Kundenmeinungen im Internet


Diplomarbeit, 2005

128 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis
III
Tabellenverzeichnis
V
1
Einleitung
1
2
Theoretische Konzepte der Mundwerbung
3
2.1
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2
Bedeutung von Kundenmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.3
Kunden(un)zufriedenheit als Initiator von Mundwerbung . . . . . .
9
2.4
Verhaltenswissenschaftliche Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.4.1
Informationsökonomische Ansätze zu Kundenmeinungen . .
12
2.4.2
Soziologische Ansätze zu Kundenmeinungen . . . . . . . .
16
2.4.3
Verhaltenspsychologische Ansätze zu Kundenmeinungen . .
23
3
Kundenartikulationen im Internet
29
3.1
Definition und Konstellationen von KAI . . . . . . . . . . . . . . .
32
3.2
Kundenmeinungsplattformen als wesentliche Quelle für KAI . . . .
34
3.3
Weitere Formen von KAI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
4
Einsatzmöglichkeiten von Kundenmeinungen im Rahmen des Internet-
Marketing
45
4.1
Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
4.2
Vertrauensbildung und Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . .
49
4.3
Qualitäts- und Innovationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . .
50
4.4
Intensivierung des Beschwerde-Managements . . . . . . . . . . . .
51
5
Konzeption einer empirischen Studie über Wirkungszusammenhän-
ge von Kundenmeinungen im Internet
54
5.1
Beschreibung der Stichprobenziehung . . . . . . . . . . . . . . . .
55
5.2
Problemstellung und Zielsetzung der Online-Befragung . . . . . . .
56
5.3
Überblick über das computergestützte Gedankenexperiment . . . . .
60
6
Ausgewählte, empirische Ergebnisse der Studie
62
6.1
Explorative Analyse der Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
6.2
Auswahlverhalten bei Kundenmeinungen
. . . . . . . . . . . . . .
75
6.3
Analyse der Kauftypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
6.3.1
Kaufgewohnheiten der Teil-Stichproben . . . . . . . . . . .
77
I

6.3.2
Clusteranalyse über Kauftypen . . . . . . . . . . . . . . . .
78
6.4
Auswertung über die Länge der Kundenmeinungen . . . . . . . . .
81
6.5
Auswertung der Effektstärke bei positiven vs. negativen Kunden-
meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
6.5.1
Einfluss der Erstwahl einer KM-Ausprägung auf die Effekt-
stärke einer KM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
6.5.2
Einfluss von (Vorkaufs-)Eigenschaften des Rezipienten auf
die Effektstärke einer KM
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
6.6
Einfluss des Kommunikators auf die Effektstärke der KM . . . . . .
90
6.7
Einfluss der Kategorie auf die Effektstärke der KM . . . . . . . . .
91
6.8
Untersuchungen zur Motivation zum Lesen von KM . . . . . . . . .
93
7
Praxisnahe Handlungsempfehlungen im Umgang mit virtueller Mund-
werbung
98
8
Ausblick auf weitere Forschungsfelder und Fazit
103
Anhang
106
A Häufigkeitsverteilungen über Kauftypen
106
B Tabellenwerk zu KM-Effektstärken
108
C Einfluss des Produktvorwissens auf Effektstärke der KM
109
D Trend-Graphen
110
D.1 Trend-Graphen der Effektstärke von KM über Ausprägung der So-
fortkaufbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
D.2 Trend-Graphen der Effektstärke von KM über Ausprägung des In-
formationsbedarfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
E Vergleichs-Ergebnisse der FA
114
Literaturverzeichnis
116
Ehrenwörtliche Erklärung
122
II

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Entstehung von (Un-)Zufriedenheit beim Kunden . . . . . . . . .
9
Abb. 2 Weiterempfehlungsverhalten von Kunden bezüglich eines An-
bieters in Abhängigkeit von der Zufriedenheit . . . . . . . . . . .
10
Abb. 3 Zusammenhänge der Kundenzufriedenheit im psychographischen
System mit ökonomischen Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . .
10
Abb. 4 Konstellation der an Mundwerbung direkt/indirekt Beteiligter . .
11
Abb. 5 Vergleich von Ein- bzw. Zwei-Stufen-Kommunikation . . . . . .
16
Abb. 6 Erweiterung des Modells zur Multi-Step-Flow-Kommunikation .
17
Abb. 7 Erweiterung des Modells zur Zwei-Zyklen-Kommunikation . . .
18
Abb. 8 Strukturbild der Informationsaustauschbeziehungen . . . . . . .
19
Abb. 9 Konstellationen des positiv vorgeprägten Rezipienten mit ihm
un-/sympathischen Kommunikator und positiver/negativer Kun-
denmeinung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Abb. 10 Relative Häufigkeiten mit der Motiv zum Verfassen von KM ,,voll"
oder ,,weitgehend" bejaht wurde
. . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Abb. 11 Motiv-Faktoren zur Abgabe und Abfrage von Kundenmeinungen
28
Abb. 12 Konstellationen von Kundenmeinungen im Internet und Kom-
munikationsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Abb. 13 Konstellation der an KAI direkt/indirekt Beteiligter . . . . . . . .
34
Abb. 14 Basisgeschäftsmodelltypen des 4C-Net-Business-Model . . . . .
39
Abb. 15 Deutschsprachige Hotel-Bewertungsforen . . . . . . . . . . . . .
43
Abb. 16 Struktogramm der Zusammenhänge einer KMP . . . . . . . . . .
46
Abb. 17 Struktogramm der Zusammenhänge von Internet- und eCommerce-
Erfahrung, Involvement und Click-Flow-Erlebnis . . . . . . . . .
49
Abb. 18 Anzahl der Probanden über die Phasen der Befragung . . . . . .
55
Abb. 19 Häufigkeitsverteilung über gelesene Kundenmeinungen . . . . .
58
Abb. 20 Screenshot: Kundenmeinungen eines ,,Kritikers" . . . . . . . . .
59
Abb. 21 Screenshot: Kundenmeinungen eines ,,Nörglers" . . . . . . . . .
59
Abb. 22 Flussdiagramm der empirischen Online-Studie . . . . . . . . . .
61
Abb. 23 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über das Geschlecht von N
1
,
N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . . . . . . .
63
Abb. 24 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über das Alter von N
1
, N
2
,
N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . . . . . . . . .
64
Abb. 25 dooyoo.de Nutzerdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
Abb. 26 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über den Berufsstand von
N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . . . . .
66
III

