Die menschlichen, emotionalen und psychologischen Aspekte des Generationenwechsels in mittelständischen Familienbetrieben


Diplomarbeit, 2001

131 Seiten, Note: 2


Leseprobe


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1 Einleitung und Überblick

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den betrieblichen Ver- und den persönlichen und familiären Problemen die ein Generationenwechsel im

Familienunternehmen mit sich bringen kann. Wird ein bestehendes Unternehmen von der nächsten Generation übernommen, so ist dies ein langwieriger Prozeß, sowohl für das Unternehmen, als auch für die Unternehmerfamilie.

Bei meiner Themenstellung liegt die Vermutung nahe, daß ich selbst aus einer Unternehmerfamilie stamme und das elterliche Unternehmen entweder kurz vor der Übergabe steht oder erst vor kurzem übernommen wurde. Beides trifft nicht zu, denn ich stamme keineswegs aus einer Unternehmerfamilie. Meine Mutter war Angestellte in einem Betrieb, in dem es während ihrer Tätigkeit keinen Generationenwechsel gab und mein Vater gehört jenem Berufstand an, bei dem es nie zu einem Eigentümerwechsel kommt; er ist Beamter. Warum ich mich dennoch für diese Problematik interessiere, hat folgende Gründe: Einerseits ist es mein Interesse an den sogenannten „weichen Faktoren“ in der Betriebswirtschaftslehre und andererseits gibt es in meinem Freundeskreis einige potentielle Nachfolger, die sich noch nicht entschieden haben, ob sie das elterliche Unternehmen übernehmen wollen. Ihre Unentschlossenheit und ihre Veränderungswünsche weckten mein Interesse für die möglichen Probleme eines Generationenwechsels.

Im ersten Teil der Arbeit wird auf die Charakteristika und Besonderheiten der

mittelständischen Familienbetriebe eingegangen. Klein- und Mittelbetriebe stehen selten im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, sie finden kaum Beachtung in diversen Fach-zeitschriften oder

in den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen. Und dennoch kommt diesem Unternehmenstyp aufgrund ihrer Anzahl und ihrer Verschiedenheit eine besondere volkswirtschaftliche

Bedeutung zu. Klein- und Mittelbetriebe sind in der österreichischen Wirtschaftsstruktur mit derzeit 255.000 Betrieben und insgesamt 1 920.311 Beschäftigten ein wichtiger Faktor (Stand 1999).

Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung beschäftigt sich die Betriebswirtschaftslehre an der Universität Linz vor allem mit den Problemen von Großbetrieben. Dieses Wissen kann

jedoch kaum auf Klein- und Mittelbetriebe übertragen werden, denn mittelständische Betriebe heben sich in vielerlei Hinsicht von den Großbetrieben ab.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Generationenwechsel und seinen menschlichen und emotionalen Aspekten, mit seiner Planung, der Auswahl eines geeigneten Nachfolgers und mit der Zeit der gemeinsamen Unternehmensführung.

Laut einer Studie der österreichischen Wirtschaftskammer werden bis zum Jahr 2007 51.000 Betriebe übergeben. Allein in Oberösterreich stehen in den nächsten zehn Jahren 22 % der insgesamt 48.000 Firmen vor der Übergabe, dabei handelt es sich vorwiegend um mittelständische Familienbetriebe. Viele dieser Betriebe wurden in den Nachkriegsjahren gegründet und stehen vor ihrer ersten Führungsnachfolge. Dem Unternehmer fehlen wegen der Einmaligkeit des Generationenwechsels Kenntnisse über eine ideale Vorgehensweise. Untersuchungen zeigen, daß nur rund 50 % der Unternehmen den Sprung in die nächste Generation schaffen. Die Planung und Durchführung der Unternehmensnachfolge zählen zu den weitreichendsten Aufgabe nach der Unternehmensgründung.

In der betriebswirtschaftlichen Literatur über den Generationenwechsel stehen vorwiegend juristische, steuerliche und finanzielle Fragen im Vordergrund. Die Aspekte einer Veränderung von Struktur, Führung und Unternehmensstrategie finden dabei wenig Beachtung. Bei einer gescheiterten Unternehmensübergabe wird die Schuld vorwiegend in den Gesellschaftsverträgen, der veränderten Rechtssituation oder der schlechten finanziellen Lage des Unternehmens gesucht.

Es ist jedoch nie ein einziger Grund warum eine Unternehmensnachfolge scheitert. Gegenwärtig existieren kaum wissenschaftliche Untersuchungen über die Generationenprobleme in Familienunternehmen. Aber in diesen wenigen zeigt sich, daß bei einer gescheiterten Übernahme psychologische Aspekte immer wieder auftraten. Bei jeder Unternehmensnachfolge, ob im Familienunternehmen oder in anonymen Kapitalgesellschaften, sind verschiedene Menschen beteiligt, mit verschiedenen Einstellungen und Werthaltungen. Ohne die Berücksichtigung der unterschiedlichen Auffassungen über die zukünftige Unternehmensführung kann keine zufriedenstellende Nachfolgeregelung gefunden werden, sowohl innerhalb des Unternehmens, wie auch der Familie.

Die Frage der Betriebsnachfolge zählt zu den wichtigsten unternehmerischen Entscheidungen, dessen Lösung für das Unternehmen wichtiger ist, als ein einzelner Jahreserfolg. Ein Wechsel an der Führungsspitze eines Familienunternehmens bedeutet für das Unternehmen eine gravierende Veränderung, welche den Unternehmensprozeß stark verändert und manchmal kann durch einen schlecht vorbereiteten Wechsel der Unternehmensprozeß auch beendet werden.

Im letzten Abschnitt der Arbeit wird gezeigt, welche organisatorischen Veränderungen ein

Generationenwechsel mit sich bringt. Durch die verschiedenen gesellschaftlichen

Hintergründe des Seniors und Juniors entstehen unterschiedliche Wertvorstellungen, welche sich in den Faktoren der Unternehmensführung und Unternehmenskultur wiederspiegeln. Bisher wird in der Literatur kaum berücksichtigt, inwieweit der Erfolg oder Mißerfolg von Übernahmen auf den menschlichen und psychologischen Faktoren beruht. Vor allem die Auffassung von Führung hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Die neuen Führungseinstellungen verändern die Strukturen der Unternehmen, Hierarchien werden flacher. All dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Mitarbeiter. In Familienbetrieben ist die Unternehmenskultur vorwiegend geprägt durch den Eigentümer, seiner Persönlichkeit und seinen Wertvorstellungen und nicht so stark vom Zeitgeist, wie dies in anonymen Kapitalgesellschaften der Fall ist. Ändert sich die Person des Eigentümers, verändert sich auch die Kultur des Unternehmens. Die Frage der Kontinuität oder Transformation in den Bereichen Unternehmenskultur und Organisationsstruktur zählt zu den Grundsatzentscheidungen einer Nachfolge. Wie wirkt sich die Unternehmensnachfolge langfristig auf die Kultur und Struktur des Betriebes aus, welche Veränderungen ergeben sich?

Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf die Frage nach der besten Lösung, sondern nur Antworten im Einzelfall. Eine Betriebsübergabe gilt als sehr komplex. Jede Übergabe ist verschieden und bedarf einer individuelle Lösung. Sind die persönlichen Probleme gelöst, lassen sich auch die juristischen, steuerlichen und finanziellen Aspekte leichter lösen. Steuerliche, finanzielle und rechtliche Fragen der Übergabe werden in der Arbeit nur am Rande erwähnt, da sie einerseits in der gegenwärtigen Literatur schon ausreichend behandelt wurden.

