verhandlungen der Einsatz eines qualifizierten Dolmetschers meist unerlässlich. Üblicherweise stellt bei wichtigen Verhandlungen jede Seite einen eigenen Dolmetscher - schon aus Gründen der Vertrautheit und Loyalität. Bei der Auswahl ist nicht nur auf die sprachliche Fähigkeit zu achten. Da der Dolmetscher Informationen durch seinen Begriffs- und Erfahrungsschatz filtert, kann dies bei mangelhafter technischer und kaufmännischer Qualifikation des Dolmetschers zu inhaltlichen Irritationen in betriebswirtschaftlichen Fragen führen. Zudem sollte der Dolmetscher nicht nur Überbringer des Gesagten oder Geschriebenen sein, sondern auch als kultureller Moderator agieren, da wörtliche Übersetzungen ohne Rücksicht auf die Situation und den kulturellen Zusammenhang zu Missverständnissen führen können. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Loyalität des Dolmetschers. Die Gefahr der Verfolgung eigener oder dritter Interessen durch die Verzerrung oder Zurückhaltung von Informationen kann dadurch verringert werden, dass der Dolmetscher exklusiv für das Unternehmen verpflichtet wird. Wird bereits ein JV in China geführt, so ist für Verhandlungen mit Dritten der Einsatz eines fachlich kompetenten chinesischen Mitarbeiters des Gemeinschaftsunternehmens wohl die beste Option. 2

2.10.3. Kommunikationsverhalten

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Tab. 2.2.: Expressive und ritualisierte Kommunikationsweisen

Quelle: entnommen aus Reisach et al. (1997), S. 327

(diese vertrauen einander und sind nicht hierarchisch getrennt), Fremden (diese haben keine Beziehung zueinander) und Feinden (diese haben keine Beziehung mehr). Auch Vorgesetzte haben zu einem gewissen Maß das Recht, ihre Bedürfnisse offener anzumelden als ihre Untergebenen. Ebenso wird in Notfällen direkt reagiert. In all den anderen Fällen, d.h. dann, wenn es um Gesichtswahrung geht, gehen Chinesen aber indirekt und ritualisiert vor. 2

- Abfedern: Will man etwas erbitten, fordern, ablehnen oder kritisieren, so sollte die Rede mit etwas Positivem eingeleitet und beendet werden. Positiv ist alles Prestigeerhöhende, z.B. Lob, Dank, Komplimente, um Rat ersuchen etc.

- Auslassen: Man spricht alles an außer den kritischen Punkt, so dass dieser spürbar hervortritt (z.B. auf die Frage „Sind Sie gut untergebracht?“ die Antwort „Der Blick aus dem Hotelfenster ist hübsch“ - der Rest jedoch weniger).

- Anteilnahme: Man versetzt sich in die Lage seines Gegenübers und spricht in seinem Sinne (z.B. die Aussage „Sie haben morgen einen harten Tag“ bedeutet „ich bin auch müde“).

Dem indirekten Kommunikationsverhalten entsprechend, wird auch bei der Konfliktlösung indirekt vorgegangen, wobei die Konfliktlösung auf mehreren Ebenen erfolgt. Vorerst wird nonverbal durch Signale, Gesten und Symbole auf ein Problem hingewiesen, denn im Anschluss können bei erfolgreicher Lösung des Konflikts alle Betroffenen so tun, als ob nichts gewesen sei. Ist dieser Weg zum Ausräumen des Problems nicht erfolgreich, so wird die Beziehung intensiviert, z.B. durch das Hervorheben der gemeinsamen Anliegen und Ziele, und/oder der strittige Punkt wird banalisiert, tabuisiert oder geleugnet. Ab einem gewissen Punkt reicht das Herunterspielen nicht mehr aus. Insistieren, selbst wenn dabei Kompromissvorschläge vorgebracht werden, verhärtet jedoch die Fronten. Anstatt aller sachlichen Darlegungen, Konfrontationen oder gar dem Androhen von Rechtsmitteln ist die Einschaltung eines Vermittlers (z.B. Chef, Freund, Bekannter) zielführender. Ein idealer Mediator ist dabei ausdrücklich nicht sachlich und neutral, sondern beiden Seiten gewogen oder verbunden und steht im Rang über den Streitenden. Auch bei Problemen mit staatlichen Stellen empfiehlt sich der Einsatz eines Vermittlers. Ist es schon zum offenen Konflikt gekommen, so hilft als letzter Ausweg nur mehr die möglichst vollständige Isolation des/der Störenfriede(s) durch einen unbefangenen Gesprächsleiter 1 , um auf einer höheren Ebene zu einer Einigung zu kommen. 2

Auch in der Argumentationsweise gibt es grundlegende Unterschiede zwischen China und den deutschsprachigen Ländern. Ausschlaggebend für die Unterschiede sind hier nicht nur die sozialen Dimensionen, sondern auch die unterschiedlichen Ausrichtungen in den Denkmustern. Der westliche Stil der Argumentation ist meist deduktiv, d.h. die Argumentation beginnt mit der Kernaussage, um sofort „auf den Punkt zu kommen“. Erst dann werden die Erläuterungen und Gründe zur Untermauerung der Kernaussage aufgefächert, weshalb man von einer deduktiven Denkpyramide spricht. Im Gegensatz dazu erläutern Chinesen vorerst alle Prämissen, Bedingungen etc., um dann daraus am Ende der Argumentationskette einen Schluss abzuleiten und zu präsentieren (induktiver Denkzirkel). Durch diesen grundlegenden Unterschied entstehen häufig Kommunikationsprobleme. So hält ein kulturell ungeschulter Chinese die am Beginn stehende Kernaussage des westlichen Partners nur für ein unbedeutendes Glied in der von ihm

erwarteten Argumentationskette und nimmt kein oder ein falsches Kernanliegen wahr. Der Westler hingegen könnte Chinesen für unlogische Schwätzer halten. Auch wenn beiden Seiten die Unterschiede bekannt sind, wirkt der westliche Stil, Kernaussagen ohne Vorbereitung in den Raum zu stellen, auf Chinesen vielfach aggressiv, überrumpelnd oder arrogant. Ebenso kann die einkreisende, synthetische Methode der Chinesen auf Westler verunsichernd wirken. 1