Abb. 27 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über das mtl. Netto-Einkommen
von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . .
67
Abb. 28 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über die Nutzungsdauer in
Stunden pro Woche von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen
Internet-Population . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Abb. 29 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über die selbst eingeschätz-
te Kauferfahrung von N
1
, N
2
und N
Gesamt
. . . . . . . . . . . . .
70
Abb. 30 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über die Anzahl der Onli-
nekäufe innerhalb der drei letzten Monate von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population
. . . . . . . . . . . . .
71
Abb. 31 dooyoo.de Nutzerverhalten
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Abb. 32 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über die Anzahl der dabei
genutzten Kundenmeinungen innerhalb der drei letzten Monate
von N
1
, N
2
und N
Gesamt
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Abb. 33 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über die eingeschätzte Re-
levanz der gelesenen Kundenmeinungen von N
1
, N
2
und N
Gesamt
74
Abb. 34 Vergleichende Häufigkeitsverteilungen über: ,,Kaufe [...] preis-
bewußt bzw. überlegt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
Abb. 35 Übersicht und Vergleich der Cluster-Zentroide . . . . . . . . . .
79
Abb. 36 Relative Häufigkeitsverteilung über ,,Kaufe Produkte dieser Ka-
tegorie ganz spontan" aufgeschlüsselt nach Kategorien . . . . . .
80
Abb. 37 Strichpunkt-Plot der Mittelwerte aller Kauftypaussagen über alle
Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Abb. 38 Relative Häufigkeitsverteilung über Leseintensität der 5er Kun-
denmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
Abb. 39 Häufigkeitsverteilung über gemittelte Effekte von positiven und
negativen Kundenmeinungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Abb. 40 Mittelwertdifferenzen vor <=> nach dem Lesen der 1. bzw. 2.
KM mit Effektstärken von positiven und negativen Kundenmei-
nungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
Abb. 41 Effektstärken von KM als Funktion der Ausprägung des virtuel-
len Rezensenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
Abb. 42 Effektstärken von KM als Funktion der Kategorie (Teil1) . . . . .
91
Abb. 43 Effektstärken von KM als Funktion der Kategorie (Teil2) . . . . .
92
Abb. 44 Ergebnisse der explorativen und konfirmatorischen Faktoranalyse
97
Abb. 45 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über: ,,Kaufe Produkte die-
ser Kategorie häufig" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Abb. 46 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über: ,,Kaufe Produkte die-
ser Kategorie routinemäßig" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
IV

Abb. 47 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über: ,,Kaufe Produkte die-
ser Kategorie qualitätsbewußt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Abb. 48 Vergleichende Häufigkeitsverteilung über: ,,Kaufe Produkte die-
ser Kategorie ganz spontan" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Abb. 49 Deskriptive Gesamt-Statistik über KM - Effekte vor <=> nach
dem Lesen der 1. bzw. 2. KM mit Effektstärken von positiven
und negativen Kundenmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Abb. 50 T-Test 5er1er Teilpopulation gruppiert nach Produktvorwissen . . 109
Abb. 51 Effektstärken von KM über Ausprägung der Sofortkauf-Bereitschaft
(Teil1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Abb. 52 Effektstärken von KM über Ausprägung der Sofortkauf-Bereitschaft
(Teil2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Abb. 53 Effektstärken von KM über Ausprägung des Informationsbedürf-
nisses (Teil1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Abb. 54 Effektstärken von KM über Ausprägung des Informationsbedürf-
nisses (Teil2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Abb. 55 Vergleichs-Ergebnisse der explorativen und konfirmatorischen Fak-
toranalyse von Prof. Hennig-Thurau . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Abb. 56 Pfaddiagramm mit Fehlervarianzen, Faktorladungen (Maximum-
Likelihood) und Faktor-Interkorrelationen . . . . . . . . . . . . . 115
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Google - Analyse über Begrifflichkeiten des ,,word-of-mouth" . .
4
Tab. 2 Anwendbarkeit von Unsicherheits-Reduktionsstrategien
. . . . .
15
Tab. 3 Motivkategorien für das Lesen von KM mit zugehörigen theore-
tischen Konzepten nach HENNIG-THURAU . . . . . . . . . . .
26
Tab. 4 Motive und von KMP-Usern eingeschätzte Relevanz der Motive
für das Verfassen von KM nach HENNIG-THURAU . . . . . . .
26
Tab. 5 Verbleibende, konzeptionelle Ähnlichkeit von Kundenartikulatio-
nen im Internet und klassischer Mundwerbung
. . . . . . . . . .
31
Tab. 6 Für Marktanalyse verwendete Meinungsplattformen . . . . . . . .
34
Tab. 7 Benchmark der Meinungsplattformen aus Tabelle 6 . . . . . . . .
36
Tab. 8 Bezahlungschema der KMP yopi.de . . . . . . . . . . . . . . . .
37
Tab. 9 Zusammenhang zwischen der Zufriedenstellung des Beschwer-
deführers und seiner Bereitschaft zu positiver Mundwerbung bzw.
der Anzahl der von ihm beeinflussten Rezipienten . . . . . . . . .
52
Tab. 10 Einflussfaktoren für die Wahrscheinlichkeit einer Beschwerde p(B) 52
V

Tab. 11 Prozentuale Verteilung über Familienstand von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . . . . . . . . . . . . . .
65
Tab. 12 Prozentuale Verteilung über Bildungsstand von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population . . . . . . . . . . . . . .
65
Tab. 13 Prozentuale Verteilung über die bisherige Nutzungsdauer des In-
ternets von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und der allgemeinen Internet-Population 68
Tab. 14 Prozentuale Verteilung über die Art des am häufigsten genutzten
Internetanschlusses für private Zwecke von N
1
, N
2
, N
Gesamt
und
der allgemeinen Internet-Population . . . . . . . . . . . . . . . .
68
Tab. 15 Mittelwertvergleich von Online-Käufen der letzten drei Monate
zwischen N
1
, N
2
und der allgemeinen Internet-Population
. . . .
71
Tab. 16 Häufigkeitsverteilung über die Erstwahl der Kundenmeinung . . .
75
Tab. 17 Interpretation der Effektstärke d . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Tab. 18 Kreuztabelle Produktvorwissen / KM-Erstwahl . . . . . . . . . .
86
Tab. 19 Prozentuale Verteilung über Produktinvolvement . . . . . . . . .
89
Tab. 20 Items zur Bestimmung der ,,Motivation zum Lesen von KM" . . .
93
Tab. 21 MSA - Werte über HENNIG-THURAU Items . . . . . . . . . . .
94
Tab. 22 Eigenwerte für 4-Faktoren bzw. 5-Faktorenlösung . . . . . . . . .
95
VI

,,Wenn du auf jedes Gerede hören willst,
so denk daran, daß du auch Leute hören wirst, die dir fluchen,
und das am ehesten von denen, bei welchen du es am wenigsten erwartet hättest.
Denn wenn du alles erfahren willst,
wirst du auch vieles hören, was dir nicht lieb ist."
Martin Luther (1483 - 1546), deutscher Theologe und Reformator
1 Einleitung
Mundwerbung als mündliche, informelle Kommunikation bestimmt nahezu täg-
lich unseren Konsumalltag. Seit etwa 1999 findet dieser älteste Mechanismus der
Marketing-Geschichte, über den sich Meinungen über Produkte, Anbieter und Mar-
ken entwickeln, ausgedrückt werden und sich verbreiten
1
, Eingang in sein neues
Medium: Das Internet.
Das Internet eignet sich für Konsumenten im besonderen Maße dazu, aus einer Fül-
le von Quellen einkaufsrelevante Informationen zu sammeln. ,,Kundenmeinungen
im Internet" sind für viele Online-User unschätzbare Informationsquellen, die sie in
den Vorkaufsphasen bzw. in der After-Sales-Phase in zunehmendem Maße konsul-
tieren. Kundenmeinungen werden dabei mitunter aus altruistischen Motiven abge-
geben, um potentielle Kunden des Anbieters (über dessen Produkte Erfahrungswer-
te gesammelt wurden), für eine optimale Kaufentscheidung zu beraten.
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel einen Beitrag zur Erklärung des Nutzenpoten-
tials, der Wirkungsweise, der Effektstärke und der Motive zum Lesen von Kunden-
meinungen im Internet zu liefern.
Zu Anfang des Kapitels 2 muss konstatiert werden, dass für die Thematik der
,,Mundwerbung" der wissenschaftliche Forschungsstand regelrecht lahmt
2
. Es wird
zunächst ein Querschnitt bestehender Definitionen der Begriffe ,,Mundwerbung"
und ,,Kundenmeinung" gebildet, um danach die Bedeutung von Kundenmeinungen
und als zentrales Element der Mundwerbung die Kunden(un)zufriedenheit zu unter-
suchen. Die relevanten theoretischen Konzepte werden im Zuge der verhaltenswis-
senschaftlichen Theorien näher erläutert: Neben informationsökonomischen Ansät-
zen wie einer Kosten-Nutzen-Analyse dieser Informations-Transaktionsbeziehungen,
werden gleichermaßen soziologische Ansätze wie das Meinungsführer- oder Be-
zugsgruppenkonzept vorgestellt. Mit den verhaltenspsychologischen Ansätzen zu
Kundenmeinungen (z.B. Erklärung der Motiv-Strukturen) schließt dieses Kapitel.
1
Vgl. A
RNDT
, 1965, S. 1.
2
Vgl. H
ELM
, 2000.
1