In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß es sich bei den zu übernehmenden Familienunternehmen um wirtschaftlich weitgehend "gesunde" Firmen handelt. Weiters werden in meiner Arbeit keine geschlechtsspezifischen Probleme der Unternehmensübergabe behandelt, obwohl solche Probleme des öfteren eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Viele Unternehmer haben immer noch (rational nicht erklärbare) Vorbehalte ihr Unternehmen an eine Tochter zu übergeben. Ich habe mich trotz dieser Diskriminierung von potentiellen Nachfolgerinnen dafür entschieden, die geschlechtsspezifischen Nachfolgeprobleme nicht zu behandeln, da mich im besonderen der allgemeine Generationenkonflikt interessiert, zu dem es bei einer Betriebsübergabe kommen kann.

Im Verlauf der Arbeit wird für den Unternehmer bzw. der Unternehmerin und dem Nachfolger bzw. der Nachfolgerin zur besseren Lesbarkeit jeweils nur die männliche Form verwendet. Dies entspricht auch leider dem derzeitigen Status quo, denn in den meisten mittelständischen Betrieben ist der Seniorchef bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich männlich. Unter seinen Nachfolgern befinden sich aber immer häufiger auch Frauen.

2 Das mittelständische Familienunternehmen

2.1 Begriff und Wesen mittelständischer Unternehmen

Der Begriff Mittelstand entstammt aus den früheren Feudalstrukturen. Unter Mittelstand verstand man damals den Stand zwischen der Landbevölkerung und dem Adel. Im Jahr 1919 wurde in der deutschen Reichsverfassung der Begriff Mittelstand zum erstenmal schriftlich festgelegt. Als Mittelstand galt in dieser Zeit das Gewerbe, der Handel und die Landwirtschaft (Wittlage 1996, S. 1).

Obwohl im Alltag der Begriff der mittelständischen Unternehmung häufig verwendet wird, gibt es in der Literatur keine einheitliche Definition. Vielmehr existieren unzählige Kriterien, Merkmale und Begriffsbestimmungen, die die mittelständischen Betriebe von anderen Unternehmensformen abgrenzen sollen. Ein Grund dafür ist die Heterogenität, welche mittelständische Betriebe aufweisen, die wenigen gemeinsamen Merkmale erschweren eine exakte Abgrenzung vom „Rest der Wirtschaft“. Das Problem den Mittelstand exakt zu definieren brachte Gothein bereits 1905 auf den Reim (Schwiering 1996, S. 22):

„Was man nicht definieren kann, das spricht als Mittelstand an.“

In der Literatur haben sich zwei Arten zur Begriffsdefinition durchgesetzt; die der qualitativen und die der quantitativen Kriterien.

2.1.1 Qualitative Merkmale

Qualitative Merkmale versuchen das Wesen und die Besonderheiten der mittelständischen Betriebe zu erfassen. Folgende qualitative Kriterien gelten für eine mittelständische Unternehmung als charakteristisch (Mugler 1993, S. 15): xx der Eigentümer ist wesentlich an der Geschäftsführung beteiligt und prägt den Betrieb durch seine Persönlichkeit xx die Geschäftsführung umfaßt nur wenige Personen, welche oft auch Eigentümer des Betriebes sind xx die Kontakte zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern sind informell und persönlich xx die Organisation ist gering formalisiert

xx der Unternehmer verfügt über ein Netz von persönlichen Kontakten zu Kunden, Lieferanten und der für ihn relevanten Öffentlichkeit xx die Leistungserstellung erfolgt nach den individuellen Wünschen der Kunden xx ein mittelständischer Betrieb hat die Möglichkeit rasch auf Umweltveränderungen zu reagieren

Die Abgrenzung des Mittelstandes durch qualitative Merkmale eröffnet eine gewisse Offenheit und Breite, welche der Heterogenität der einzelnen Betriebe gerecht wird. Die Problematik dieser Methode besteht jedoch in der mangelnden Operationalität der Kriterien. Dies führte dazu die Abgrenzung des Mittelstandes auf rein quantitative Kriterien zu beschränken.

2.1.2 Quantitative Merkmale

Quantitative Kriterien entstehen im allgemeinen dadurch, daß die Statistik willkürlich Größenklassen festlegt. Für die Klassenbildung der Klein- und Mittelbetriebe werden zur Bestimmung der Unternehmensgröße folgende Maßstäbe verwendet (Hamer 1987, S. 28 ff; König 1986). xx die Anzahl der Beschäftigten xx die Umsatzhöhe xx die Kapitalausstattung xx die Bilanzsumme

Die meisten Statistiken beziehen sich auf eine eindimensionale Abgrenzung, vorwiegend nach der Beschäftigtenzahl, da bei einer mehrdimensionalen Messung das Problem der gleichzeitigen Zuordnung zu verschiedenen Klassengrößen auftreten würde. Für die Kommission der Europäischen Gemeinschaft gilt folgende Gliederung (Mugler 1995, S. 30):

Mikrobetrieb: 0 bis 9 Beschäftigte Kleinbetrieb: 10 bis 99 Beschäftigte Mittelbetrieb: 100 bis 499 Beschäftigte Großbetrieb: ab 500 Beschäftigte

Diese eindimensionale Abgrenzung der Europäischen Union hat den Vorteil der exakten Meßbarkeit, gibt aber andererseits wenig Einblick in das Wesen eines Betriebes. Aus diesem Grund bedient sich die EU zusätzlich folgender mehrdimensionalen quantitativen Gliederung: „Es ist nicht möglich, für den Begriff der KMU eine allgemeingültige Definition zu geben. In der Regel wird jedoch in der Gemeinschaft davon ausgegangen, daß es sich bei einem KMU um ein Unternehmen handeln sollte, das nicht mehr als 500 Personen beschäftigt, dessen Netto-Anlagevermögen nicht mehr als 75 Mio. Ecu beträgt und dessen Kapital zu nicht mehr als einem Drittel von einem größeren Unternehmen gehalten wird. Für bestimmte Maßnahmen und Aktivitäten werden oft niedrigere Schwellenwerte zugrundegelegt“ (Kommission der europäischen Gemeinschaften 1991, S. 14).

2.2 Der Stellenwert des Mittelstandes in der österreichischen

Volkswirtschaft

„Das Thema - Die Bedeutung mittelständischer Unternehmen für die Marktwirtschaft ist dazu angetan, uns von vornherein auf die falsche Fährte zu locken. Die mittelständischen Unternehmen sind die Marktwirtschaft“ (Horst Albach 1989).

Um die Vorteile und Nachteile von Klein- und Mittelbetrieben herauszuarbeiten, ist es sinnvoll zuerst die strukturellen Veränderungen der letzten Jahre in unserem Wirtschaftssystem zu betrachten.

Die immer größer werdende Dynamik der Wirtschaft erfordert immer schnellere Veränderungsmechanismen. Durch die wachsende Instabilität lassen sich längerfristig keine sicheren Erfolgsprognosen mehr abgeben. Unternehmen werden gezwungen, sich immer schneller anzupassen, dies trifft nicht nur die global tätigen Großkonzerne, sondern auch regionale mittelständische Unternehmen.

„Klein- und Mittelbetriebe können, auf Grund ihrer Individualität, ihre Stärken ganz besonders zur Geltung bringen, müssen aber andererseits auch viel mehr auf ihre Schwächen achten“ (Holzhuber 1984, S. 39). Ein Vorteil für Klein- und Mittelbetriebe entsteht aus der besseren Anpassung an diese Dynamik. Flexibilität und eine höhere Motivation zum Durchhalten zeichnet diesen Unternehmenstyp aus, ebenso die Widerstandsfähigkeit in konjunkturell schlechten Zeiten.

Klein- und Mittelbetriebe müssen sich wie Großbetriebe auf den Märkten bewähren, Produkte anbieten, die der Kunde nachfragt und als Ergebnis ihrer Tätigkeit Überschüsse erzielen. „Bei den wichtigsten wirtschaftlichen Erfolgsmaßstäben (Produktivität, Wirtschaftlichkeit, Gewinn und Wachstum) können Klein- und Mittelbetriebe oft bessere Ergebnisse aufweisen als Großbetriebe“ (Mugler 1995, S. 37).