Begrüßung und Smalltalk: Durch die vermehrten Kontakte mit dem Ausland hat unter Ge- auch in China ein leichter, längerer Händedruck Einzug gefunden, wobei dieser von einem Nicken und einer leichten Verbeugung begleitet sein sollte. Wenn man bei Begrüßung oder Abschied besondere Gefühle ausdrücken will, kann man die Hand des Gegenübers mit beiden Händen ergreifen. Unüblich sind Umarmungen und Schulterklopfen. Von Vorteil ist die Kenntnis von Begrüßungsformeln in der Landessprache. Die Anrede erfolgt möglichst mit Titel bzw. hierarchischer Position und Nachname 2 . Meistens beginnen Treffen mit Chinesen mit einem ausführlichen Smalltalk, besonders wenn sich die Personen noch nicht kennen. Passende Themen für das erste Treffen sind erste positive Eindrücke über das Land, Smalltalk über das Wetter, über die asiatische Küche oder über die Reise. Ab dem zweiten Treffen sollte man sich auch über das Wohlbefinden des Geschäftspartners und seiner Familie erkundigen. Unpassend sind kritische oder abwertende Bemerkungen jeder Art, negative Ereignisse wie Krankheiten oder Fehler, oder konfliktträchtige Themen gesellschaftspolitischer Art (z.B. betreffend Menschenrechte). 3

Gestik und Mimik: In China gilt Selbstbeherrschung als das Zeichen einer starken Persönlich- Wer seinen Körper und seine Emotionen unter Kontrolle hat, dem traut man auch Macht und Stärke zu. Chinesen verwenden beispielsweise beim Sprechen kaum die im Westen üblichen rhetorischen Handgesten. Extreme Gesten sollten daher von Ausländern vermieden werden. Ein wichtiges und häufig verwendetes nonverbales Medium stellt in China das Lächeln dar, welches

in verschiedensten Ausprägungen eingesetzt wird. So steht Lächeln z.B. für das „Danke“ oder „Bitte“, zur Begrüßung, als Zeichen der Freude, Zustimmung, Anerkennung oder Lob, aber auch für eine Ermahnung, Entschuldigung, als Ausdruck von Verlegenheit, zur Schreckensbekämpfung oder als indirekte Botschaft der Trauer. Das Interpretieren der Botschaft, die ein konkretes Lächeln vermitteln soll, kann nur durch jahrelange Erfahrung im Umgang mit Chinesen verstanden werden. Jedenfalls ist man in China gut beraten, so oft wie möglich zu lächeln. Lautes Lachen hingegen gilt als Mangel an Selbstbeherrschung. Augenkontakt sollte nur kurz und nicht zu intensiv sein. Verpönt sind vor der Brust verschränkte Arme, in die Hosentasche gestreckte oder auf die Hüften gestützte Hände, das Deuten mit dem Zeigefinger auf Menschen, oder das Überkreuzen der Beine, etwa am Verhandlungstisch, weil die Spitze des Fußes dabei zwangsläufig auf eine gegenüber sitzende Person zeigt. 1

Entschuldigungen und Komplimente: Was Entschuldigungen anbelangt, sollte man diese in Asien oft und rechtzeitig aussprechen. Denn sich zu entschuldigen, auch wenn kein konkreter Grund dafür besteht, wird mit einem gebildeten Benehmen assoziiert und kann prekäre Situationen auf einfache Weise entschärfen. Komplimente sind eine gute Brücke zum Knüpfen von Beziehungen oder zum leichteren Einstieg in Gespräche und sollten daher ebenfalls oft ausgesprochen werden. 3

daher in eine peinliche und beschämende Situation versetzt werden. Kritik wird daher in China

auf diskrete und indirekte Art sehr vorsichtig, unpersönlich und meistens mit einem Gleichnis vorgebracht. Eine direkte Kritik sollte stets vermieden werden. 1

Auch bei der Verhandlungsführung zeigt sich, dass Geschäftspartner aus den deutschsprachigen Ländern in erster Linie ergebnis- und zielorientiert ihre Gespräche führen, während die chinesische Seite darin eher einen Prozess sieht, der schrittweise den Weg zum Konsens ebnet. Der Aufbau einer stabilen Beziehung ist der chinesischen Seite dabei wichtiger als eine reine Sachorientierung. 3

östliche Verhandlungsmagie. Mit Kompetenz, Geduld, und einer kräftigen Portion Zähheit wird der chinesischen Verhandlungsweise am besten begegnet. 5

innerhalb der chinesischen Seite abgestimmt werden müssen. Zudem werden Mitglieder der Delegation oft ausgetauscht, wodurch der Verhandlungsablauf zusätzlich verkompliziert wird. Außerdem sind chinesische Delegationen selten mit weit reichender Entscheidungsbefugnis ausgestattet, denn es gibt immer einen - oft nicht direkt an den Verhandlungen beteiligten - Ranghöheren, der sich einverstanden erklären muss. Aus diesen Gründen werden Entscheidungen praktisch niemals in einem Meeting selbst getroffen. Vielmehr dienen die Gesprächsrunden zum Austausch von Informationen, die zur internen Beratung, Abstimmung und Entscheidungsfindung notwendig sind. Auch die Vertragsunterzeichnung bedeutet meist nicht das Ende der Verhandlungen, denn Nachverhandlungen sind üblich, wann immer sich neue Aspekte ergeben. (siehe auch 4.3.). 1

Um bei Verhandlungen in China erfolgreich zu sein, sollten diese sehr sorgfältig vorbereitet und einfühlsam geführt werden. Ausländische Geschäftspartner legen oft nur Wert auf Fachwissen und Fachkompetenz und messen der persönlichen Komponente geringe Bedeutung zu. Außerdem setzen sie sich zwar selbst ein Ziel, wissen aber oft nicht, welche Ziele und Motive der Partner hat. Ohne diese zu kennen fällt jedoch auch das Erreichen des eigenen Ziels schwer. Der Kriegsgeneral Sun Tsu 2 sagte einst: „Wer den Feind und sich selber kennt, wird in hundert Schlachten siegreich bleiben.“ Entsprechend dieser Aussage sollte man sich im Zuge der Vorbereitungsphase für wichtige Verhandlungen neben einer umfassenden Selbstanalyse auch über den Verhandlungspartner ausreichend informieren, etwa über dessen wirtschaftliche Stärken und Schwächen, Ziele, Bedürfnisse, Fähigkeiten und seine Arbeitsweise. Darüber hinaus ist auch die Kenntnis der personellen Zusammensetzung des chinesischen Verhandlungsteams sowie der Entscheidungsstruktur für den positiven Verhandlungsablauf von großer Bedeutung. Die sorgfältige Auswahl der Personen der eigenen Delegation inklusive Aufgaben- bzw. Rollenverteilung zählt ebenso zur Vorbereitungsphase, wobei neben fachlichen und sozialen Kriterien auch das Senioritätsprinzip zu beachten ist. Daher sollte nach Möglichkeit die älteste Person die Rolle des Delegationsleiters übernehmen. Weiters empfiehlt sich die Nennung eines expliziten Verhandlungsbeobachters, der widersprüchliche Aussagen oder verdeckte Kundenwünsche durch Beobachtung der verbalen und nonverbalen Äußerungen der chinesischen Seite herausfiltert, und eines Botengängers, der etwa für das Verteilen von Unterlagen oder das Erledigen dringender Telefongespräche zuständig ist. Auf die Wichtigkeit eines qualifizierten Dolmetschers wurde