Kapitel 3 leitet von den theoretischen Konzepten auf die tatsächlichen Organisations-
und Kommunikationsbedingungen im Internet über. In einem Abgleich traditionel-
ler Mundwerbung und der Verbreitung von Kundenmeinungen im Internet werden
Diskrepanzen sichtbar, die bis auf wenige verbleibende Eigenschaften ,,Kunden-
meinungen im Internet" als neues Konstrukt kennzeichnen. Neben der Definition
werden die möglichen Konstellationen erläutert, in der Rezipienten, Anbieter und
Kommunikatoren im Internet virtuell aufeinander treffen. Ein besonderer Schwer-
punkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der Veröffentlichung von Kundenmeinun-
gen über Kundenmeinungsplattformen von Drittanbietern, welche als wesentliche
Quelle aggregierter Kundenmeinungen vertiefend vorgestellt werden. Darüber hin-
aus werden jeweils kurz und knapp andere Formen von ,,Kundenartikulationen im
Internet" (KAI) beschrieben.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Einsatzmöglichkeiten von Kundenmeinungen
im Internet. Diese sind vor allem in der Marktforschung (über kommerzielle An-
bieter von Kundenmeinungsplattformen), Vertrauensbildung und Kundenbindung,
Qualitäts- und Innovationsmanagement und einer Intensivierung des Beschwerde-
Managements zu sehen.
In Kapitel 5 wird die empirische Studie in ihrer Konzeption als eine Mischung aus
Online-Befragung per WWW und einem Gedankenexperiment beschrieben. Der
Beschreibung der Stichprobenziehung schließt sich die Schilderung der Problem-
stellung und Zielsetzung der Online-Befragung an. In Form eines Flussdiagramms
wird ein Überblick über das computergestützte Gedankenexperiment verschafft.
Die vollständige Studie kann dagegen entweder online unter http://frank.frankonia-
brunonia.de/formulare/index.php oder als Quelltext auf der (der Arbeit beiliegen-
den) CD entnommen werden.
Kapitel 6 führt die Auswertungen der Studie in ausgewählter Form zusammen, de-
ren Ergebnisse jeweils im Anschluss eines Unterkapitels interpretiert werden.
Kapitel 7 gibt dem interessierten Vertreter der Industrie praxisnahe Handlungsemp-
fehlungen im Umgang mit virtueller Mundwerbung. Die aussagekräftigen Ratschlä-
ge werden in einem ,,8-Punkte - Word-of-Mouth - Marketing - Plan" geäußert.
Als Fazit mit Ausblick auf weitere Forschungsfelder beschließt Kapitel 8 die vorlie-
gende Arbeit und fasst die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammen.
2

,,Zufriedene Kunden sind die beste Werbung"
Sprichwort der Unternehmenspraxis
2 Theoretische Konzepte der
Mundwerbung
Die im Zuge der Mundwerbung (engl.: 'word-of-mouth') verbalisierten Kunden-
meinungen liegen in einem Spannungsfeld unternehmerischer Aufmerksamkeit.
Zum einen scheinen sie geeignet, die Kundenzufriedenheit bestehender Kunden via
Weiterempfehlungen kostenlos und multiplikativ zu verbreiten, worin eine ,,reizvol-
le Alternative zu klassischen Werbeformen" bestünde.
3
Andererseits gilt das Medi-
um der ,,Mundpropaganda" weithin als nicht steuerbar
4
, woraus eine tiefe Verunsi-
cherung gegenüber diesem Phänomen resultiert
5
.
Laut BAYUS betrachtet ein Großteil der Entscheidungsträger in Unternehmen die
Mundwerbung innerhalb ihrer Kundenschichten
6
als wünschenswerten Nebeneffekt
der klassischen Marketing-Aktivitäten, welcher aber keiner Ursache - Wirkungs-
kontrolle unterzogen wird
7
.
Auch die Wirtschaftswissenschaften begegnen der Mundwerbung zwiegespalten:
Erstens existieren gegensätzliche Hypothesen vor allem über die Verbreitungsinten-
sität unterschiedlicher Mundwerbungsausprägungen.
Zum einen existieren durch Hypothesen und Befragungen gestützte Quoten über
3:9
8
bzw. sogar 3:33
9
, welche besagen, dass ein zufriedener Kunde drei Perso-
nen seines Umfeldes das betreffende Produkt empfehlen würde, dagegen sich aber
der unzufriedene Kunde gegenüber neun bzw. 33 Individuen negativ-abratend äu-
ßern würde. Zum anderen zeigen ANDERSEN und HELM in unabhängigen, em-
pirischen Studien, dass ein ähnliches Verhalten (9,5(pro):9,1(contra))
10
bzw. so-
gar eher weiterempfehlendes Verhalten (8,4(pro):5,9(contra))
11
gezeigt wird. Ei-
nig ist man sich lediglich hinsichtlich einer Branchen-Abhängigkeit dieser Zah-
len.
3
Vgl. H
ELM
, 2000, S. 3.
4
Vgl. S
OLOMON
/B
AMOSSY
/A
SKEGAARD
, 1999, S. 282.
5
Vgl. ähnlich W
ILSON
, 1991, S. 19.
6
ehemalige und aktuelle Kunden
potentielle Kunden
7
Vgl. B
AYUS
, 1985, S. 32.
8
Vgl. G
OODMAN
/M
AKECH
/M
ARRA
, 1987, S. 177f.
9
Vgl. W
ILSON
, 1991, S. 37ff.
10
Vgl. A
NDERSON
, 1994, S. 8.
11
Vgl. H
ELM
, 2000, S. 264.
3