Während das Ziel Gewinne zu erwirtschaften sowohl für Klein - und Mittelbetriebe als auch für Großbetriebe gilt, treten in der Erreichung dieses Unternehmensziels gravierende Unterschiede auf:

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Abb. 1: Gegenüberstellung der Ziele mittlerer und großer Unternehmen

Quelle: Wittlage 1996, S. 19

Die mittelständischen Unternehmen zählen zu den grundlegendsten Einrichtungen der Marktwirtschaft. Sie sind deshalb so bedeutsam, da durch die Vielzahl der mittelständischen Betriebe die Wettbewerbsfähigkeit erhöht wird und damit eine wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert wird.

Die pluralistische Wirtschaftsstruktur und die damit verbundene Streuung von Eigentum und Verantwortung garantieren die Stabilität in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Durch die Vielzahl von wirtschaftlichen Entscheidungen der mittelständischen Unternehmen und der Differenziertheit ihrer Leistungen erhöht sich das Angebot an Waren und Dienstleistungen und verhindert eine Monopolstellung von Großunternehmen (Gruhler 1984).

Trotz dieser wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung wurde dem Mittelstand in den Nachkriegsjahren wenig Beachtung geschenkt. Erst seit den 80er Jahren erlebt dieser Unternehmenstyp eine Renaissance. Durch den massiven Personalabbau der großen Betriebe wurde die Vision, daß die wirtschaftliche Zukunft den Großbetrieben gehört, Vergangenheit. Betrachtet man die Entwicklung der österreichischen Unternehmensstruktur, so zeigt sich deutlich die wirtschaftliche Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe. Auch die Gefahr eines „Aussterben des Mittelstandes“, wie dies in der Literatur der 80er Jahre befürchtet wurde, scheint auf Österreich nicht zuzutreffen. Aus den folgenden Zahlen erkennt man, daß in mittelständischen Betrieben mehr als zwei Drittel der österreichischen Beschäftigten tätig sind. Diese Arbeitnehmer erwirtschaften fast drei Viertel des Nettoproduktionswertes für unsere Volkswirtschaft. Folglich bilden gerade die Klein- und Mittelbetriebe die Säulen

unserer heimischen Wirtschaft und nicht jene Großunternehmen, von denen fast täglich in den Wirtschaftsseiten der diversen Tageszeitungen berichtet wird.

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Abb. 2: Entwicklung der Betriebe nach Beschäftigtengrößengruppen

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Stand: Juli 1999

Der Begriff „Klein- und Mittelbetriebe“ wird im Alltag oft im gleichen Atemzug mit dem Wort Familienbetrieb genannt. Dies trifft nicht immer zu, jedoch bilden Familienunternehmen den überwiegenden Teil der Klein- und Mittelbetriebe.

2.3 Die Begriffsbestimmung - Familienunternehmen

Vorab stellt sich die Frage, wie ein Begriff aus dem alltäglichen Sprachgebrauch in der Literatur definiert wird. Über den Inhalt und die Definition einer Familienunternehmung existiert in der Literatur keine einheitliche Meinung. Aus der Vielzahl von Definitionsversuchen läßt sich eine enge oder weit ausgelegte Begriffsfassung des Wortes Familie unterscheiden. Bevor einige Sichtweisen von Familienunternehmen dargestellt werden, soll kurz auf den Begriff Familie eingegangen werden. Das Wort Familie hat sich im deutschen Sprachgebrauch erst im 18. Jhdt. durch die Entwicklung der Kleinfamilie durchgesetzt. Zuvor waren die Begriffe „mit Weib und Kind“ oder „Haus“ vorherrschend.

Ein Individuum gehört in seinem Leben zwei Familien an, der Herkunftsfamilie in die der Mensch hineingeboren wurde und jener Familie, welche er selbst gegründet hat. Der Soziologe Talcott Parson nannte diese Familien, „family of orientation“ und „family of procreation“ (Voigt 1990, S. 21). Aus diesen beiden Familien lassen sich größere Familiengebilde kombinieren, bis zum Familienclan, je nach enger oder weiter Begriffsauffassung.

Das ABGB definiert im § 40 die Familie folgendermaßen:

„Unter Familie werden die Stammeltern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft genannt.“ Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Familie oft auch die eigentliche Schwägerschaft bezeichnet, welche aus der Verbindung zwischen dem Ehepartner und dessen Verwandten besteht. Unter Familie wird in der heutigen westlichen Gesellschaft die sogenannte Kleinfamilie verstanden, also jene Personen, welche in einem Haushalt zusammenwohnen. Die Familienverhältnisse gelten nicht mehr als starr und unauflöslich, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Die Frage ist, wie sich die veränderte gesellschaftliche Einstellung zur Familie auf das Familienunternehmen auswirkt?

Um diese Frage in der vorliegenden Arbeit behandeln zu können, sollte vorab geklärt werden, was Familienunternehmen von anderen Unternehmen unterscheidet und welche Besonderheiten sich daraus ergeben. Im folgenden werden einige ausgewählte Definitionen des Begriffes „Familienunternehmen“ angeführt: Bei Bertsch (1964, S. 9) ist ein Familienunternehmen im engeren Sinn, „Eine Unternehmung, deren Eigenkapital ganz oder zum größten Teil in den Händen der Familie - Eheleute, Verwandte, Verschwägerte - liegt und die von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Familie geführt wird, mit dem Willen, die Unternehmung der Familie zu erhalten.“

Für Löwe (1979, S. 26) sind folgende Merkmale eines Familienunternehmens charakteristisch: 1. „Das Kapital der Familienunternehmung wird in der maßgeblichen Mehrheit durch die Familie aufgebracht. 2. Einer oder mehrere Familienvertreter üben entscheidenden Einfluß auf die Leitung der Unternehmung aus oder stehen selbst in der Unternehmerfunktion 3. Die Kapitalgeber haben den Willen, die Unternehmung der Familie zu erhalten. Damit verbinden sie vor allem die Absicht das Eigentum an der Unternehmung und die leitende Funktion an die nächste Generation weiterzugeben beziehungsweise den Kreis der Beteiligten so zu gestalten, daß der Familie ein entscheidender Einfluß bleibt.“ Löwe berücksichtigt zum erstenmal den Aspekt des Generationenwechsels im Familienunternehmen.

„Ein Familienunternehmen ist ein Unternehmen, in dem mindestens eine Familie das maßgebliche Stimmrecht auf der Anteilseignerseite hat. Ein maßgebliches Stimmrecht hat eine Familie dann, wenn sie das Familienunternehmen über ihr Stimmrecht in seinen wesentlichen Entscheidungen behindern kann. Im Regelfall wird dazu ein Stimmrecht von 50,1 Prozent genügen“ (Voigt 1990, S. 13).

In den neueren Definitionen, wie z. B. jene von Voigt verlagert sich die Gewichtung des Begriffes Familienunternehmen immer mehr auf die Kapitalseite, weg von der alleinigen Geschäftsführung durch Familienmitglieder.

Für die vorliegende Arbeit erscheint mir die Orientierung an der Definition von Bertsch am zweckmäßigsten. Nur in einem Unternehmen, welches von Familienmitgliedern geführt wird, mit dem Willen, die Unternehmung für nachfolgende Generationen zu erhalten, können sich Auswirkungen auf Führung und Struktur infolge des Generationenwechsels ergeben.

2.4 Die Bedeutung der Familienunternehmen für die Wirtschaft

Schon die großen Handels- und Bankhäuser des 15. und 16. Jahrhunderts, wie jene der Medicis in Florenz, der Fugger und Welser in Augsburg und der Strozzis in Neapel, waren in Besitz einer Familie.