bereits im Punkt 2.10.2. hingewiesen. Das Verhandlungsziel selbst sollte flexibel gestaltet werden. Fehlt es nämlich an Spielraum, so kann eine Verhandlung schon bei kleinen Meinungsverschiedenheiten platzen. Eine Unterteilung des Ziels in Etappenziele erscheint sinnvoll, wobei man sich bei der Reihenfolge der Erreichung dieser Subziele flexibel geben sollte. 1

Wichtig ist ein schriftliches Festhalten der vereinbarten Ergebnisse nach jeder Verhandlungs- für den weiteren Verhandlungsverlauf und für die Ausformulierung von Verträgen. Als vorteilhaft erweist sich ein gemeinsames Dokumentieren 3 . Um Übersetzungsfehler oder Missverständnisse zu vermeiden, sollten wichtige Abschlussdokumente vom Englischen ins Chinesische und wieder ins Englische übersetzt werden. Bei Diskrepanzen zwischen den beiden englischen Texten sind Umformulierungen nötig, um zu verhindern, dass sich die chinesische Seite später auf eine für die ausländische Seite ungünstige Textinterpretation beruft. 4

3.1. Besondere Einflussfaktoren in Asien

Japan: Auf der einen Seite sind dies die Japaner, welche noch die führende wirtschaftliche Rolle in Asien innehaben. Japan unterstützt die Länder der Region mit dem Transfer von Technologien, finanzieller Hilfe (Entwicklungsgeld), beruflicher Ausbildung von Personal und auch administrativer Hilfe, etwa beim Ausbau länderspezifischer Entwicklungsprogramme. Durch diese wirtschaftliche Macht übt Japan auch seinen Einfluss auf politischer Ebene aus, z.B. bei der UNO-Arbeit oder in den wirtschaftspolitischen Organisationen in Asien. 1

Ausland dezentralisierte, grenzübergreifende Netze auf Basis familiärer u. a. Verbindungen, wobei diese wiederum zu einem globalen Geflecht von Netzwerken verwoben sind. Das erwirtschaftete Kapital investieren sie in Milliardenhöhe in Südostasien, wodurch sie zu führenden Investoren und Wirtschaftsmagnaten in der Region werden 3 . 4

Am Verwaltungsaufbau der VR China 5 , der im Anhang 3 dargestellt wird, ist die stark zentralistische Staatsführung zu erkennen. Der Staatsrat ist das oberste Organ, dem alle Kommissionen, Ministerien, Verwaltungen und Institutionen unterstehen. Die Oberste Staats-

anwaltschaft und der Oberste Gerichtshof sind zwar dem Staatsrat formal gleichgestellt, jedoch faktisch von wesentlich geringerer Bedeutung. Gesetzgebung (Nationaler Volkskongress), Rechtssprechung (Oberster Gerichtshof) und Exekutive (Kommissionen, Ministerien und Büros) obliegen zwar unterschiedlichen Institutionen, sind aber im Gegensatz zum demokratischen Prinzip der Gewaltentrennung nicht unabhängig, da sie dem Nationalen Volkskongress unterstehen. Der Nationale Volkskongress ist eine Art Parlament mit Vertretern aus den verschiedenen Provinzen des Landes, der jedoch von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) dominiert wird. Somit liegt die tatsächliche politische Entscheidungsgewalt in den Händen dieser Partei, welche alle politischen Institutionen durchdringt und darüber hinaus auch großen Einfluss in der Wirtschaft besitzt, z.B. bei der Besetzung von Führungspositionen in Unternehmen. Das Zentrum der Macht innerhalb der Partei liegt im so genannten informellen Führungszirkel der KPCh, in dem auch das Militär (Volksbefreiungsarmee) stark beteiligt ist. Dieser Führungsanspruch wird von einigen Provinzen zunehmend in Frage gestellt. Vor allem die prosperierenden Küstengebiete fordern größere Autonomie und Entscheidungsbefugnis, was unter anderem auf die Höhe der Transferleistungen an die rückständigen Hinterlandregionen und die Verteilung der Steuereinkünfte zwischen den Regionen zurückzuführen ist. Es gibt zwar auch andere Parteien, jedoch kann man nicht von einer echten politischen Opposition reden. Meinungsverschiedenheiten werden durch Gespräche meist im Vorfeld abgeklärt. Der gesamte politische Prozess ist in ein hochkomplexes Netzwerk von persönlichen Beziehungen und Verpflichtungen eingebettet und nur schwer nachvollziehbar, da der Machtkampf großteils hinter den Kulissen geschieht. 1

China befindet sich auf dem Weg zu einer „Sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischer Prägung“, oder, um es in anderen Worten zu formulieren, in einer Übergangsphase zwischen Plan und Markt, ohne jedoch die freie Marktwirtschaft als Endziel anzupeilen. Vielmehr wird versucht, einen eigenen, besseren Weg zu finden, der die Vorteile beider Konzepte vereint. Der marktwirtschaftliche Reformkurs dient daher allein dem Ziel, ein höheres Wohlstandsniveau zu erreichen. Die Grundprinzipien des Sozialismus, wie z.B. sozialer Ausgleich, staatliche Umverteilung und staatliche Wirtschaftslenkung als Mittel gegen die Defekte der Marktwirtschaft, werden in diesem System hochgehalten. Jedoch soll die gesamtwirtschaftliche Steuerung und Kontrolle nicht mehr, wie in Chinas Planwirtschaft vor 1978, durch staatliche Detailplanung, sondern durch die Schaffung eines verbindlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmens erfolgen, der durch staatliche Kontrollen ergänzt werden soll. Makroökonomische Kontrollinstrumente wie die gezielte Steuerung der Leitzinsen bzw. der Geldmenge werden jedoch noch kaum angewendet, weil man darin einen weit gehenden Verlust der Kontrolle über die Betriebe befürchtet. Vielmehr greift man nach wie vor zu vertrauten Kontrollmaßnahmen wie die Festlegung von Import- bzw. Exportquoten oder Subventionen. Diese Situation wird sich durch den Beitritt Chinas zur WTO (siehe 3.3.) jedoch mittelfristig ändern. Anhang 4 stellt die grundlegenden