Zweitens kann die wissenschaftliche Haltung gegenüber den Artikulationen von
Kunden im Stakeholder System durchaus als ,,stiefmütterlich" bezeichnet werden.
Von den Unternehmen wurde der Kunde laut JANISCH ja bereits reduziert auf
den ,,Kauf der Produkte/Dienstleistungen, Einhalten der vereinbarten Konditionen,
Markentreue"
12
. Die Wissenschaft tat sich gleichfalls schwer, die Durchsetzungs-
macht der Kunden in Form der Mundwerbung -mit welcher er seine vorgebrach-
ten Ansprüche gehört wissen will- einer angemessenen Untersuchung zu unterzie-
hen. So beklagt ARNDT bereits 1960, dass sich der Forschungsstand des ,,word-
of-mouth" innerhalb der letzten 20 Jahre nicht nennenswert weiterentwickelt habe,
aber auch aktuell wird der Marketingwissenschaft vorgeworfen, sich der Thematik
lediglich mit Intuition anzunähern
13
.
Die über Mundwerbung veröffentlichten Schriften stehen in ihrer Anzahl weit un-
ter denen über andere marketingwissenschaftlichen Themengebieten. Eine Recher-
che bei Google legte folgende Anzahlen an Verwendungen des Wortes ,,word-of-
mouth"/,,Mundwerbung"/usw. offen:
Tabelle 1: Google - Analyse über Begrifflichkeiten des ,,word-of-mouth"
Begriff:
Google - Hits:
Vergleichsbegriff:
Google - Hits:
word-of-mouth
2.710.000
direct marketing
6.680.000
Mundwerbung,
Mund - zu - Mund -
Werbung
1.170
Direktmarketing
524.000
Kundenmeinung
55.700
Medien - Werbung
131.000
Es wird deutlich, dass z.B. ein Begriff wie ,,Direktmarketing" ca. 450mal geläufiger
genannt wird als die Ausdrücke ,,Mundwerbung" und ,,Mund-zu-Mund-Werbung"
gemeinsam. Obwohl also die Mundwerbung ,,[...] als wichtige Determinante des
Kaufverhaltens von Konsumenten in der Marketingforschung weithin anerkannt"
14
sein soll, nimmt sie im Vergleich zu anderen (Mode-)Ausdrücken und Themenge-
bieten der Marketingwissenschaft einen quantitativ nicht angemessen reflektierten
Stellenwert ein.
In den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit wurde ein methoden-pluralistischer
Ansatz gewählt, um eine möglichst umfassende und gesicherte Sichtung des Phä-
nomens der klassischen Mundwerbung sowie Mundwerbung via Internet zu ermög-
lichen.
12
J
ANISCH
, 1993, S. 122.
13
Vgl. H
ELM
, 2000, S. 10.
14
H
ENNIG
-T
HURAU
, 2004, S. 53.
4

2.1 Definition
Mundwerbung von Nachfragern wird für die vorliegende Arbeit definiert als
verbale
15
, informelle Kommunikation zwischen aktuellen und potentiellen Kun-
den, in der Produkte / Dienstleistung und Ansichten über Unternehmen durch
den Erfahrungs-legitimierten, nicht-kommerziell angesehenen Kommunikator
16
als empfehlend, neutral oder abschlägig charakterisiert werden
17
.
Gegenstand von Mundwerbung ist demzufolge die Meinung eines Kunden, welche
in Folge als Kundenmeinung (KM) oder -nur wenn geäußert- als Kundenartikulati-
on (KA)
18
bezeichnet wird.
,,[...] Kundenmeinungen [werden] als negative, neutrale oder positive Bericht-
erstattung eines Kunden über die objektiven und/oder subjektiv wahrgenom-
menen Merkmale einer Anbieterleistung bzw. des Anbieters selbst im privaten
und/oder geschäftlichen Umfeld des Kunden verstanden."
19
Die Ausprägung der Kundenmeinung wird dabei subjektiv aus Sicht des Unterneh-
mens über die enthaltene Tonalität der abgegebenen Mundwerbeinformation defi-
niert
20
.
Dabei enthält die Kundenmeinung in jedem Fall
A)
eine Informationskomponente
und im Regelfall auch
B)
eine Bewertung und
C)
eine explizite/implizite Handlungsanregung.
15
Es sei erwähnt, dass u.U. auch nonverbale Kommunikation im Mundwerbungsprozess ein Rolle
spielen kann. Hierzu zählen u.a. Mimik, Gestik und die Körperhaltung. Vgl. zur nonverbalen
Kommunikation: KROEBER-RIEL/WEINBERG (1999), S.515ff
16
Vgl. ähnlich A
RNDT
, 1965, S. 3.
17
Vgl. ähnlich H
ELM
, 2000, S. 8.
18
Kundenartikulationen müssen nicht zwingend eine Meinung wiedergeben, so zum Beispiel bei
vorgebrachten Beschwerden über fehlerhafte Produkte.
19
H
ELM
, 2000, S. 7.
20
ebenda, S.9
5

2.2 Bedeutung von Kundenmeinungen
Die werbewirksame Bedeutung von Kundenmeinungen im Allgemeinen ist bereits
in einer Reihe von aktuellen Studien belegt:
· Eine TNS EMNID Studie fand heraus, dass für 33,2% der Befragten eine
Empfehlung von Freunden oder Bekannten ausschlaggebend für den Kauf
eines Produktes sei
21
.
· 50% der Kunden von langlebigen Produkten befragen vor dem Kauf eine Per-
son aus ihrem Umfeld zu ihrer Kaufentscheidung
22
· 85% der 1600 zu ihrer Kaufentscheidung befragten Konsumenten des Le-
bensmitteleinzelhandels gaben an, dass eine persönliche Empfehlung aus dem
Freundeskreis ausschlaggebend für den Erstkauf einer Produktinnovation ist.
23
· Eine Befragung in mehreren Staaten der USA über die Entscheidungsgrund-
lage der Wahl des selbst präferierten Kaufhauses ergab, dass für 41-48% der
Kunden ,,store ads" und sogar für 57-62% der Kunden mündliche Weiteremp-
fehlungen ausschlaggebend waren.
24
· 61,2% der Befragten antworteten im Zuge des ,,Kundenmonitor Deutsch-
land", dass sie die an der Studie teilnehmenden Branchen und Unternehmen
bestimmt oder wahrscheinlich weiterempfehlen würden. Lediglich 7% waren
dazu wahrscheinlich oder bestimmt nicht bereit.
25
Im Vorjahr antworteten
dementsprechend 76,2% bzw. 14,4% in der Studie des ,,Deutschen Kunden-
barometers".
26
· Im deutschen Mittelstand sind Weiterempfehlungen aktueller an potentielle
Kunden nach der ,,Reaktion auf Kundenanfragen" der wichtigste Faktor, um
Neukunden zu gewinnen.
27
· Die Studie ,,eCommerce Facts 2.0" untersuchte wie Nutzer von eCommerce-
Angeboten zu den Shops gefunden haben: Neben Bannerwerbung (29,3%),
Direkteingabe der URL bei Bekanntheit (28,9%) und Printmedien (28,2%)
waren vor allem Empfehlungen aus dem Bekannten- und Freundeskreis (25,5%)
ausschlaggebend für das Auffinden der Shop-Site
28
.
21
57,2% preisreduzierte Sonderangebote, 49,1% günstige Dauerpreise, nur 9,7% (!) Media-
Werbung
22
Vgl. M
UELLER
, 1958.
23
O
V, 1997, S. 145.
24
Vgl. R
ICH
, 1963.
25
M
EYER
/D
ORNBACH
, 1999, S. 24.
26
M
EYER
/D
ORNBACH
, 1998, S. 48.
27
O
V, 1998, S. 12.
28
Vgl. C
OM
C
ULT
R
ESEARCH
G
MB
H, 2000, S. 13.
6

