Direct-to-Consumer-Marketing - Entwicklungsstand und Chancen auf dem deutschen Pharmamarkt


Diplomarbeit, 2005

156 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


T
ECHNISCHE
U
NIVERSITÄT
B
RAUNSCHWEIG
Institut für Wirtschaftswissenschaften
Abteilung für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing
Direct-to-Consumer-Marketing
Entwicklungsstand und Chancen auf dem
deutschen Pharmamarkt
Diplomarbeit
im Studiengang
Wirtschaftsingenieurwesen
Studienrichtung Elektrotechnik
V
ERFASSER
:
Jörg Simon
Bearbeitungszeitraum: 6 Monate
Braunschweig, den 15.12.2005

D
IRECT
-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
I
I
NHALTSVERZEICHNIS
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
... V
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
...VI
1. M
OTIVATION UND
A
UFBAU DER
A
RBEIT
... 1
2. G
RUNDLAGEN
... 2
2.1 Das Arzneimittel als zu bewerbendes Produkt ...2
2.2 DTC ­ Eine Begriffsklärung...3
2.3 Einordnung von DTC in das Pharmamarketing...6
2.4 Ziele
von
DTC ...8
2.5 DTC als Strategie...10
3. I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC... 11
3.1 DTC in den USA ...11
3.1.1 Marktspezifische Rahmenbedingungen...11
3.1.1.1 Das Gesundheitssystem in den USA ...11
3.1.1.2 Der Pharmamarkt in den USA...12
3.1.2 Entwicklung von DTC-Werbung und
politisch-rechtliche Rahmenbedingungen ...13
3.1.2.1 Historische
Entwicklung...13
3.1.2.2 Formen von DTC-Werbung...16
3.1.2.3 Verstöße
gegen
DTC-Richtlinien ...17
3.1.2.4 Entwicklung der DTC-Werbeausgaben ...18
3.1.3 Entwicklungsstand
und
Ausblick ...20
3.2 DTC in Neuseeland...23
3.2.1 Staatliche Regulierung und industrielle Selbstkontrolle...23
3.2.2 DTC-Werbeausgaben ...24
3.2.3 Ausblick...25

D
IRECT
-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
II
4. DTC
IN
D
EUTSCHLAND
... 26
4.1 Rahmenbedingungen ...26
4.1.1 Der deutsche Pharmamarkt...26
4.1.1.1 Ökonomische Einordnung und
Entwicklung des Marktes ...26
4.1.1.2 Zulassung, Klassifizierung und
Preisbestimmung von Pharmazeutika...28
4.1.1.3 Marktstruktur ...30
4.1.1.4 Marktteilnehmer ...31
4.1.1.4.1 Die pharmazeutische Industrie
als Hersteller ...31
4.1.1.4.2 Krankenversicherer
als Leistungsfinanzierer ...32
4.1.1.4.3 Großhandel und Apotheken
als Absatzmittler ...34
4.1.1.4.4 Ärzte
als
Leistungserbringer...35
4.1.1.4.5 Patienten als Leistungsempfänger
und als Zielgruppe von DTC ...36
4.1.1.4.6 Der Staat als Regulator ...41
4.1.1.4.7 Weitere
Marktteilnehmer...42
4.1.1.5 Das
klassische
Produkte-Marketing ...43
4.1.1.6 Anforderungen an das künftige Pharmamarketing ...44
4.1.2 Rechtliche
Rahmenbedingungen ...46
4.1.2.1 Das
Heilmittelwerbegesetz ...47
4.1.2.1.1 Darstellung wichtiger Paragraphen...47
4.1.2.1.2 Konsequenzen...48
4.1.2.1.3 Letzte
Entwicklungen ...49
4.1.2.1.4 Überwachung der Vorschriften
und Vorgehen bei Verstößen ...50
4.1.2.2 Entwicklungen auf europäischer Ebene...52

D
IRECT
-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
III
4.2 Entwicklungsstand
und
DTC-Instrumente ...54
4.2.1 DTC-Ansätze
und
-Maßnahmen...55
4.2.1.1 Ansätze im Rahmen der Markenpolitik...55
4.2.1.2 Public
Relations ...56
4.2.1.3 Werbung ...58
4.2.1.4 Informations- und Servicematerialien ...60
4.2.1.5 Ansätze im Rahmen von
Patient
Relationship Management ...60
4.2.1.6 Informationsveranstaltungen und Seminare ...61
4.2.1.7 Ansätze im Rahmen von
Disease und Case Management ...62
4.2.1.8 Ansätze
im
Internet...63
4.2.1.9 DTC mittels Selbsthilfegruppen ...65
4.2.1.10 Direct-from-Consumer und Marktforschung...66
4.2.2 Integration
verschiedener Maßnahmen...67
4.2.3 Befragung von Pharmaunternehmen ...68
4.2.3.1 Zweck und Stichprobe der Untersuchung...68
4.2.3.2 Aufbau
des
Fragebogens...69
4.2.3.3 Ergebnisse der Befragung...70
4.2.3.4 Resümee...72
5. D
AS
F
ÜR UND
W
IDER VON
DTC ... 73
5.1 Auswirkungen auf die Patienten...74
5.2 Auswirkungen auf die Ärzte und das Arzt-Patienten-Verhältnis ...77
5.3 Auswirkungen auf das Gesundheitswesen...79
5.4 Vor- und Nachteile für die Pharmaindustrie...82