Die meisten der heute existierenden Familienunternehmen entstanden in den letzten hundert Jahren. Diese Unternehmen hatten ihre Wurzeln großteils im Handwerksgewerbe und vergrößerten sich über mehrere Jahrzehnte hindurch.

Besonders nach dem 2. Weltkrieg waren in Deutschland und Österreich Familienunternehmen wesentlich am raschen Wiederaufbau beteiligt. In Westeuropa sind gegenwärtig immer noch 80 % der Unternehmen in Familienbesitz. In Deutschland arbeiten über 65 % der unselbständigen Erwerbstätigen in Familienunternehmen, in Österreich und der Schweiz liegt dieser Prozentsatz noch höher (Wimmer 1996, S. 24).

Ganz anders verhält sich die Situation in den Reformländern Osteuropas. In diesen Ländern fehlt der Wirtschaftssektor der mittelständischen Familienunternehmen völlig. Durch die Sozialistische Zentralwirtschaft wurden die Familien enteignet und die Unternehmen von zentralistisch geführten Großbetrieben übernommen. Nur wenige Klein- und Mittelbetriebe überlebten die letzten fünfzig Jahre.

Die Basis des Familienunternehmens ist das Recht auf Privateigentum. Dies ist nur in den Wirtschaftssystemen der freien und sozialen Marktwirtschaft mit den Grundsätzen der Vertragsfreiheit, der Erwerbsfreiheit, der Investitionsfreiheit, .... möglich. Nur ein funktionierender Wettbewerb, garantiert längerfristig das System der Marktwirtschaft. Um einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten, erfordert dies eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. 95 % der Klein- und Mittelbetriebe sind in Familienbesitz, sie gelten als Garant für die Marktwirtschaft.

Aus diesem Grund ist es um so erstaunlicher, daß die europäischen Universitäten die Bedeutung von Familienunternehmen ignorieren. In Europa existieren nur zwei Lehrstühle, welche sich speziell mit Familienunternehmen befassen: am IESE in Barcelona und am IMD in Lausanne. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Europa sehr wesentlich von den USA, dort beschäftigen sich seit Jahren etliche Universitätsinstitute mit dem Wesen und den speziellen Eigenschaften von Familienunternehmen (Schwass in: Riedel 1994, S. 186). Spricht man von der wirtschaftlichen Bedeutung der Familienunternehmen, so werden darunter größtenteils die mittelständischen Betriebe verstanden. Die Unternehmensgröße ist jedoch kein Kriterium zur Definition des Begriffes Familienunternehmen. Das Spektrum dieser Unternehmensform reicht vom „Einmannbetrieb“ welcher eine Familie ernährt, über das mittelständische Unternehmen, das in der obersten Führungsebene von Eigentümern geführt wird, bis hin zu Großkonzernen, in denen sich die Familie auf die Rolle des Mehrheitseigentümers zurückgezogen hat (Wimmer et al. 1996, S. 18). Etwa 35 Prozent der amerikanischen „Fortune 500“ und sogar 10 der 12 größten türkischen Unternehmen werden von Familien und ihrer Tradition geprägt. Auch in Deutschland befinden sich viele bekannte Unternehmen wie Haniel, Röchling, Tengelmann, C&A (Familie Brennikmeyer), Werhahn, Hipp, Melitta, Heraeus, Faber-Castell, Miele oder Vorwerk, die Handelskonzerne Metro, Aldi und Hofer, der Stahlkonzern Thyssen, BMW (wo die Familie Quandt noch immer rund 50% der Aktien besitzt und damit einen bedeutenden Einfluß auf die strategische Geschäftsführung hat) in Besitz einer oder mehrerer Familien (Dunsch 1996). Auch die deutsche Medienlandschaft ist fest in der Hand einiger weniger Familien; Bertelsmann, Springer, Burda, Kirsch (entnommen aus den Homepages der genannten Organisationen).

Andererseits gibt es auch zahlreiche Beispiele von traditionellen Familienunternehmen mit bekannten Namen, welche aufgrund von Familienstreitigkeiten oder aus den unterschiedlichsten Gründen den Sprung in die nächste Generation nicht schafften und entweder verkauft oder aufgelöst wurden. Zu diesen Unternehmen zählen adidas, Bahlsen, Pelikan, Nixdorf, Flick, Voith, Asbach-Uralt und viele mehr (Riedel 1994, S. 2). Eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahre 1984 zeigt sehr deutlich die Risiken und Gefahren von Familienunternehmen. Von 200 Familienunternehmen, die 1924 am Markt etabliert waren, befanden sich 60 Jahre später noch 13 Prozent in Familienbesitz - aber nur noch 3 Prozent wuchsen noch (Miller et al. 1998, S. 31).

Was macht also den Erfolg, die Wettbewerbsfähigkeit und die Überlebensfähigkeit von Familienunternehmen aus?

2.5 Die Besonderheiten von Familienunternehmen

Zu Beginn muß die Frage beantwortet werden, ob Familienunternehmen sich von anderen Wirtschaftsorganisationen wesentlich unterscheiden.

Noch in den 60er und 70er Jahren galten Familienunternehmen als wenig entwicklungsfähig, fast antiquarisch. Die Familie mit ihren traditionellen Werten stand im Gegensatz zu den neuen Organisationskonzepten der Divisionalisierung. Die divisionale Organisationsstruktur wurde vornehmlich in weltweit operierenden Großunternehmen angewandt. Nur wenige mittelständische Familienunternehmungen folgten diesem Trend, da ihnen für eine Umstrukturierung die entscheidende Größe fehlte.

Zu Beginn der 90er Jahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage für viele Großkonzerne. Netzwerkartige Unternehmensstrukturen mit kleineren überschaubaren Einheiten lösten die großen divisionalgeführten Unternehmenseinheiten ab. Diese neue Organisationsstrukturen zeigen gewisse Ähnlichkeiten mit jenen Strukturen von traditionellen Familienunternehmen, welche in den 80er Jahren oftmals belächelt wurden (Hinterhuber et al. 1994, S. 16 f).

Beobachtet man in Österreich die zahlreichen Initiativen von der Politik und der Wirtschaftskammer (1999 war für die Kammern das Jahr der Unternehmensübergabe) im Bereich der Förderung für mittelständische Unternehmen, so kann man zu Recht behaupten, daß die mittelständischen Familienbetriebe in unserer Gesellschaft eine Renaissance erleben. Trotz der Attraktivität, welche mittelständische Familienunternehmen gegenwärtig besitzen, ist diese Thematik in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch wenig erforscht. Als Grund für die mangelhafte wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Unternehmenstyp gilt einerseits die geringe Wertschätzung, welche mittelständische Betriebe in der Vergangenheit hatten. Andererseits ist sicherlich die Vielschichtigkeit und Interdisziplinärität dieses Themas ein Grund dafür, daß es nur wenige empirische Untersuchungen in diesem Bereich gibt.

Im folgenden Kapitel werden die strukturellen Unterschiede von Familie und Organisation näher betrachtet, um dadurch ein besseres Verständnis für die spezifischen Probleme dieser Unternehmensform zu erlangen.

Gegensätze

Der Mensch als Individuum lebt zeit seines Lebens in verschiedenen sozialen Gruppen. Unter einer sozialen Gruppe wird eine bestimmte Anzahl von Personen verstanden, die sich in ihrem Verhalten gegenseitig beeinflussen, durch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit verbunden sind und ein gemeinsames Ziel verfolgen (Voigt 1990, S. 31). Damit sind sowohl die Familie, als auch eine Unternehmung als soziale Gruppen anzusehen. Das Familienunternehmen befindet sich an der Schnittstelle von Familie und Unternehmung. Zwischen Familie und Unternehmung bestehen zahlreiche Wechselwirkungen, Probleme in einem System berühren das andere System.