· 70% der Community-Mitglieder der virtuellen Kundenmeinungsplattform doo-
yoo.de gaben an, bereits über die angebotenen Kundenmeinungen eine Kauf-
entscheidung getroffen zu haben.
29
Die beträchtliche Bedeutung von Kundenmeinungen gewinnt zusätzlich an Rele-
vanz durch die Feststellung, dass die klassische Werbung stetig an Wirksamkeit
verliert.
30
Gründe dieser Entwicklung sind vor allem in der zunehmenden Skepsis des Konsu-
menten gegenüber Informationen aus Werbung und weiteren Kommunikationsmaß-
nahmen zu sehen, aber auch in der massiven Informationsüberlastung
31
, welcher
der ,,moderne Mensch" in unserer informationsökonomisch geprägten Industriege-
sellschaft ausgesetzt ist.
32
Dieser Zustand der Reizüberflutung lässt vermuten, dass
die Konsumenten sich wieder stärker der gezielten, interpersonellen Kommuni-
kation zuwenden werden.
33
Darüber hinaus stehen sowohl die Anbieterleistungen von Unternehmen als auch
die Unternehmen selbst stärker im Rampenlicht öffentlicher Diskussion
34
, wo-
bei Defizite bezüglich Umweltschutz, sozialer Verantwortung oder Mängel in der
Leistungsqualität moniert werden.
Zur weiteren Begründung der ,,Durchschlagswirkung" von Kundenmeinungen nennt
KAAS die erhöhte Glaubwürdigkeit, die der Rezipient über die nicht-kommerziell
eingeschätzten Absichten des Kommunikators mit der Kundenmeinung verbindet.
Auch können sich innerhalb eines interaktiven Gespräches die sozialen Kontroll-
möglichkeiten des Kommunikators eher entfalten: Bestehen noch Fragen oder Un-
sicherheiten seitens des Rezipienten, so kann er ,,nachfassen" und ,,vollständige"
Überzeugungsarbeit leisten.
Der Rezipient kann also selektive und flexible Informationsaufnahme betreiben,
die über das Massenmedium TV-Werbung nicht möglich ist. Eingeschränkt wird
die Selektivität durch Höflichkeitskonventionen, die den Rezipienten nötigen auch
für ihn ,,unangenehme", dissonanzverstärkende Informationen ,,über sich ergehen
zu lassen"
35
.
29
Vgl.
DOOYOO
AG.
30
Vgl. K
ROEBER
-R
IEL
/W
EINBERG
, 1999, S. 615.
31
Informationsüberlastung meint insbesondere ,,...den Informationsüberschuß, der dadurch entsteht,
daß Information produziert und angeboten, aber nicht konsumiert wird...". Die Informationsüber-
lastung in Deutschland durch die 4 Leitmedien Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschrif-
ten wurde schon 1987 auf 98,1% geschätzt.
32
Vgl. als ,,information overload": ebenda, S.90
33
Vgl. H
ELM
, 2000.
34
Vgl. C
ARROLL
, 1989, S. 9ff..
35
Vgl. K
AAS
, 1973, S. 55ff.
7

ARNDT weist darauf hin, dass Mundwerbung ,,die so genannten selektiven Ver-
teidigungsmechanismen umgeht, welche die Rezipienten vor Kommunikations-
inhalten schützen sollen, die nicht ihre eigene Meinung und Interessen wiederge-
ben."
36
Darüber hinaus wären vor allem negative Inhalte von Kundenmeinungen - da nicht
über alternative Kanäle abfragbar - fast immer einzigartig, was den Wert dieser
Informationen für den Rezipienten enorm erhöhen würde
37
. Gleiches gilt für In-
formationen zu Produkt- oder Berufsgruppen, die lediglich eingeschränkte Werbe-
Erlaubnis für die Massenmedien TV, Radio etc. besitzen (z.B. Zigaretten,...).
HELM subsumiert die Determinanten der Wirksamkeit von Kundenmeinungen in
folgender Auflistung
38
:
Glaubwürdigkeit
Attraktivität des Kommunikationspartners
Homogenität / Ähnlichkeit der Gesprächspartner
soziale Kontrolle der Gesprächssituation
selektive Informationssuche
Umgehen des Filters der selektiven Informationsaufnahme
Feedback / Rückfragen / Ergänzungen
Unterstützung durch nonverbale Kommunikationsinhalte
keine rechtlichen Restriktionen / kein ,,Diffusionsverbot"
keine finanziellen Eigeninteressen des Kommunikators
großes Vertrauenspotential
36
Übersetzung des Verfassers: ,,bypass the so-called selective defense mechanisms which operate
to immunize the receivers from communications not in accord with their existing attitudes and
interests." A
RNDT
, 1965, S. 20.
37
ebenda
38
H
ELM
, 2000, S. 138.
8

2.3 Kunden(un)zufriedenheit als Initiator von
Mundwerbung
Kundenzufriedenheit soll in diesem Zusammenhang als die affektive Reaktion auf
das Ergebnis eines psychischen Vergleichsprozesses zwischen der wahrgenomme-
nen Produktrealität und den Erwartungen an dieses Produkt verstanden werden. Die
Erwartungen werden dabei moderiert durch die Ansprüche, Wünsche und Bedürf-
nisse des Kunden, die aufgenommenen Kommunikationsinhalte vom Anbieter so-
wie durch Mundwerbung. Die Erfahrungen werden zum einen durch bereits ge-
machte Erfahrungssituationen determiniert, zum anderen kann auch interpersonelle
Kommunikation Erfahrungswerte transferieren.
Abbildung 1 zeigt die Zusammenhänge bei der Entstehung von (Un-)Zufriedenheit
nach dem Modell des ,,Expectancy-Disconfirmation-Paradigm"
39
.
! "#$ %&'
(
)*
"+,-#
(
)*
.
! "' $+ -
%" ,-#
(
)*
Abbildung 1: Entstehung von (Un-)Zufriedenheit beim Kunden
Zu einem entscheidenden Faktor für die Erklärung von ,,word-of-mouth" wird das
Konstrukt der Kundenzufriedenheit aber nicht, weil Mundwerbung Leistungser-
wartung und -erfahrung mitbestimmen, sondern weil Kunden(un)zufriedenheit eine
hinreichende Bedingung (!) für die Artikulation gegenüber (potentieller) Kunden
ist.
39
Angelehnt an H
ELM
, 2000, S. 50.
9

Eine Studie des Kundenmonitor Deutschland
40
ergab den in Abbildung 2 darge-
stellten Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Weiterempfehlungsverhalten.
Die dunklen Balkenanteile stehen dabei für positive Mundwerbung, die hellen für
negative Mundwerbung.
Abbildung 2: Weiterempfehlungsverhalten von Kunden bezüglich eines Anbieters
in Abhängigkeit von der Zufriedenheit
Weitere Zusammenhänge offenbaren sich durch eine Einordnung der Kunden(un)zu-
friedenheit in das System psychographischer und ökonomischer Zielgrößen (Ab-
bildung 3). Während die Zufriedenheit eine Vorraussetzung für eine erfolgreiche
Kundenbindung im Sinne des Customer Relationship Marketing ist, definiert sie
weiterhin auch das Image und natürlich die Präferenz gegenüber einem gewissen
Produkt, was aus dem Kauf zum Wiederkauf führen kann. Auf die Zufriedenheit
selbst führen dagegen ökonomische Faktoren wie z.B. Preis (Kosten) oder Faktoren
des Produktes wie z.B. die Qualität zurück. Die gepunktete Linie entspricht hier der
Erhöhung der Bekanntheit durch Mundwerbung, die in der Kundenzufriedenheit ihr
zentrales Element hat.
Abbildung 3: Zusammenhänge der Kundenzufriedenheit im psychographischen
System mit ökonomischen Zielgrößen
40
Vgl. M
EYER
/D
ORNBACH
, 1999.
10