Charakteristika von Planwirtschaft, sozialistischer Marktwirtschaft und „westlicher“ Marktwirt- gegenüber. 1

- Fortsetzung der Politik der außenwirtschaftlichen Öffnung (z.B. durch den erfolgten WTO-Beitritt) und Intensivierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland

- vermehrte Förderung von ausländischen Investitionen in den Inlandsprovinzen

- Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Firmen durch die Verbesserung der Produktqualität chinesischer Firmen, unter anderem durch vermehrte Zusammenarbeit mit dem Ausland in den Bereichen Wissenschaft und Technologie

- Unterstützung von Exportaktivitäten chinesischer Firmen durch Verbesserung des Exportfinanzierungs- und -versicherungssystems im Rahmen der WTO-Richtlinien

- Unterstützung von chinesischen Investitionen im Ausland

- Verstärkte Anwendung von Informationstechnologien in den Bereichen Administration, Information und elektronischer Handel

3.3. Der WTO-Beitritt Chinas

Im Bereich des internationalen Handels werden die wichtigsten Auswirkungen sein 1 :

Bei ausländischen Direktinvestitionen werden sich vor allem folgende Auswirkungen zei- 2 :

Eine Roland Berger Studie 3 untersucht die Auswirkun-

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des WTO-Beitritts Chinas auf verschiedene Industriesparten. Auf der einen Seite wird der Druck auf die einzelnen Industriesparten vom Ausmaß ihrer Globalisierung abhängen, auf der anderen Seite von der gegenwärtigen Protektion durch tarifäre und nichttarifäre Barrieren, welche durch den WTO-Beitritt mittelfristig verschwinden werden. Am schwerwiegendsten werden die Auswirkungen in globalisierten Industriesparten sein, wo die Protektion der Endprodukte bzw. der gesamten Wertschöpfungskette Abb. 3.1.: Chinas WTO-Beitritt - Auswirkung auf (Zulieferbetriebe) noch hoch ist und die Produkte

verschiedene Branchen

Quelle: entnommen Keller et al. (2000), S. 32 daher weit gehend vom internationalen Wettbewerb abgeschottet sind. So wird der Preis- und Qualitätsdruck besonders in der Automobilindustrie und in der Telekommunikationsbranche stark zu spüren sein (siehe Abb. 3.1.).

Ein guter Überblick über Chinas WTO-Konzessionen, gegliedert nach Branchen, findet sich auf der Seite http://www.ahk-china.org/china-wto/china-wto-konzessionen.htm. Auf http://europa.eu.int/comm/trade/bilateral/china/drop.htm ist eine umfassende Auflistung betreffend die Reduktion der chinesischen Importzölle über die nächsten Jahre zu finden, wobei die Produkte entsprechend der sechsstelligen HS-Nomenklatur aufgelistet sind. Die Seite http://europa.eu.int/comm/trade/pdf/chn_servsched.pdf erläutert ausführlich die Auswirkungen des WTO-Beitritts im Bereich der Dienstleistungen. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf diese Veränderungen genauer einzugehen.

2 Chinas BIP (Bruttoinlandsprodukt) entwickelt

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sich seit rund zwei Jahrzehnten sehr positiv. Im Jahr 2000 betrug es bereits USD 1.076,9 Mrd., womit China im asiatischen Raum hinter Japan mit einem BIP von USD 4.677,1 Mrd. an zweiter Stelle liegt. Im Zeitraum 1980-1990 bzw. 1990-2000 ist das BIP um durchschnittlich 10,1 % bzw. 10,3 % pro Jahr gestiegen. Schätzungen für den Zeitraum 2000-2004 gehen von einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 7,4 % aus. China dürfte demnach vom weltwirtschaftlichen Abschwung kaum betroffen sein. Dass die chinesische Wirtschaft auch zu Zeiten der Asienkrise - im Abb. 3.2.: Reales BIP-Wachstum China 1996-2002

Quelle: F.A.Z.-Institut

Gegensatz zu den meisten anderen Ländern

der Region - kaum an Wachstum eingebüßt hat, ist aus Abb. 3.2. gut ersichtlich.

Das BIP pro Kopf betrug im Jahr 2000 USD 853. Es bestehen jedoch sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen (siehe Anhang 5). So war 1999 Shanghai der absolute Spitzenreiter mit einem Pro-Kopf-BIP von USD 3.307, gefolgt von Beijing mit USD 2.079 und Tianjin mit USD 1.820. Das geringste Pro-Kopf-BIP wiesen die Regionen Guizhou (USD 296) und Gansu (USD 442) auf. 1

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Abb. 3.3.: Inflationsentwicklung 1994 - 2000

Quelle: Weltbank (http://www.worldbank.org/data/)

In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur ersichtlich:

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Tab. 3.1.: Entwicklung der Wirtschaftsstruktur seit 1980

Quelle: Weltbank (http://www.worldbank.org/data/)

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3.4.2. Länderrating

Darstellung der Bonität des Landes wurde das bankspezifische Institutional-Investor-Country-Rating 2 gewählt. China weist ein Rating für September 2000 von 60,6 aus 100 möglichen Punkten auf und liegt somit an 39. Stelle von insgesamt 145 bewerteten Ländern. Das Kreditrisiko in China wird somit als moderat eingestuft. 3

Der mit Abstand wichtigste Handelspartner Chinas nach Regionen ist Asien mit einem kumu- Export- und Importvolumen Jän.-Nov. 2001 von USD 261,06 Mrd. (56,4 %). Europa steht mit USD 88,41 Mrd. (20,4 %) an zweiter Stelle, gefolgt von Nordamerika mit USD 80,16 Mrd. (17,3 %). 4 Nach Ländern sind die wichtigsten Handelspartner wie folgt:

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Tab. 3.2.: Die wichtigsten Handelspartner Chinas

Quelle: MOFTEC (http://www.moftec.gov.cn/moftec_en/)

3.4.4. Wichtigste Export- und Importwaren

3.4.5. Unternehmensarten in China

Im Anhang 7 findet sich eine nähere Analyse der Unternehmenstypen im Hinblick auf deren Stärken und Schwächen, die unter anderem für die Partnerwahl (siehe 7.5.) von Bedeutung ist. Ein Blick auf den Output pro Beschäftigten zeigt die großen Diskrepanzen in der Effizienz der einzelnen Unternehmensarten. Der Output pro Beschäftigten betrug 1997 USD 867 für staatseigene Unternehmen, USD 3.951 für Kollektivunternehmen und USD 5.962 für Privatunternehmen inkl. der Unternehmen ausländischer Investoren. 3

Im Rahmen der chinesischen Öffnungspolitik wurde seit Anfang der 80er Jahre die gezielte Förderung ausländischer Investitionen vorangetrieben, um westliches Know-how und Kapital zu

importieren. Zu diesem Zweck wurden in gezielt ausgewählten Regionen so genannte „Sonder- wirtschaftszonen“ (SEZ Special Economic Zones) errichtet, und zwar in Shenzhen, Shantou und Zhuhai (in der Provinz Guangdong), in Xiamen (Provinz Fujian) und auf der Inselprovinz Hainan. Auf Grund des erfolgreichen Probelaufs der SEZ und des Drucks anderer Provinzen erhielten 1984 weitere 14 Küstenstädte die Genehmigung, ausländischen Investoren die gleichen Vergünstigungen wie die SEZs zu bieten. In diesen so genannten „offenen Küstenstädten“ 1 wurden (mit Ausnahme von Wenzhou und Beihai) im Anschluss so genannte „wirtschaftliche & technologische Entwicklungszonen“ errichtet. Nach 1985 erklärte China das Perlflussdelta in der Provinz Guangdong, die südliche Region der Provinz Fujian, die Halbinseln Shandong sowie Liaoning, das Yangze-Delta und den Großraum um die Stadt Xiamen zu so genannten „offenen Wirtschaftszonen“. Auch Beijing und die Provinzhauptstädte erhielten 1992 den gleichen Status wie die 14 „offenen Küstenstädte“. Außerdem können durch die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen regionale Behörden über die Zulassung von wirtschaftlichen Sonderzonen innerhalb gewisser Grenzen selbst entscheiden, wovon in den letzten Jahren auch regelmäßig Gebrauch gemacht wurde. 2

orte, weshalb die Lage kaum noch überschaubar ist. Deshalb wird eine genaue Überprüfung der Begünstigungen für den jeweiligen Standort nötig. Um zu vermeiden, dass die von lokalen Behörden oft selbstständig angebotenen Vorteile später mangels wirksamer Rechtsgrundlage nicht gewährt werden (können), sollte auch stets überprüft werden, ob die Begünstigungen mit Genehmigung der Zentralregierung errichtet wurden. 4

unzureichend ausgebauten Infrastruktur und einem niedrigen Bildungsniveau der Arbeitnehmer sind diese Versuche bei ausländischen Investoren bislang auf wenig Resonanz gestoßen. 1

4.1. Allgemeines

4.2. Rechtliche Normen für internationale Wirtschaftsbeziehungen

- veröffentlichte Außenwirtschaftsgesetze mit ihren Durchführungsverordnungen und oft noch provisorischen Regeln

- interne, nicht veröffentlichte Richtlinien, Regeln und Verhandlungsanweisungen, die für Ausländer nur schwer nachzuvollziehen sind (so genannte „Neibu“), wobei deren Bedeutung jedoch in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat

- Abkommen mit ausländischen Staaten, vor allem zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und zum Schutz ausländischer Investitionen

- allgemeine chinesische Gesetze, die für die Geschäftstätigkeit ausländischer Unternehmen in China relevant sind, wie z.B. das allgemeine Vertragsgesetz, das Arbeitsgesetz oder das Produktqualitätsgesetz

- Binnenwirtschafts-Vertragsgesetz: Dieses Gesetz ist nur mehr auf Wirtschaftsverträge zwischen chinesischen Unternehmen und Organisationen (als solche gelten aber auch Joint Ventures und WFOEs!) anzuwenden, die vor dem 1.10.1999 abgeschlossen wurden.

- Außenwirtschafts-Vertragsgesetz: Dieses Gesetz ist - bis auf wenige Ausnahmen - auf alle Wirtschaftsverträge zwischen ausländischen und chinesischen Unternehmen anzuwenden, jedoch gilt es ebenfalls nur mehr für die vor dem 1.10.1999 abgeschlossenen Verträge.

- Einheitliches Vertragsgesetz (EVG): Dieses ist am 1.10.1999 in Kraft getreten und ersetzt das Binnenwirtschafts- und das Außenwirtschafts-Vetragsgesetz für ab diesem Zeitpunkt ab-

geschlossene Verträge. Ferner ersetzt es das Technologievertragsgsetz von 1987, welches auf Technologieverträge zwischen chinesischen Partnern (inklusive JVs und WFOEs) anzuwenden war. Das EVG stellt eine wichtige Entwicklung in der Gesetzgebung Chinas dar, da darin erstmals die Vertragsfreiheit als Grundprinzip des Vertragsrechts anerkannt wird und es in seinem Anwendungsbereich den gesetzlichen Rahmen für inländische und ausländische Vertragsparteien vereinheitlicht.