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im grauen Feld befindet sich der Unternehmer und alle anderen Familienmitglieder, die im Unternehmen mitarbeiten

Abb. 3: Familie und Unternehmung und ihre Überschneidungen

Quelle: Wohlgemuth in: Die Unternehmung 1/1993, S. 108 und Hinterhuber et al. 1994, S. 102

Eine exakte Trennung von Familie und Unternehmung ist nicht möglich. Unternehmen im Familienbesitz sind durch eine starke Abhängigkeit der beiden Systeme Familie und Unternehmen gekennzeichnet. Erst wenn man sich der Gegensätze bewußt ist, welche die beiden Systeme aufweisen, kann man die Probleme, welche speziell in Familienunternehmen auftreten verstehen.

2.6.1 Die Austauschbarkeit von Funktionen und Personen

In Familien steht die Person mit ihrer jeweiligen Persönlichkeit im Vordergrund und nicht so sehr ihre Funktion für die Familie. Die Funktionen innerhalb einer Familie sind zumindest teilweise austauschbar. War in der Vergangenheit die wesentliche Aufgabe des Mannes für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen und die Aufgabe der Frau, die Erziehung der Kinder und die alleinige Pflege des Haushaltes, so haben sich diese Funktionen durch die

Berufstätigkeit vieler Frauen doch ein wenig verändert (Eschenbach 1995, S. 159 f; Hinterhuber et al. 1994).

In Organisationen sind primär die Funktionen der einzelnen Personen von Bedeutung und nicht die jeweilige Person. Personen sind austauschbar. Etwas anders gestaltet sich die Situation in Familienbetrieben. Verglichen mit anonymen Kapitalgesellschaften weisen Familienunternehmen in der Regel eine geringere Personalfluktuation auf, es herrscht ein gewisses Entlassungstabu. Personen der Geschäftsführung werden überhaupt nur selten ausgetauscht, besonders dann nicht, wenn es sich um Familienmitglieder handelt (Eschenbach 1995 S. 159 f; Hinterhuber et al. 1994).

2.6.2 Die Art und Weise der Kommunikation

In Organisationen ist die Verbreitung von Informationen die zentrale Kommunikations- Die betriebliche aufgabenbezogene Kommunikation ist in vielen Fällen kurz und effektiv. Hinzukommt, daß durch die Struktur der Organisation die formalen Informationskanäle festgelegt sind.

Der Philosoph und Psychologe Paul Watzlawick unterscheidet in der menschlichen Kommunikation zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt. In der Organisation steht die sachliche Ebene der Kommunikation, der Inhaltsaspekt im Vordergrund (Hinterhuber et al. 1994, S, 106 f).

In der Familie hingegen ist der emotionale Aspekt von zentraler Bedeutung, die Beziehungsebene der Kommunikation ist wesentlich. Die Aufgabe der familieninternen Kommunikation besteht in der Aufrechterhaltung des Systems Familie mit all seinen emotionalen Beziehungen (Watzlawick 1974; Hinterhuber et al. 1994, S. 106 f). Die Kommunikation im Familienunternehmen unterscheidet sich verglichen mit anonymen Kapitalgesellschaften darin, daß sowohl die Inhaltsebene als auch die Beziehungsebene der Kommunikation von zentraler Bedeutung sind. Dies zeigt sich besonders in Konfliktsituationen. Zwischen Familienmitgliedern besteht die Tendenz, sich bei Auseinandersetzungen über normale Verhaltensweisen und damit verbundene

gesellschaftliche Umgangsformen hinwegzusetzen. Dies liegt unter anderem darin begründet, daß unter Familienmitgliedern die „soziale Distanz“ fehlt (König 1986).

2.6.3 Die Familientradition - die Unternehmenskultur

In der Familie werden aus liebgewonnen Ritualen und Gewohnheiten Traditionen, im Unternehmen entsteht aus den Ritualen die Firmenkultur. Gerade in kleinen und mittleren Familienunternehmen überträgt sich die Familientradition direkt auf die Organisation. Die Unternehmung wird zum Spiegelbild der Einstellungen und Wertvorstellungen der Unternehmerfamilie. Der Geist des Unternehmers ist im Betrieb überall spürbar. „Die Tradition der Familie bestimmt sehr weitgehend das Erscheinungsbild.... Die Familientradition stellt den Leitfaden für die Unternehmensidentität. Diese Familienbotschaft kann aber auch zur Fessel werden, welche die Anpassung an neue Strukturen erschwert oder unmöglich macht“ (Hinterhuber et al. 1994, S. 181).

„Ohne mühsame Reflexion des Einflusses, den ein System auf das andere hat, ohne genaue Grenzziehung, ohne Bearbeitung der Rollenwidersprüche, die jeder mit sich und die man miteinander herumträgt, das heißt, ohne laufende Selbstreflexion dieser Zusammenhänge und Unterschiede wird jedes der differenzierten Systeme Schaden leiden, die Familie wie der Betrieb“ (Buchinger 1991, S. 9).

In der Vergangenheit gab es diese Unterschiede in den beiden Systemen nicht. Die Familie wurde genauso patriachalisch geführt wie das eigene Unternehmen oder der eigene Handwerksbetrieb. Diese frühere Strukturähnlichkeit der beiden Systeme ist heute nicht mehr gegeben. In den meisten Familien verlor der Vater seine dominante Position (Miller et al. 1998).

Natürlich hat dieser gesellschaftliche Wandel auch Auswirkungen auf die Kombination Familie und Unternehmen. In einem späteren Kapitel über den Generationenwechsel im Familienunternehmen werde ich versuchen einen Einblick in jene Probleme zu geben, die für Familienunternehmen durch die gesellschaftlichen Veränderungen des Systems Familie entstehen.

2.7 Die Unternehmerfamilie

Unsere Gesellschaft verfolgt das Schicksal großer traditioneller Familienunternehmen mit besonderem Interesse. Unternehmensprobleme vermischt mit familiären Konflikten finden sich häufig in Zeitungen und Wirtschaftsmagazinen.

Auch namhafte Schriftsteller der Vergangenheit und Gegenwart beschäftigten sich mit diesem Thema. So erhielt 1929 Thomas Mann für seinen Familienroman „Die Buddenbrooks“ den Literaturnobelpreis. Thomas Mann beschrieb in seinem Roman eindrucksvoll den Zerfall der Unternehmerfamilie Buddenbrook. In den 80er Jahren zählten die amerikanischen Familienserien Dallas und Denver Clan aufgrund der Thematik Familie und Unternehmen zu den erfolgreichsten Fernsehserien.

Im letzten Jahrhundert fand ein gesellschaftlicher Funktionswandel des Systems Familie statt. Stand in der Vergangenheit die ökonomische Existenzsicherung der Familie im Vordergrund, so dominiert gegenwärtig in den Familien die emotionale Beziehung. Aufgrund des allgemeinen Wohlstandes der westlichen Industriestaaten verlagerten sich die Bedürfnisse innerhalb der Familien. Diesem Trend entspricht der allgemeine Wertewandel unserer Gesellschaft.