2.4 Verhaltenswissenschaftliche Konzepte
Um die Konstellation zu erläutern, in der (klassische) Mund-zu-Mund-Werbung ab-
läuft, diene das folgende schematische Modell
41
:
Abbildung 4: Konstellation der an Mundwerbung direkt/indirekt Beteiligter
Der Kommunikator der Kundenmeinung/-empfehlung wird hier neutral als ,,Sen-
der" gekennzeichnet, der mit dem Unternehmen/Dienstleister (,,Anbieter") in ei-
ner aktuellen oder vergangenen Geschäftsbeziehung steht/stand. Innerhalb der unter
Kapitel 3.1 definierten informellen Kommunikation gibt der ,,Sender" an den poten-
tiellen Kunden (,,Empfänger") Erfahrungsinhalte, seine Meinung und eventuell eine
explizite Kauf- / Nicht-Kauf - Empfehlung weiter. Dieser steht wiederum mit dem
,,Anbieter" nur dergestalt in Verbindung, als dass Interesse an einer Neukundenge-
winnung bzw. an einer optimalen Kaufentscheidung besteht.
Das Hauptaugenmerk liegt in Folge und zur Erklärung der verhaltenswissenschaft-
lichen Konzepte der Mundwerbung auf den Elementen des Modells, die an der tat-
sächlichen Informations-Transaktion beteiligt sind (Basis der Pyramide). Neben
dem Beziehungsstatus ,,persönliche Beziehung" sind auch die intra-personellen Ab-
läufe und Motivstrukturen ,,im Sender" und ,,im Empfänger" zu untersuchen.
41
Angelehnt an H
ELM
, 2000, S. 36.
11

2.4.1 Informationsökonomische Ansätze zu
Kundenmeinungen
Die näher zu untersuchende Transaktion zwischen ,,Sender" und ,,Empfänger" soll
zunächst einem ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkül unterzogen werden, wonach
nur dann Bereitschaft zu einer Informations-Transaktionsbeziehungen besteht, wenn
der damit verbundene Nutzen die hierdurch entstehenden Kosten übersteigt
42
.
Die einzelnen Kosten und Nutzen können
· dem Objekt der Transaktion,
· der Durchführung des Austausches selbst sowie
· den Folgewirkungen aus der Transaktion (Ausstrahlungseffekte)
zugeordnet werden. Im Fall der Transaktionsbeziehung zwischen Sender und Emp-
fänger ist das Objekt der Transaktion die Datenübertragung von subjektiv empfun-
denen Produktinformationen, Erfahrungen und Ratschlägen, die als nicht kommer-
ziell wahrgenommen werden. Der Wert und die Risiken dieser Transaktion liegen
aus Sicht des Empfängers vor allem in folgenden ,,Nutzen" und ,,Kosten":
Nutzen
Kosten
Informationen zum wenig oder
nicht bekannten Produkt / Dienst-
leistung
Unsicherheit über Qualität der In-
formationen
Verminderung
des
Fehlkauf-
Risikos
Einschränkung der Handlungs- /
Entscheidungsfreiheit durch sozia-
le Zwänge
besondere Glaubwürdigkeit der
Informationen
Verminderte Informationskosten
Gemäß ARNDT variiert der Nutzen, den der Empfänger aus der/den erhaltenen
Kundenmeinung(en) zieht mit den Prozessabschnitten innerhalb seines Entschei-
dungsprozesses
43
: Während der durchschnittliche kaufentscheidungssuchende Kun-
de in den frühen Phasen (Awareness) Informationen der unternehmerischen Mas-
senmedien bevorzugt, sind später (Evaluation) informelle Informationsquellen für
ihn ausschlaggebend
44
. HERRMANN und FÜRDERER weisen darauf hin, dass - je
42
Vgl. zu Nutzen-Kosten-Theorie P
LINKE
, 2000, S. 11ff.
43
zugrunde liegt der Kaufentscheidungsprozess nach ROGERS (1962):
1.Awareness, 2.Information, 3.Evaluation, (4a.Trial,) 4b.Adoption
44
Generell werden WERTENDE Informationen wichtiger, vgl. u.a. dazu A
RNDT
, 1965, S. 21.
12

näher der Zeitpunkt der Kaufentscheidung herangerückt sei und je stärker ein Prä-
ferenzenkonflikt vorliege - der Rezipient Kundenmeinungen als ausschlaggebende
Entscheidungshilfe heranziehen würde.
Andererseits können Kundenmeinungen auch in frühen Entscheidungsphasen das
Spektrum der Kenntnis über Produktalternativen vergrößern und dadurch den Pro-
zess der Entscheidungsfindung womöglich intensivieren
45
.
Der Sender hat folgende Kosten-Nutzen-Abschätzung vorzunehmen
46
:
Nutzen
Kosten
Altruistische Wohltat verbessert
Ansehen und Selbstbild
Aufwendungen in direkten Kosten
und Opportunitätskosten
kann seinen Expertenstatus aus-
kosten
soziale Folgekosten durch verär-
gerten Empfänger falls Kauf
Fehl-Kauf
eventuell Abbau von kognitiven
Dissonanzen möglich
eventuell wird seine Weiteremp-
fehlung
gratifiziert
(,,Kunden-
werben-Kunden",
Referenzma-
nagement)
Die Aufzählungen der Nutzen und Kosten sowohl aus Sicht des Empfängers als
auch aus Sicht des Senders legen eine Einschätzung einer Win-Win-Situation zwi-
schen den Interagierenden nahe. Tatsächlich aber werden alle Punkte durch Situati-
on, äußere Umstände und innere Motivationen moderiert und teilweise sogar außer
Kraft gesetzt.
Trotzdem kann der Vorgang der Abgabe und Rezeption von Kundenmeinungen ge-
nerell als wertschöpfend für die Konsumenten gesehen werden, da er bei verschwin-
dend geringen Kosten die konsumentenseitige Marktmacht über Marktübersicht und
Nachfragebündelung erhöht
47
.
Die auf Märkten verfügbaren Informationen sind asymmetrisch zwischen Anbie-
tern und Nachfragern verteilt, jeweils eine Partei verfügt auf Grund bestimmter,
relevanter Sachverhalte über einen Informationsvorsprung.
45
Vgl. H
ELM
, 2000, S. 135.
46
Direkte Kosten meint hier z.B. Fahrtkosten, Ausgaben für Kommunikationsmittel (z.B. Telefon),
negativer Nutzen durch psychischen und physischen Energieverbrauch
Opportunitätskosten meint hier z.B. die für die Informationsweitergabe benötigte Zeit.
47
Vgl. C
OLE
/G
ROMBALL
, 2000.
13

Diesem Informationsungleichgewicht kann jeder Nachfrager individuell durch sein
Informationsverhalten entgegenwirken
48
, dabei entstehen allerdings Informations-
kosten
49
.
Damit herrscht naturgemäß auch zwischen den Konsumenten kein gleicher und vor
allem ein unvollkommener Informationsstand vor, der für das Konstrukt der Mund-
werbung Erfahrungs-legitimierte Sender konstituiert und bezüglich gewisser Pro-
dukte Informations-interessierte Empfänger kennzeichnet.
Die Situation der schiefen Informationsverteilung zwischen Sender und Empfänger
kann auf die Theorie von Prinzipal und Agent
50
angewendet werden:
Der Empfänger als Prinzipal ist darauf angewiesen, dass die (nicht-vertragliche)
Vereinbarung -nämlich ihn nach bestem Wissen und Gewissen über das Objekt der
Mundwerbung zu informieren- vom Sender als Agenten eingehalten wird. Dabei
kann der Prinzipal ihn nicht (oder zumindest nicht kostenlos) davon abhalten, Maß-
nahmen zu ergreifen, die lediglich eigenen aber nicht den gemeinsamen Interes-
sen dienen. Vorstellbare Maßnahmen liegen hier in ,,hidden informations"
51
, die
aus verschwiegenen, verfälschten oder ,,hinzugedichteten" Informationen bestehen
könnten.
Motive für ein opportunistisches Verhalten des Agenten wären in diesem Fall z.B.
Entlohnung bei positiver Mundwerbung, Unachtsamkeit bei der Generierung des ei-
genen Informationsstandes oder auch eine Überhöhung seiner Reputation (,,Wich-
tigmachen"). Möglichkeiten für den Prinzipal diesem ,,moral hazard" auszuwei-
chen, liegen (kostenbelastet) in einer strengeren Auswahl seiner Mundwerbungs-
Agenten nach Verhaltensnormen (Auswahl-Kosten, Eingrenzung der Vielfalt), dem
stichprobenartigen Nachprüfen von Informationen (Kontroll-Kosten) oder dem (teil-
weisen) Verzicht auf Mundwerbung (Opportunitätskosten wegen Beliebtheit von
word-of-mouth).
Generell schränken aber Selbst-Kontrollmechanismen die Wahrscheinlichkeit ein,
mit welcher der Agent den Prinzipal defektieren (,,hereinlegen") würde: Zum einen
steht zumindest als Option die Kaufentscheidung für den Prinzipal an, der bei einem
,,provozierten" Fehlkauf dem Agenten sein Vertrauen entziehen kann.
52
Zum an-
deren greifen zumindest innerhalb von (Online-)Communitys strenge (moralische)
Gruppen-Vorstellungen
53
, welche das ,,moral hazard" verkleinern.
48
Z.B. Informationsstand durch ,,Screening" (Informationsbeschaffung) verbessern
49
siehe 46
50
Vgl. vertiefend z.B. ROSS (1973), WENGER/TERBERGER in WiSt (10/1988)
51
Vgl. vertiefend zu ,,hidden actions" und ,,hidden informations" ARROW (1985)
52
Hier wird im Rahmen der ,,persönlichen Beziehung" davon ausgegangen, dass dem Agenten etwas
an dem vertrauensvollen Verhältnis liegt und ein Verlust für ihn als soziale Folgekosten zu werten
wären!
53
siehe dazu ausführlicher Kapitel 4
14