4.3. Vertrags- und Rechtsverständnis der chinesischen Seite

grundlegend andere Bedeutung als bei uns besitzen. Verträge werden in China eher als Zwischenergebnisse auf dem Weg zu einer langfristigen Zusammenarbeit und als eine Art von Absichtserklärung für eine zum gegenseitigen Nutzen entstehende Geschäftsverbindung betrachtet. Man fühlt sich mehr gegenüber seinem Partner als gegenüber dem Dokument an sich verpflichtet. So glaubt man, Verträge jederzeit auf Grund einer veränderten Sachlage anpassen zu können. Dieses Nachverhandeln wird nicht als Vertragsbruch angesehen, sondern gilt als ein ganz normaler Bestandteil der Beziehungsentwicklung. Einer Absprache unter „Freunden“ wird größere Bedeutung beigemessen als schriftlichen Vereinbarungen. Es lohnt sich daher in jedem Fall, viel Zeit in den Aufbau freundschaftlicher Gemeinschaftsbeziehungen zu investieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Verträge von ausländischen Geschäftspartner vernachlässigt werden können, da eine exakte Abfassung von Vertragstexten für spätere Konfliktlösungen sehr wichtig sein kann. Ausländern sollte jedoch bewusst sein, dass der Vertrag allein zur Sicherung der beidseitigen Interessen nicht ausreicht. 2

Die folgende Tabelle gibt einen zusammenfassenden Überblick über das gegensätzliche Vertragsverständnis chinesischer und westlicher Parteien:

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Tab. 4.1.: Westliches und chinesisches Vertragsverständnis im Überblick

Quelle: entnommen aus Schuchardt (1994), S. 87

In China hat sich zur Beilegung von Streitigkeiten eine zwei- oder dreistufige Vorgangsweise eingebürgert. Der chinesischen Mentalität entsprechend wird zunächst versucht, Meinungsverschiedenheiten durch freundschaftliche Verhandlungen beizulegen. Führt dies zu keinen Ergebnissen, wird meist ein Schlichtungsverfahren eingeleitet. Erst wenn auch dieser Weg zu keiner Lösung führt, wird ein Schiedsgericht (in seltenen Fällen auch ein staatliches Gericht) angerufen. Gewöhnlich ist die Möglichkeit der Konfliktlösung durch chinesische Gerichte in Verträgen und Gesetzen nicht erwähnt. Zu erklären ist dieses Verhalten der Chinesen mit dem Risiko des Gesichtsverlustes bei offen ausgetragenen Streitereien, egal ob die Partei im Recht oder Unrecht ist. Chinesen scheuen sich auch nicht anzudeuten, dass ein vor Gericht oder Schiedsgericht klagender Ausländer das Ende der Geschäftsbeziehung auch dann herbeiführt, wenn er offenbar im Recht ist. 1

Die Bedeutung dieser Möglichkeit ist nicht zu unterschätzen, da in der VR China nach wie vor Formen der nicht-kontradiktorischen Konfliktlösung bevorzugt werden. Nicht nur in der Vertragspraxis findet diese Vorgangsweise ihren Ausdruck 2 , sondern auch in der Gesetzgebung, wo teilweise zu einer „gütlichen Streitbeilegung“ aufgefordert wird. 3

4.4.3. Schlichtung

4.4.4. Schiedsgerichtsbarkeit

Das bedeutendste chinesische Schiedsgericht ist die CIETAC (China International Economic and Trade Arbitration Commission). Formular-Verträge der chinesischen Außenhandelsorganisationen sehen meist die Vereinbarung der CIETAC-Schiedsgerichtsbarkeit vor. Ebenso wird von Chinesen für individuell ausgehandelte Verträge regelmäßig die CIETAC-Schiedsgerichtsbarkeit vorgeschlagen. Normalerweise besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern. Jede Partei wählt aus der Liste der CIETAC einen Schiedsrichter, wobei mittlerweile rund ein Viertel dieser Schiedsrichter ausländischer Herkunft sind. Der Vorsitzende wird von der CIETAC bestimmt. Ausländische Parteien können sich selbst vertreten oder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Als Verhandlungssprache kann seit einigen Jahren auch eine andere Sprache als Mandarin verwendet werden. Unter Umständen ist ein chinesischer Anwalt für den Ausländer vorteilhaft, wenn er über gute Beziehungen („Guanxi“) verfügt. 3

Schiedsrichtern oft an der juristischen Schulung, und es ergeben sich Probleme der Vollstre- (siehe 4.4.5.). 1

Für die einzelnen Investitionsformen ausländischer Direktinvestoren (WFOEs, EJVs und CJVs) wurden teilweise Sondergesetze erlassen (siehe 6.5.2. und 6.6.2.). Daneben bestehen für alle FIE-Investitionsformen gültige Gesetze. Hierunter fällt z.B. die Regelung der Kapitalaufbringung, die kurz erläutert wird. Um zu vermeiden, dass Unternehmen mit ausländischer Beteiligung eine zu hohe Fremdkapitalquote aufweisen, sind 1987 die „Tentative Provisions on the Ratio of

Registered Capital and Total Investment of Equity Joint Ventures“ in Kraft getreten 1 . Folgende Mindesteigenkapitalquoten werden vorgeschrieben: 2

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Tab. 4.2.: Mindesteigenkapitalquote bei Direktinvestitionen

Quelle: entnommen aus Wolff, A. (2001), S. 65

In früheren Jahren mussten Unternehmen mit ausländischer Beteiligung die benötigten Devisen

- meist durch Exporte - selbst erwirtschaften. Da dies den Unternehmen oft nicht ausreichend möglich war, mussten sie oft den relativ teuren Weg des Umtausches von Renminbi (RMB) 3 gegen Devisen bei den Foreign Exchange Adjustment Centres (so genannte „Swap Centres“) wählen. Gemäß den „Regulations on the Settlement, Sale and Purchase of Foreign Exchange“ vom 20.6.1996 ist die chinesische Währung RMB seit 1. September 1996 auf “current accounts” (Verrechnungskonten bzw. laufenden Konten) konvertibel. Damit können heute die für die Erfüllung von Verträgen mit dem Ausland über die Lieferung von Waren, Dienstleistungen oder den Gewinntransfer benötigten Devisen gegen dokumentarischen Nachweis des Bedarfs bei autorisierten Banken erworben werden. Dies gilt jedoch nicht für die zweite Art von Fremdwährungskonten, die so genannten Kapitalkonten. Kontobewegungen auf diesen Konten, wie beispielsweise Stammkapitaleinzahlungen oder ausländische Kreditgewährung und Tilgungen, bedürfen der Genehmigung durch die Devisenkontrollbehörde SAFE (State Administration for Foreign Exchange). Importgeschäfte mit einem Zahlungsziel von über 90 Tagen bedürfen ebenso einer Genehmigung, da sie automatisch als ausländische Kredite eingestuft werden. Es sollte daher ein Zahlungsziel von max. 90 Tage angestrebt werden. Alle China-internen Geldtransaktionen müssen in RMB abgewickelt werden 4 . Das Ziel der chinesischen Regierung, den RMB bis zum Jahr 2000 vollständig konvertibel zu machen, ist durch die Asienkrise vorerst aufgeschoben worden. 5