Ganz anders hingegen die Situation der Unternehmerfamilie, in der noch immer der Faktor Arbeit eine sehr zentrale Stellung einnimmt (Wimmer et al. 1996). Das Familienleben beinhaltet immer wieder unternehmenspolitische Aspekte, in vielen Unternehmerfamilien wurde der Betrieb zum zusätzlichen Familienmitglied. Der Zusammenhalt einer Unternehmerfamilie ist einerseits durch die familiäre Beziehungsebene gegeben und kann noch zusätzlich verstärkt werden durch die gemeinsame Aufgabe, ein Unternehmen zu leiten. In Unternehmerfamilien finden sich häufig Familienstrukturen des 18 Jahrhunderts wieder, welche in „Normalfamilien“ kaum noch vorhanden sind (Wimmer et al. 1996, S. 189): xx der Arbeits- und Wohnbereich liegt im selben Haus oder in der Nähe des Wohnbereiches xx Familienmitglieder helfen unbezahlt im Unternehmen aus

xx die freie Berufswahl der Kinder ist teilweise eingeschränkt durch den Willen das Unternehmen in der Hand der Familie zu sichern xx die Familienmitglieder üben verstärkt gesellschaftliche Verpflichtungen aus (Engagement in karitativen Vereinen) xx an Familientraditionen wird häufiger festgehalten (Wahl des Vornamens, Veranstaltung von Familienfesten, gemeinsamer sonntäglicher Kirchgang) Für die Kinder einer Unternehmerfamilie hat das Unternehmen eine ambivalente Bedeutung. Einerseits bleibt in solchen Familien wenig Zeit für die persönliche Kommunikation der Familienmitglieder, Unternehmensthemen stehen beim gemeinsamen Mittagessen im Vordergrund. Das Unternehmen wird zum Mittelpunkt der Familie.

Andererseits kann auch durch die starke äußere Bindung der Unternehmerfamilie eine größere innere Bindung der Familie einhergehen. Die gemeinsame Aufgabe ein Unternehmen zu leiten, kann zu einem besonderen Familienzusammenhalt führen, dessen Kontinuität auch dann noch gegeben sein kann, wenn die Kinder das Elternhaus bereits verlassen haben (Hinterhuber et al. 1994, S. 113).

„Das Unternehmen hat sowohl etwas Verbindendes, als auch etwas Auseinandertreibendes, erzeugt Spannungen und ist andererseits eine verbindende Klammer“ (Mittelstein Scheid 1985, S. 63). Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Familienunternehmen als schmetterlingsartige Gebilde betrachtet werden können: ein Flügel ist das Unternehmen, der andere die Familie (Priddat in: Miller et al. 1998). Beide Flügel stehen für verschiedene gesellschaftliche Systeme mit unterschiedlichen Regeln. Diese zwei Flügel sollten klar getrennt werden, doch wie beim Schmetterling selbst, ist es auch bei diesen beiden Systemen (Familie und Unternehmen) nicht zu verhindern, daß sie sich des öfteren berühren. Solche Berührungen können mit Konflikten verbunden sein, wie im folgenden Kapitel über den Generationenwechsel im Familienbetrieb aufgezeigt wird.

3 Der Generationenwechsel

Dieser im Volksmund sehr bekannte Satz hat scheinbar weltweite Gültigkeit: „Shirt sleeves to shirt sleeves in three generations“ heißt es im englischsprachigen Raum und „Dalle stalle alle stelle alle stalle“ in Italien. Selbst wenn dieses Zitat des englischen Nationalökonomen Alfred Marshalls auf keiner Gesetzmäßigkeit beruht, so zeigt es doch sehr deutlich, daß der Generationenwechsel für viele Betriebe eine der größten Herausforderungen beinhaltet. Zum Unterschied von externen Risiken, welche entweder die gesamte Volkswirtschaft, oder eine bestimmte Branche betreffen, zählt die Unternehmensübergabe zu den internen Risiken, welche jedes Unternehmen individuell betreffen. Die größte Gefahr, dieser internen Risiken besteht darin, daß sie von der Unternehmensführung oft nicht rechtzeitig erkannt und folglich für den Betrieb zu einer ernsthaften Krise werden und letztendlich für das Scheitern eines Unternehmens verantwortlich sein können.

Obwohl nur rund 30% die dritte Generation erfolgreich überstehen, gibt es dennoch zahlreiche Beispiele bekannter Familienunternehmen, die seit Generationen von ein und derselben Familie geführt werden (Gerke-Holzhäuer 1996, S. 7; Odefey in: Miller et al. 1998, S. 22).

1981 wurde in Frankreich der Kreis der sogenannten „Hènokiens“ gegründet. Dieser Kreis ist eine Vereinigung von Familienunternehmen, welche mindestens seit 200 Jahren im Besitz der Gründerfamilie sind und bei denen zumindest einer der Inhaber Mitglied der Geschäftsführung sein muß. Die Vereinigung leitet ihren Namen von Henok ab, dem Vater des Methusalem. Das älteste registrierte Familienunternehmen ist das japanische Hotel Hoshi, welches im Jahr 749 gegründet wurde und inzwischen von der 48. Generation geführt wird (Habig/Berninghaus 1998, S.13).

Es ist also möglich, Familienunternehmen über Generationen hinweg erfolgreich zu führen. Das Ziel des folgenden Kapitel ist, mögliche Gefahren des Generationenwechsels im Familienunternehmen aufzuzeigen und Lösungsansätze vorzustellen. Nach Schätzungen der österreichischen Wirtschaftskammer stehen bis zum Jahr 2007 in Österreich 51.400 Unternehmen, mit über 350.000 Arbeitsplätzen, vor der Übergabe (Gewinn Spezial 2/99). Allein im Jahr 1999 verzeichnete die Wirtschaftskammer Oberösterreichs 1.351 Unternehmensübergaben (Informationsbrief des Gründer-Services der Wirtschaftskammer OÖ, März 2000).

Ähnlich gestaltet sich die Situation in Deutschland, nach Schätzungen des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung werden bis zum Jahr 2001 300.000 Unternehmen mit rund 4 Millionen Beschäftigten ihre Eigentümer wechseln. Etwa 82.000 davon geraten durch die Unternehmensübergabe in eine ernsthafte Krise (Habig/Berninghaus 1998, S. 5f). Zahlreiche Untersuchungen zeigen, daß bei einer erfolgreichen Übergabe vielfach neue Arbeitsplätze entstehen. Als Grund dafür gilt das drei- bis viermal höhere Umsatzwachstum, welches neu übernommene Betriebe erzielen. Während ältere Unternehmer kaum Geld in große langfristige Projekte stecken, gelten Übernehmer in der Regel als aufgeschlossener, innovativer und investitionsbereiter (Riedel 1994).

Der Wunschgedanke vieler Unternehmer ist und bleibt die Unternehmensübergabe an die eigenen Kinder. Die Nachfolge durch ein Familienmitglied wird auch in Zukunft die häufigste Form der Übergabe sein, sie ist jedoch im Abnehmen begriffen. Gegenwärtig verfügt nur mehr jedes zweite Familienunternehmen über einen qualifizierten familieninternen Nachfolger (Albach/Freud 1989).

Im folgenden Abschnitt gehe ich von dem für viele Unternehmer wünschenswerten Fall aus, daß die eigenen Kinder bereit sind, das elterliche Unternehmen zu übernehmen.

Gerke-Holzhäuer gliederte aufgrund ihrer empirischen Untersuchung die Probleme eines Generationenwechsels in vier Bereiche (Gerke-Holzhäuer 1996, S. 30): xx „die Planung des Generationenwechsels xx die Rücktrittsbereitschaft des Unternehmers xx die Selektion des Nachfolgers

xx die Übergangsphase mit dem Vollzug des Führungswechsels“

Ich habe mich dazu entschlossen den Prozeß der Unternehmensnachfolge ebenfalls in diese vier Bereiche zu gliedern und hoffe, daß der Leser dadurch eine bessere Übersicht in die komplexe Materie einer Unternehmensübergabe erhält.

3.1 Die Planung des Generationenwechsels

Aus dem eigenen Unternehmen eines Tages ausscheiden zu müssen und das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben, ist für viele Unternehmenseigentümer ein regelrechtes Tabuthema. Die Vorbereitung und Organisation einer Unternehmensnachfolge zählt nach der Gründung des Unternehmens, zu den wichtigsten und weitreichendsten Aufgaben eines Unternehmers.