Der Wert einer Information über ein Produkt kann anhand seiner Recherchierbarkeit
klassifiziert werden
54
:
Kann die Beurteilung einer zu spezifizierenden Leistungseigenschaft
vor dem Kauf erfolgen?
JA: Sucheigenschaft
WENN NICHT,...
... kann die Beurteilung zumindest
nach dem Kauf erfolgen?
JA: Erfahrungseigenschaft
NEIN: Vertrauenseigenschaft
,,Sucheigenschaften" sind dabei einfach vor dem Kauf zu eruierende Produktinfor-
mationen wie z.B. Preis, Abmessung oder Ausstattung. Für die Recherche dieser In-
formationen ist eine auf die Leistung / das Produkt bezogene Informationssuche nö-
tig, wenn nicht Informationssubstitute herangezogen werden. ,,Erfahrungseigen-
schaften" wie z.B. Verhalten des Unternehmens im Garantiefall lassen sich ledig-
lich über ein leistungsbezogenes Informationssubstitut (Preis-Niveau, Werbeausga-
ben, etc.) abschätzen. Schwieriger sind ,,Vertrauenseigenschaften" wie z.B. die
Reputation des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu bestimmen. Leistungsüber-
greifende Informationssubstitute wie Kundenmeinungen geben hier kostengünstige
Anhaltspunkte
55
. Diese Effizienz von Kundenmeinungen läßt HELM schlussfol-
gern, ,,[...] daß die Ausnutzung sozialer Kontakte für die Gewinnung kaufentschei-
dender Informationen mit weniger Kosten verbunden ist, als die Inspektion der re-
levanten Leistungseigenschaften vor Ort (beim Anbieter)."
56
Tabelle 2: Anwendbarkeit von Unsicherheits-Reduktionsstrategien
Eigenschaftsart:
leistungsbezogene
Informations-
suche:
leistungsbezogene
Informations-
substitute:
leistungs-
übergreifende
Informations-
substitute:
Vertrauens-
eigenschaft
Erfahrungs-
eigenschaft
Sucheigenschaft
z.B. bestimmbar
durch
Preis bestimmen,
Abgleich
mit
Preis-Niveau
Recherche durch
,,try and error"
Kundenmeinungen
54
Vgl. zu den Begriffen ,,Sucheigenschaft" und ,,Erfahrungseigenschaft": NELSON (1970),
zu ,,Erfahrungseigenschaft": ARBY/KARNI (1973)
55
siehe Tabelle 2, angelehnt an ADLER (1996), S. 135
56
H
ELM
, 2000, S. 209.
15

2.4.2 Soziologische Ansätze zu Kundenmeinungen
Meinungsführerkonzept
Seit der ,,Entdeckung" des Meinungsführers durch LAZARSFELD, BERELSON,
GAUDET
57
während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs von 1940
unterzogen die Marketing-, Kommunikations- und Media - Wissenschaften das theo-
retische Konzept einem ständigem Wandel.
Anfänglich wurde - gestützt durch verschiedene Studien in amerikanischen Klein-
städten - davon ausgegangen, dass z.B. eine Werbebotschaft über die Werbeträ-
ger der Massenmedien ausschließlich die Meinungsführer (,,opinion leader") in-
formiere und erst über sie die Meinungsfolger (,,opinion follower") erreichen
würde: Die Kommunikation vollziehe sich also nicht direkt (wie im rechten Teil
der Abbildung 5 dargestellt), sondern als Zwei-Stufen-Fluss der Kommunika-
tion.
Abbildung 5: Vergleich von Ein- bzw. Zwei-Stufen-Kommunikation
Nach traditionellem Verständnis sind Meinungsführer Personen, die den Transfer
zwischen Massenmedien (Anbietern) und End-Rezipienten (breite Masse der Kon-
sumenten) leisten
58
. Sie sind zumeist in einigen Bereichen
59
(z.B. Kraftfahrzeuge,
Werkzeugmaschinen und Motorsport) oder auch nur in einem bestimmten Bereich
60
(z.B. Mode, aber nicht Kosmetik) besonders einflussreich, weil sie gerade in dieser
Sparte intensiven Gebrauch von den verfügbaren Informationsquellen der Massen-
medien machen. Die poly- bzw. monomorphen ,,opinion leader" geben diese Infor-
mationen im Wege der direkten, persönlichen Kommunikation an andere weiter und
wirken so als Multiplikatoren, welche aufgrund ihres erhöhten Referenzpotentials
57
Ergebnisse veröffentlicht in: L
AZARFELD
/B
ERELSON
/G
AUDET
, 1944.
58
Vgl. T
ROMMSDORF
, 1988.
59
vgl. hierzu ,,polymorphic influence": Rovere-Study von R. K. MERTON
60
vgl. hierzu ,,monomorphic influence": ebenda
16