Einkommenssteuer natürlicher Personen: Die Besteuerung natürlicher Personen ist seit 1994 grundsätzlich einheitlich für Ausländer und Chinesen geregelt. Bei einem Chinaaufenthalt von mehr als einem Jahr werden die weltweiten Einkünfte besteuert, wobei jedoch bei Aufenthalten unter fünf Jahren mit Genehmigung der Steuerbehörden auch hier nur die chinesischen Einkommen der Steuer unterliegen. Bei Aufenthalten unter einem Jahr werden prinzipiell nur die aus China stammenden Einkünfte besteuert. Die verschiedenen Einkommensarten werden unterschiedlich versteuert. Für Löhne und Gehälter liegt ein progressiver Steuersatz von 5 bis 45 % vor; der Spitzensteuersatz wird auf den monatlichen Einkommensanteil erhoben, der RMB 1 100.000 übersteigt. Gebühren für Lizenzen, Dividenden und Zinsen sowie Einkünfte aus Vermietung unterliegen einer einheitlichen Quellensteuer von 20 %. 2

Mehrwertsteuer: Die Mehrwertsteuer ist die wichtigste indirekte Steuer und wurde im Wesentli- dem EU-Umsatzsteuersystem angepasst. Der Mehrwertsteuersatz beträgt 17%; daneben besteht ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 13 % z.B. für Produkte des täglichen Bedarfs, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Versorgungsgüter. Für Kleinunternehmer beträgt der Satz 6 %. Die Mehrwertsteuer ist auf 0 % reduziert für Produkte, die exportiert werden. Bei Importen

wird Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Auch ein Vorsteuerabzug ist möglich, jedoch gestaltet sich dieser in der Praxis vor allem bei der Rückerstattung der Einfuhrumsatzsteuer beim Export von Gütern meist schwierig und wird nicht in voller Höhe gewährt. 1

Property Gains Tax: Immobiliengeschäfte unterliegen der so genannten „Property Gains Tax“, die je nach Höhe des Gewinnes 30 % - 60 % beträgt. 3

Oft bilden Exporte den Ausgangspunkt für die Internationalisierung von Unternehmen. Exporte sind der vom Heimatmarkt ausgehende Absatz von Gütern und Dienstleistungen in Auslandsmärkten, wobei kein Kapital-, Management- oder Technologietransfer in das jeweilige Gastland stattfindet. In Abhängigkeit von der Einschaltung unternehmensfremder Absatzmittler unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Exporten. 1

Beim indirekten Export überträgt der inländische Produzent einem unabhängigen, auf den Zielmarkt spezialisierten Absatzorgan sämtliche Funktionen, Kosten und Risiken, die aus dem Geschäft mit dem Ausland stammen. Für den Produzenten wird das Exportgeschäft somit zum Inlandsgeschäft. Die Kontakte zum Auslandsmarkt sind in diesem Fall für den Produzenten sehr gering, wodurch kein eigenes Firmen- und Produktimage im Ausland aufgebaut werden kann. Jedoch erscheint der Einsatz eines unabhängigen Exporteurs bei einem relativ geringen Absatzpotenzial des Auslandsmarktes, zum Testen der Absatzchancen eines Produktes oder bei mangelnden firmeninternen Kapazitäten lohnenswert. Zu den potenziellen Absatzorganen für den indirekten Export zählen im Allgemeinen inländische Exporteure, internationale Handelsgesellschaften, Einkaufsniederlassungen ausländischer Unternehmen, Exportkommissionäre oder Gemeinschaftsexportunternehmen. Im Geschäft mit China werden indirekte Exporte zum Groß- teil von einer kleinen Gruppe von Handelshäusern mit zum Teil langer Tradition und Erfahrung im Asien- bzw. Chinageschäft betreut. 2

Von direktem Export spricht man, wenn der Produzent unter Ausschluss unabhängiger Absatz- direkt an den ausländischen Abnehmer (Importeur, Groß- und Einzelhändler oder auch direkt an den Endverbraucher) liefert. In der VR China sind vor allem die mit den dafür notwendigen Import-/Exportlizenzen ausgestatteten so genannten Außenhandelsgesellschaften für den Import (und Export) von Waren zuständig. In den vergangenen Jahren führte die Lockerung des Außenhandelssystems jedoch zu einer ansteigenden Zahl von Institutionen und Großunternehmen, die ebenfalls eine Import-/Exportlizenz erhalten haben. Vorteile gegenüber dem indirekten

Export sind die höhere Abschöpfung der Handelsgewinne durch den Produzenten und der direkte Kontakt zu den Kunden im Auslandsmarkt. Jedoch muss das volle Risiko des Auslandsgeschäftes vom Produzenten getragen werden. 1

Die Eröffnung eines Repräsentanzbüros (Representative Office) dient zur Schaffung einer Kontakt- und Anlaufstelle des direkt exportierenden Unternehmens im ausländischen Zielmarkt. In der VR China dürfen Representative Offices offiziell keine Geschäfte auf eigene Rechnung durchführen und keine Verträge als rechtlich selbstständige Unternehmenseinheit im Sinne eines Verkaufsbüros abschließen. Daher zählen die Kontakt- und Geschäftsanbahnung, Marktforschung und Public Relations zu deren Haupttätigkeiten. 2

In vielen Staaten und in Entwicklungsländern waren bzw. sind klassische Exportgeschäfte auf Grund der Devisenknappheit oder rechtlicher Kapitaltransferlimitationen nur beschränkt möglich. Zur Wahrung von Absatzmöglichkeiten haben sich besondere Arten der Geschäftstätigkeit, subsumiert unter dem Begriff Gegengeschäfte, entwickelt. Die Frage, ob Gegengeschäfte als besondere Form von Handelsgeschäften oder als Kooperationsvereinbarungen einzustufen sind, hängt im Wesentlichen von der Komplexität des Geschäftes und den damit verbundenen vertraglichen Vereinbarungen ab. 3

- Barter: Tausch Ware gegen Ware

- direkter Buy-Back 5 : Lieferung von Maschinen etc. und Bezahlung mit Ware der aufgebauten Produktion

- BOT 6 : Build-Operate-Transfer, vor allem für Großbauvorhaben im Infrastrukturbereich