Die Betriebswirtschaftslehre behandelte in der Vergangenheit die Probleme des Generationenwechsels sehr nüchtern, die emotionalen und psychologischen Aspekte wurden dabei kaum berücksichtigt (Schneider in: Kappler/Laske 1999 S. 67 ff; Gerke-Holzhäuer 1996).

Trotz der enormen Wichtigkeit dieser Thematik, beschäftigen sich nur wenige Unternehmer ernsthaft mit der Planung der Nachfolge. Gerne flüchten sie sich in populäre Ausreden, wie sie hätten keine Zeit für solche Planungen, oder daß sie sich noch fit genug fühlen, das Unternehmen die nächsten Jahre zu leiten. Jeder Unternehmer sollte jedoch bedenken, daß die Lösung der Unternehmensnachfolge wichtiger ist als ein einzelner Jahreserfolg. Wird dieses Problem immer wieder hinausgeschoben, kann dies für den Betrieb ein existentielles Risiko bedeuten. Nur wenige mittelständische Unternehmer verfügen im Falle ihres unvorhergesehenen Ausscheidens über eine konkrete Nachfolgeregelung. Eine dieser seltenen

Ausnahmen ist der Trauner Unternehmer Gerhard Hackl 1 , der sich schon mit Mitte dreißig Gedanken über seine Nachfolge machte:

„Schon wenige Wochen nach der Übernahme der Geschäftsleitung, habe ich mir Gedanken über meine eigene Nachfolge gemacht und diese schriftlich festgelegt. Im Falle meines frühzeitigen Ausscheidens, ist die Art und Weise der Unternehmensnachfolge in meinen Betrieb bereits geregelt.“ (Interview der Autorin mit Gerhard Hackl, anläßlich einer Veranstaltung der OÖ Wirtschaftskammer zum Thema Betriebsübergaben im Dezember 1999.)

Daß es sich hierbei tatsächlich um eine Ausnahme handelt, zeigen zahlreiche Studien. Trefelik kam in seiner Untersuchung über die Problematik der österreichischen Nachfolge zu dem Ergebnis, daß viele Unternehmer noch immer eine große Abneigung gegenüber schriftlichen Nachfolgeplanungen aufweisen (Trefelik 1998).

Mit der Frage der Unternehmensnachfolge sollte sich jeder Unternehmer beschäftigen, auch in jungen Jahren. Denn wie wichtig eine rechtzeitige Nachfolgeregelung ist, hat sich im Wirtschaftsleben schon oft gezeigt.

Untersuchungen des deutschen Institutes für Mittelstandsforschung zeigen, daß nicht einmal die Hälfte der Unternehmensübergänge mit einem geplanten Ausscheiden verbunden waren, sondern daß der Führungswechsel bei mehr als 50 % unvorhergesehen erfolgte (s. Abb. 4). In den meisten Fällen ist dies auf einen Unglücksfall zurückzuführen.

Im Normalfall ist das Fehlen eines gültigen Nachlasses kein großes Problem, da in solchen Fällen das gesetzliche Erbrecht in Kraft tritt. Ganz anders hingegen ist die Situation bei einem selbständigen Unternehmer, hier kann das Fehlen einer ausführlichen Nachfolgeregelung zu weitreichenden Konsequenzen für das Unternehmen führen.

3

23%

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1

46%

2

31%

1. Geplanter Generationenwechsel in der Geschäftsführung „aus Altersgründen“

2. Ungeplanter Generationenwechsel wegen plötzlichen Ausscheidens des Unternehmers

(z. B. Krankheit oder Tod)

3. Ungeplante Übertragung der Geschäftsführung wegen eines Berufswechsels aus anderen Gründen

(z. B. Scheidung, berufliche Umorientierung)

Abb. 4: Übertragung von Familienunternehmen nach Übertragungsursachen

Quelle: Habig/Berninghaus 1998, S. 37

Schon allein aus diesem Grund wäre jeder Unternehmer gut beraten, unabhängig von seinem Alter, sich mit möglichen Übergangsregelungen in Krisensituationen auseinander zusetzen. Pentzlin (1979) und viele andere Autoren warnen davor, bei einer Nachfolgeregelung nur auf die steuerlich günstigen Aspekte zu achten. Denn langfristig können sich steuerlich schlechtere Lösungen als die strategisch besseren Unternehmenslösungen erweisen. Aufgrund der Einmaligkeit einer Unternehmensübergabe, kann der Unternehmer weder auf seine Routine, noch auf seine unternehmerische Erfahrung zurückgreifen. Hinzu kommt, daß die Auswahl eines geeigneten Nachfolgers, nicht wie viele andere betriebliche Entscheidungen rein rational getroffen wird. Hier spielen zusätzliche Aspekte, wie Macht, Liebe und Vertrauen eine entscheidende Rolle. In vielen Fällen wird die Auseinandersetzung mit der betrieblichen Nachfolge bewußt vermieden oder möglichst lange hinausgezögert, dies

bedeutet sowohl für das Unternehmen, als auch für die Familie, mit Sicherheit die schlechteste aller Lösungen.

Einen Nachfolger zu lange auf der „Ersatzbank“ sitzen zu lassen, kann dazu führen, daß er sich entweder eine andere interessantere Tätigkeit sucht, oder nie wirklich lernt eigene Erfahrungen zu sammeln.

Als ein besonderes negatives Paradebeispiel einer nicht rechtzeitigen Unternehmensübergabe gilt folgendes Beispiel eines deutschen Betriebes (Gruhler 1984, S. 138f): „Ich wurde in ein Verpackungswerk gerufen. Zwei ältere Herren - Brüder, jeder kurz vor Erreichen des 70. Lebensjahres - saßen mir gegenüber und nickten verständnisvoll und bedrückt, als ich ihnen klarmachen mußte, daß an einen Verkauf des Unternehmens nicht mehr zu denken sei, daß nur noch eine sofortige freiwillige Liquidation die vage Chance bieten könne, aus den stillen Reserven heraus ein bescheidenes Kapital für die Inhaber zu retten. Sie schauten sich an, sie nickten einander zu, sie blickten mich wieder an und dann sagte einer leise: „Ja, ja, Sie haben recht, wir wissen genau, wie es steht. Wir wissen auch, daß Ihr Vorschlag richtig ist, aber was sollen wir tun? Er wird nie zustimmen“ Etwas erstaunt fragte ich, wer denn Er sei. Leise Furcht in den Augen, so als säße Er irgendwo im Raum, antworteten sie: „Er ist unser Vater, er ist 93 Jahre alt und kommt noch jeden Morgen in den Betrieb. Er hat unser ganzes Leben hindurch all unsere Vorschläge abgelehnt, er würde auch diesen Vorschlag ablehnen.“ Die Geschichte die ich dann zu hören bekam, war haarsträubend. Dieser Senior hatte es tatsächlich geschafft, seine Söhne fast 70 Jahre werden und immer noch Junioren bleiben zu lassen. Junioren, die jahrzehntelang keine Entscheidung treffen durften, bis sie so alt wurden, daß sie, an diesen Zustand gewöhnt, auch keine mehr treffen konnten. Sechs Monate später ging der Betrieb in den Konkurs: Zwischen den Maschinen, die beim Verkauf des Inventars noch in der Halle standen, tastete sich ein alter Mann mit seinem Stock hindurch: „der Senior.“ Daß es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, sondern daß es auch in Österreich noch einige Unternehmer gibt, die selbst mit fortgeschrittenem Alter nicht bereit sind, die Geschäftsführung abzugeben, zeigt das aktuelle Beispiel der Linzer Textilmaschinenfabrik Dr. Ernst Fehrer AG. Diese ist noch immer fest in den Händen des 80-jährigen

Vorstandsvorsitzenden Ernst Fehrer, welcher sein Unternehmen mit einem patriarchalischen Stil führt. Seine Tochter Monika Fehrer scheitert immer wieder mit dem Wunsch die Firma offener zu führen, am Veto ihres Vaters (OÖN 30.10. 1999, S. 13).