D
IRECT
-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
IV
6. E
MPFEHLUNGEN FÜR DIE
P
HARMAUNTERNEHMEN
... 84
6.1 Voraussetzungen
für
DTC ...85
6.1.1 Indikationsbezogene
Voraussetzungen...85
6.1.2 Markt- und produktbezogene Voraussetzungen ...85
6.1.3 Unternehmensbezogene
Voraussetzungen ...86
6.2 Anforderungen
an
DTC ...87
6.2.1 Anforderungen bei der Planung eines DTC-Konzeptes ...87
6.2.2 Anforderungen bei der Gestaltung
einzelner DTC-Maßnahmen ...88
6.2.3 Einbeziehung der Marktpartner ...89
6.2.4 Kontrolle der DTC-Maßnahmen ...90
7. F
AZIT UND
A
USBLICK
... 91
A
NHANG
... 93
Anhang A: Kennziffern bezüglich der Gesundheits- und
Arzneimittelausgaben ausgewählter Industrieländer...94
Anhang B: Beispiele für DTC-Anzeigen in den USA ...95
Anhang C: Gesetzestexte und Richtlinien...96
Anhang D: Ausdrucke von Internetseiten ...114
Anhand E: US-Studien hinsichtlich des von DTCA beeinflussten
Konsumentenverhaltens...117
Anhang F: Fragebogen mit Antworten ...119
L
ITERATURVERZEICHNIS
... 128

D
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-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AMG Arzneimittelgesetz
ASA
Advertising Standards Authority (Neuseeland)
BAH
Bundesverband der Arzneimittelhersteller
BPI
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
CGEY
Cap Gemini Ernst & Young
CRM Customer
Relationship Management
DFC Direct-from-Consumer
DM Disease
Management
DTC Direct-to-Consumer
DTCA Direct-to-Consumer-Advertising
DTP Direct-to-Patient
EDV Elektronische
Datenverarbeitung
EG Europäische
Gemeinschaft
EWG Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft
F&E
Forschung und Entwicklung
FDA
Food and Drug Administration (USA)
GKV Gesetzliche
Krankenversicherung
HWG Heilmittelwerbegesetz
IAC
Interim Advertising Council
INSEAD
Institut Européen d'Administration des Affaires
M&A
Merger- und Acquisition
OTC Over-the-Counter
PKV Private
Krankenversicherung
PR Public
Relations
PRM Patient
Relationship Management
ROI Return
on
Investment
Rx-Produkt Verschreibungspflichtiges Arzneimittel
TAAS
Therapeutic Advertising Advisory Service (Neuseeland)
TAPS
Therapeutic Advertising Pre-Vetting Service (Neuseeland)
VFA Verband
Forschender
Arzneimittelhersteller

D
IRECT
-
TO
-C
ONSUMER
-M
ARKETING
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
C
HANCEN AUF DEM DEUTSCHEN
P
HARMAMARKT
VI
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Einordnung von DTC in die Pharmakommunikation
und Darstellung der Zielgruppen ...8
Abb. 2: Werbeausgabenentwicklung für ethische Arzneimittel in den USA ...19
Abb. 3: Gesundheitsausgabenentwicklung und -verteilung in Deutschland ...27
Abb. 4: Beispiele für DTC-Werbung...58
Abb. 5: Umgesetzte und geplante DTC-Maßnahmen und ihre Wirksamkeit...71
Abb. 6: Chancen und Risiken von DTC ...83
Abb. 7: Argumente für die Notwendigkeit von DTC ...84
Abb. 8: Voraussetzungen und Anforderungen des DTC-Marketing ...90
Abb. 9: Disease-Education Advertisement...95
Abb. 10: Reminder Advertisement ...95
Abb. 11: Brand-Specific Advertisement...95
Abb. 12: Internetseite Medworld...114
Abb. 13: Gesundheitsportal netdoktor.de mit Bannerwerbung für eine
Indikationswebsite der Organon GmbH ...115
Abb. 14: Indikationswebsite www.luft-zum-leben.de...116