und der soliden Informationsbasis von anderen häufig befragt und um Rat in ihrem
Bereich fachlicher Kompetenz gebeten werden.
In einer Studie
61
zum Adoptionsverhalten wurden Ärzte darüber befragt, was sie
dazu veranlassen würde, ein neues Medikament zu verschreiben: Es offenbarten
sich Strukturen, die über die Two-Step-Flow Kommunikation hinaus gingen. Tat-
sächlich seien die Meinungsführer nicht nur auf die Massenmedien angewiesen,
sondern können sich auch bei anderen Meinungsführern informieren. In diesem Fall
entwickele sich der Two-Step-Flow zum Multi-Step-Flow.
Abbildung 6: Erweiterung des Modells zur Multi-Step-Flow-Kommunikation
In den 60er und 70er Jahren entwickelte sich das Konzept weg von der ,,Führer
Gefolgschaft" - Architektur: TRODAHL
62
beispielsweise differenziert (wertungs-
freier) zwischen ,,opinion givers" (Ratgebern), ,,,opinion askers" (Ratsuchenden)
und ,,silenters" (Inaktiven)
63
. Ferner entwickelte TRODAHL das Konzept des Zwei-
Stufen-Flusses der Kommunikation in das Zwei-Zyklen-Konzept weiter (siehe Ab-
bildung 7): Dabei erhält in einem einstufigen Kommunikationsprozess vom Rezi-
pienten bis zum Meinungsführer jedes Modellelement Informationen aus den Mas-
senmedien. Die Mehrstufige Kommunikation verläuft aber in zwei Zyklen, die über
den Meinungsführer gekoppelt sind. Dieser stockt seine Informationen bei Experten
auf, welche in diesem Fall über den Einfluss des Meinungsführers wiederum Ein-
fluss auf den Rezipienten nehmen. Der Rezipient wendet sich an den Meinungsfüh-
rer, um seine erfahrenen, kognitiven Inkonsistenzen abzumildern
64
.
61
Vgl. vertiefend Studie von COLEMAN/KATZ/MENZEL sowie von KATZ/MENZEL (1950)
62
Vgl. T
RODAHL
/D
AM
, 1965.
63
Die ,,Inaktiven" stellen eine Mehrheit (63% der Befragten). Sie besteht aus Personen, die in letzter
Zeit mit niemandem über die jeweils untersuchten Ereignisse gesprochen hatten.
64
siehe vertiefend zu ,,kognitiven Dissonanzen": Kapitel 2.4.3
17

Botschaft der
Massenkommunikation
MEINUNGSFÜHRER
Experten,
professionelle
Vermittler
Rezipienten
Einstufiger
Informationsfluss
Psychische
Inkonsistenzen,
Kontaktsuche
Informationsdefizit,
Kontaktsuche
Zweistufiger Informationsfluss
Einfluss
Einfluss
Abbildung 7: Erweiterung des Modells zur Zwei-Zyklen-Kommunikation
HUMMRICHS
65
Modell der Informationsaustauschbeziehungen konvertiert schließ-
lich die Ratgeber und -suchenden in ,,Informationsaustauscher", ,,abhängige Infor-
mationsgeber", ,,Informationssucher", ,,passive Informationsempfänger" und über-
nimmt die Inaktiven als ,,Sozial isolierte Konsumenten".
Dabei stellen die Informationsaustauscher eine Art kommunikative Elite, die gleich-
zeitig Informationen nachfragen und abgeben.
Mögliche Kombinationen an Austauschbeziehungen sind in Abbildung 8 nachskiz-
ziert, entscheidend ist aber vor allem der Aspekt, dass die Informationsaustauscher
in einer Ebene symmetrischer Austauschbeziehungen stehen, in der jeder jeden so-
wohl um Rat fragt als auch ihm diesen zu geben in der Lage ist. Zudem ist die-
ses ,,kommunikationsaktive Expertenpanel" hauptverantwortlich für die Weitergabe
von Informationen an die Vielzahl von abhängigen Informationsgebern.
Die größte Gruppe der Informationssucher bezieht bevorzugt allein aufgrund der
leichteren Erreichbarkeit ihre gewünschten Informationen bei den abhängigen In-
formationsgebern, nur selten werden Informationen direkt bei den Informationsaus-
tauschern erfragt. Die Informationstypen B und C kennzeichnet ein asymmetrisches
Kommunikationsverhalten, denn während B automatisch Informationen bezieht oh-
ne diese nachfragen zu müssen und diese dann ,,weiterleitet", fragt C vornehmlich
B (und teilweise auch A) um Rat, berät aber seinerseits niemanden.
65
Abbildung 8 in Anlehnung an Strukturbild bei H
UMMERICH
, 1976, S. 103.
18

Die passiven Informationsempfänger lassen sich durch Informationen der darge-
stellten Quellen versorgen, setzen aber selbst keinerlei kommunikative Aktivität in
Gang. Dagegen sind die sozial isolierten Konsumenten völlig auf sich allein gestellt,
wenn sie nicht ähnlich intensiv wie die Informationsaustauscher ihre Informations-
basis den Massenmedien entnehmen.
...
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Massenmedien
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...
E) Sozial isolierte Konsumenten:
Keinerlei Kommunikationsbeziehungen
D) Passive Informationsempfänger:
Informations"berieselung" durch A / B
C) Informationssucher:
Asym. Kommunikationsbeziehungen,
suchen Informationen bei A / B
B) Abhängige Informationsgeber:
Asym. Kommunikationsbeziehungen,
tragen Informationen von A weiter
A) Informationsaustauscher:
Sym. Austauschbeziehungen
von Informationen untereinander
Informations-
abgabe
Informations-
nachfrage
...
siehe
erste Reihe
B&C:
überwiegende
Informations-
typen
Abbildung 8: Strukturbild der Informationsaustauschbeziehungen
Die Bedeutung der Meinungsführerschaft(-Theorie) für die Wirkungsweise von Kun-
denmeinungen hängt von der Übertragbarkeit auf der einen und der Existenzberech-
tigung eines Meinungsführers auf der anderen Seite ab.
Wäre beides gegeben, so ließe sich die Theorie nahezu 1:1 auf die Wirkungsweise
von Kundenmeinungen anwenden, da Kommunikations- und vor allem Informati-
onsverhalten zentrale Elemente beider Konzepte sind.
19

Die Bedeutung einer Anwendung der Meinungsführerschaft auf die Mundwerbung
ist immanent: Gäbe es tatsächlich kommunikativ-überzeugendere ,,opinion leader"
und einstellungsinstabilere ,,opinion follower" oder eben wie neuere Konzepte be-
sagen kommunikativ aktivere bzw. passivere Konsumenten, dann würde dies drei
verstärkende Effekte zur Folge haben
66
:
Eigeneffekt:
grössere Interaktionsbereitschaft erhöht Erstkontaktwahrscheinlichkeit, redu-
ziert Mundwerbungs-Initiierungsbarrieren
Vermittlungseffekt:
höhere Informationsweitergabebereitschaft
meinungsbildender Multiplikator- oder Beeinflussungseffekt:
stärkere Einflussnahme, welche sich demnach effektiver multiplikativ und
nachhaltig fortpflanzt
Neuere wissenschaftliche Publikationen stehen dem Konzept der Meinungsführer-
schaft aber eher skeptisch gegenüber
67
. KUMPF merkt dazu an
68
: ,,Es kann kein
vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass interpersonelle Kommunikation Konsu-
mentscheidungen nachhaltig zu beeinflussen vermag und dass der Grad des wirksa-
men Einflusses zwischen Personen variiert; zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedoch
nicht zu erkennen, wie Anbieter am Konsumgütermarkt aus der Forschung zur Mei-
nungsführerschaft effiziente Verhaltenstechnologien ableiten könnten."
Ohne vorzugreifen zu wollen, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die
Theorie der Meinungsführerschaft aufgrund der veränderten Kommunikationsbe-
dingungen im Internet für das ,,electronic-word-of-mouth" nahezu vollständig an
Bedeutung verliert und folglich ausgeklammert werden kann (siehe Kapitel 3).
66
in Anlehnung an die Erklärungen zur Ausbreitung von Innovationen von SEGLER (o.J.): H
ELM
,
2000, S. 149.
67
Vgl. u.a.
TEACH
S
AM
, 2005.
68
K
UMPF
, 1983.
20
Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Kundenmeinungen im Internet
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1.3
Autor
Jahr
2005
Seiten
128
Katalognummer
V186099
ISBN (eBook)
9783869439198
ISBN (Buch)
9783867468619
Dateigröße
3297 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
internet_
Arbeit zitieren
Dipl.-Wi.Ing. Frank Schimansky (Autor:in), 2005, Kundenmeinungen im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186099

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