Auch Julius Meinl VI mußte lange in der Position des potentiellen Nachfolgers verharren und kam erst als Mittfünfziger an die Macht (Hinterhuber et al. 1994, S. 103). „Der Patriarch überlebt seine Zeit und er überlebt den Zeitpunkt, zurückzutreten und

rechtzeitig Platz zu machen für die zweite Generation.“ (Mittelsten Scheid, 1985 S. 12) 2 . Dieses starre „Festhalten am Chefsessel“ zählt mit Sicherheit zu jenen Gründen, welche für ein Scheitern der Übergabe verantwortlich sind.

So gesehen, gilt der Übergabezeitpunkt als eine zentrale Säule in der komplexen Materie des Generationenwechsels. Aufgrund der Individualität dieser Thematik gibt es keinen allgemeingültigen idealen Übergabezeitpunkt. Aber es gibt in der Literatur zahlreiche Richtlinien, welche die Entscheidung über die Art und Weise der Übergabe erleichtern können.

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in der Familie/Vermögen Vermögensdinge regeln

Planung des Generationenwechsels verzichtet wird und nur mündliche Zusagen existieren (Albach/Freund, 1989; Trefelik 1998).

Wie aus der folgenden Grafik ersichtlich, sind jedoch sowohl übergabewillige Unternehmer als auch Übernehmer der übereinstimmenden Meinung, daß bei der Unternehmensnachfolge ein Planungshorizont von mehreren Jahren sinnvoll wäre. Auf die Frage, nach dem Zeitpunkt, zu dem idealerweise eine Nachfolgeregelung im Unternehmen bestehen sollte, antworteten Übergeber bzw. Nachfolger folgendermaßen (in Prozent):

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Abb. 6: Zeitpunkt, zu dem idealerweise eine Nachfolgeregelung im Unternehmen bestehen sollte.

Quelle: Institut für Gewerbe- und Handwerksforschung, Wien 1999, IfG-Grafik Als ein entscheidender Faktor, wie mit diesem Thema umgegangen wird, gilt die Unternehmensgröße. Durch die in größeren Unternehmen notwendige strategische Planung, wird auch der heikle Themenbereich einer Unternehmensnachfolge professioneller behandelt. Dennoch zeigt eine Untersuchung von Albach/Freund 1989, daß bei 24,1 % der Großbetriebe (zu ihnen zählen Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeiter) die Unternehmensnachfolge nicht geregelt war (Habig/Breninghaus 1998, S. 24).

3.2 Die Rücktrittsbereitschaft des Unternehmers

„Man kann die Erfahrung nicht früh genug machen,

wie unentbehrlich man in der Welt ist.“

(J.W. von Goethe)

Unter der Rücktrittsbereitschaft des Seniors wird in dieser Arbeit die Übergabe der Geschäftsführung verstanden und nicht die Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Der Übergang in den Ruhestand ist für alle Menschen ein einschneidender Prozeß in ihrem Leben, jedoch besonders für selbständige Unternehmer. Vor allem, wenn der Unternehmer seinen Betrieb selbst aufgebaut hat, entsteht zwischen dem Gründer und seinem Unternehmen eine enge Symbiose, mit einer großen existentiellen Bedeutung für beide (Wimmer et al. 1996, S. 255 ff). Das Unternehmen wurde zum Lebenswerk des Gründers, als ein Ort der Selbstverwirklichung. Die Trennung vom Unternehmen, welches er „mit seinen eigenen Händen aufgebaut hat“ und die Übergabe der Verantwortung an die nächste Generation, ist für manche Gründungsunternehmer unvorstellbar.

Gerade diese jahrelange Identifikation des Pionierunternehmers mit seinem Betrieb, in den er all seine Energie steckte, erschwert, daß er von heute auf morgen loslassen kann und er sein Lebenswerk an seinen Nachfolger übergibt.

„Hier steckt der Unternehmer in dem Dilemma, daß gerade diese Voraussetzung für den eigenen Erfolg war, und jetzt ist es genau der Umstand, der verhindert, daß das Unternehmen erfolgreich in die nächste Generation und damit in die Zukunft überführt werden kann“ (Habig/Berninghaus 1998, S. 38). In der Literatur finden sich zahlreiche Beispiele, die dieses ambivalente Verhältnis des Gründers gegenüber seinen Nachfolgern zeigen (Wimmer et al. 1996; Mittelsten Scheid, 1985, S. 12 ff).

Einerseits erwartet ein Pionierunternehmer von seinen Kindern die Fortführung seines Lebenswerkes, andererseits ist er mißtrauisch, ob dies seinen Kindern auch erfolgreich gelingt. Aus der oben erwähnten Angst, daß sein Unternehmen nicht in seinem Sinne weitergeführt wird, ist er nicht dazu bereit, die Führung endgültig an seine Nachkommen zu übergeben.

Häufig versteckt sich jedoch hinter diesem Vorwand, eine Angst vor dem Schritt in den Ruhestand, verbunden mit der Befürchtung dort keine Befriedigung zu finden (Menzl et al. 1988). Für die Nachfolger heißt dies, jahrelang in der Position des potentiellen Nachfolgers zu verharren. Durch das ständige Hinauszögern des endgültigen Ausscheidens aus der Geschäftsführung, entsteht die Gefahr, daß der Nachfolger nicht länger in der Rolle des „Kronprinzen“ verharren will und vorzeitig aus dem elterlichen Unternehmen ausscheidet. Zahlreiche Beispiele zeigen, daß es immer wieder Unternehmer gibt, welche in ihrem Unternehmen bis weit über das 65. Lebensjahr aktiv in der Geschäftsführung tätig sind (Gerke-Holzhäuer 1996 S. 33; Albach/Freund 1989).

3.2.1 Ursachen mangelnder Rücktrittsbereitschaft 3

1. Familienunternehmensspezifische Gründe Findet sich in den Reihen der eigenen Familie kein potentieller Nachfolger, so bleibt dem Unternehmer nichts anderes übrig, als sein Unternehmen zu verkaufen oder die Leitung einem Fremdmanager zu übertragen. Beides widerstrebt der Mehrzahl von Familienunternehmern gänzlich, so daß sie lieber selbst ihr Unternehmen bis ins hohe Alter führen, in der Hoffnung, doch noch einen Nachfolger innerhalb der Familie zu finden. 2. Situation des Unternehmers vor dem Ruhestand Wie später noch ausführlicher behandelt wird, zeigen vorwiegend patriarchalische Gründungsunternehmer keine echte Rücktrittsbereitschaft.

Ursache dafür ist nicht nur die schon erwähnte Identität mit dem Unternehmen selbst, sondern auch die Tatsache, daß diese Menschen selten neben ihrer Unternehmertätigkeit eine ausfüllende Freizeitbeschäftigung hatten. Der einsame Unternehmer an der Spitze eines erfolgreichen Betriebes ist keine Seltenheit. Der Lebensinhalt dieser Menschen war und ist sein Unternehmen, welches er aufgebaut hat. Für Freizeitaktivitäten blieb keine Zeit. Mit dem Ausscheiden aus dem

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Die menschlichen, emotionalen und psychologischen Aspekte des Generationenwechsels in mittelständischen Familienbetrieben
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
131
Katalognummer
V185991
ISBN (eBook)
9783656980049
ISBN (Buch)
9783867467834
Dateigröße
922 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
aspekte, generationenwechsels, familienbetrieben
Arbeit zitieren
Mag. Sabine Weißengruber-Auer (Autor:in), 2001, Die menschlichen, emotionalen und psychologischen Aspekte des Generationenwechsels in mittelständischen Familienbetrieben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185991

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