5.1.3. Technologie-Importgeschäfte

erfolgt - jedoch auch hier ohne Vermögenstransfer - können damit Handelsbarrieren umgangen werden. Die Überwachung der Vertragstreue des Lizenznehmers gestaltet sich meist schwierig. Nachteilig wirkt sich auch die fehlende Kontrolle über die Intensität der Marktbearbeitung bzw. über die Marketingaktivitäten aus. Ebenso ergibt sich das Risiko, dass der Lizenznehmer nach dem Auslaufen des Lizenzvertrages zu einem Konkurrenten des Lizenzgebers wird, oder dass im Falle einer Exklusivlizenz diese nicht entsprechend zum Einsatz kommt, um die Technologie vom Markt fernzuhalten. Ein generelles Problem bildet der in der VR China immer noch unzureichende Patentschutz bzw. die Akzeptanz von Patenten an sich, was die Gefahr der Produktimitation oder Markenpiraterie zur Folge hat. Der Erwerb von Technologien erfolgt oft auch im Rahmen von JVs 2 . Für das Franchising als besondere Form des Know-how-Transfers wurden in der VR China bisher noch keine klaren gesetzlichen Regelungen geschaffen, wodurch diese Alternative zur Zeit noch selten genutzt wird. 3

Wenn ein Auslandsmarkt über ein hinreichend großes Marktpotenzial und gute Gewinnchancen verfügt, aber das international tätige Unternehmen eine 100%ige Kapitalbeteiligung auf Grund der projektspezifischen Umfeldbedingungen nicht realisieren kann, will oder darf - etwa wegen ausländischer Gesetzgebung oder innerbetrieblicher Ressourcenknappheit - kommt die Errichtung von Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) in Betracht. Die chinesische Regierung sieht Joint Ventures gerade bei technologieintensiven Produkten als ein willkommenes Instrument zum Technologie- und Kapitaltransfer 4,5 . Joint Ventures werden in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt und daher an dieser Stelle nicht näher erläutert. Erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass JVs natürlich auch von drei oder mehr Firmen gegründet werden können. In der JV-Praxis mit China sind auch tatsächlich oft mehrere chinesische Partner betei-

ligt, wobei diese jedoch zum Teil nur als Kapitalgeber auftreten. In der vorliegenden Arbeit werden JVs von zwei Partnern unterstellt.

Das intensivste Engagement der Internationalisierung erfolgt durch die Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft (WFOE). Es handelt sich dabei um Produktionsstätten, Niederlassungen oder Filialen ausländischer Unternehmen, die ausschließlich mit ausländischem Kapital gegründet und ohne chinesischen Kooperationspartner geführt werden. Von Ausnahmen abgesehen, können derartige Unternehmen in China erst seit Ende der 80er Jahre gegründet werden. In bestimmten Sektoren sind WFOEs nach wie vor nicht zugelassen (siehe 5.3.4.). Generell wird eine Genehmigung zur Gründung vorrangig dann erteilt, wenn Kriterien wie Exportorientierung, Transfer von Hochtechnologie, Schaffung vieler Arbeitsplätze oder hohes Investitionsvolumen in rückständigen Gebieten erfüllt werden. WFOEs unterliegen uneingeschränkt chinesischen Gesetzen und Bestimmungen. Für WFOEs empfiehlt sich die Rechtsform einer Limited Liability Company, um die Haftungsansprüche auf das eingesetzte Kapital zu begrenzen. Zur Zuständigkeit der Behörden bei der Gründung siehe 6.5.3. 1

Hat ein ausländisches Unternehmen mehrere Investitionsprojekte in der VR China, können diese seit 1995 in Form einer Holdinggesellschaft zusammengefasst werden. Die Gründung unterliegt sehr strikten Prüfungskriterien. Gedacht sind diese Gesellschaften vom Gesetzgeber nur für multinationale Unternehmen mit erheblichen Investitionsvolumina in China. Seit einiger Zeit besteht auch die Möglichkeit, eine Auslandsinvestitionsgesellschaft als Aktiengesellschaft zu gründen. Die gesetzlichen Vorgaben zielen aber hier insbesondere auf den Börsengang dieser Aktiengesellschaften ab, weshalb diese Form in der Praxis noch selten genutzt wird. 2 An Bedeutung gewinnen auch Unternehmensakquisitionen, jedoch sind sie vor allem auf Grund der unzulänglichen Rechtsgrundlagen für Mergers & Acquisitions nach wie vor problematisch. 3

Bei der Wahl der Markteintritts- bzw. Markterschließungsform können verschiedenste Beurteilungskriterien herangezogen werden. Wichtig erscheinen vor allem die mit den einzelnen Formen verbundenen Kontrollmöglichkeiten des Auslandsengagements, die Höhe der

einzusetzenden Kapitalmittel und Managementkapazitäten, die Kooperationsabhängigkeit sowie der Standort des Wertschöpfungsschwerpunktes 1 . Tab. 5.1. zeigt eine Bewertung der wichtigsten Marktengagementformen im Hinblick auf diese Kriterien:

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Tab. 5.1.: Charakterisierung der wichtigsten Markteintrittsformen

Quelle: in Anlehnung an Zomer (1998), S. 58 und Meffert et al. (1998), S. 125

Für Direktinvestitionsformen (so genannte Foreign Investment Enterprises = FIEs) sprechen die zusätzlichen Absatzchancen, die sich durch eine direkte Präsenz am Markt eröffnen 2 . Außerdem bieten Direktinvestitionen (aber auch Technologie-Importgeschäfte) den großen Vorteil, dass die diversen tarifären und nicht-tarifären Importbeschränkungen, vor allem in der Form der oft sehr hohen Handelszölle und niedrigen Importquoten, durch die Produktion vor Ort umgangen werden können 3 . Zu erwähnen ist auch der Wegfall von im Zuge des Exports nach China anfallenden Logistikkosten. Zudem können FIEs von den relativ niedrigen Lohn- und Produktionskosten und von Investitionsanreizen (siehe 3.4.6.) inklusive Steueranreizen, z.B. für den Export lokal produzierter Produkte, profitieren. 4

Ende der Leseprobe aus 163 Seiten

Details

Titel
Interkulturelles Management von Joint Ventures zwischen China und den deutschsprachigen Ländern
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
163
Katalognummer
V185790
ISBN (eBook)
9783656982364
ISBN (Buch)
9783867466738
Dateigröße
2607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interkulturelles, management, joint, ventures, china, ländern
Arbeit zitieren
Mag. Christian Lindorfer (Autor:in), 2002, Interkulturelles Management von Joint Ventures zwischen China und den deutschsprachigen Ländern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185790

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