K
APITEL
1.
M
OTIVATION UND
A
UFBAU DER
A
RBEIT
1
1.
M
OTIVATION UND
A
UFBAU DER
A
RBEIT
In unserer heutigen Gesellschaft, in welcher die individuelle Lebensgestaltung
sehr ausgeprägt ist und das Gesundheitsbewusstsein der Menschen zunimmt,
überträgt sich der Wunsch nach Selbstbestimmung auch auf den medizinischen
Bereich. Patienten
1
informieren sich eigenständig über Arzneimittel und vertrauen
bei deren Verschreibung nicht mehr allein den Ärzten. Aufgrund dieser zuneh-
menden Emanzipation der Endverbraucher gewinnt die direkte Patientenansprache
im Allgemeinen und somit im verschreibungspflichtigen Sektor das Direct-to-
Consumer (DTC)-Marketing immer mehr an Bedeutung. Die pharmazeutische
Industrie in den USA investierte im Jahr 2004 bereits 4,1 Mrd. US$ in DTC-
Werbemaßnahmen.
2
Damit ist der Bereich ,DTC` in den USA ein bedeutender
Faktor beim Absatz rezeptpflichtiger Medikamente. Gerade angesichts der Fra-
gen, ob die Effizienz des Außendienstes hinsichtlich der Ärzteansprache noch
gewährleistet ist und die Mediziner weiterhin als die hauptsächlichen Meinungs-
bildner fungieren, bietet DTC den Pharmaunternehmen die Chance, bisherige
Marketingkonzepte neu zu gestalten.
In der pharmazeutischen Industrie in Deutschland ist zurzeit ein abwartendes
Verhalten bezüglich einer konsequenten und umfassenden Patientenansprache zu
beobachten. Ein Grund dafür ist im Verbot von Werbemaßnahmen für verschrei-
bungspflichtige Medikamente laut der europäischen Direktive 92/28/EWG vom
31. März 1992 zu sehen. Darüber hinaus herrscht kein Konsens über die Wirk-
samkeit von DTC-Instrumenten und kritische Anmerkungen seitens der Politik
oder u.a. von Verbraucherschutzorganisationen gegenüber dem DTC-Marketing
erschweren das Vorgehen. Aufgrund dieser Uneinigkeit und Unsicherheit ist es
sinnvoll, den Entwicklungsstand und die möglichen Ansätze von DTC zu be-
schreiben sowie die Chancen und Risiken der direkten Patientenansprache für die
Marktteilnehmer aufzuzeigen. Für die deutschen Pharmaunternehmen stellt das
DTC-Marketing gegenüber der Vermarktung von rezeptfreien Arzneimitteln
relatives Neuland dar. Ihnen sollen daher Empfehlungen bezüglich des DTC-
Konzeptes gegeben werden.
1
Für die bessere Lesbarkeit wird im gesamten Text auf die weibliche Form verzichtet, sie gilt
jedoch entsprechend.
2
Vgl. Arnold, M. (2005a), S. 34; o.V. (2005b), S. 10 und West, D. (2005), S. 154.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
2
Kapitel 2 stellt zunächst das Arzneimittel als ein Produkt mit besonderen Eigen-
schaften vor. Nach einer folgenden Begriffsklärung und der Einordnung von DTC
in das Pharmamarketing werden Ziele des DTC-Konzeptes genannt und begrün-
det, warum DTC als Strategie aufgefasst werden kann. Da die Erfahrungen von
DTC in anderen Staaten bei der Konzeption von DTC-Maßnahmen für den deut-
schen Markt berücksichtigt werden sollten, wird in Kapitel 3 die internationale
Entwicklung, besonders von DTC-Werbung als ein Bereich des Direct-to-
Consumer-Marketing, dargestellt. In Kapitel 4 werden zunächst der deutsche
Pharmamarkt sowie die Markteilnehmer und deren Einstellungen charakterisiert.
Aufbauend auf diesen und den rechtlichen Rahmenbedingungen werden die in
Deutschland möglichen DTC-Instrumente beschrieben und die Ergebnisse der im
Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Befragung von Vertretern der Pharmabran-
che sollen helfen, den Entwicklungsstand von DTC zu deuten. In Kapitel 5 wer-
den Auswirkungen sowie Vor- und Nachteile von DTC wiedergegeben und Kapi-
tel 6 beinhaltet Empfehlungen für die Pharmaunternehmen, welche DTC-
Maßnahmen implementieren wollen oder bereits umsetzen. Diese beiden Kapitel
greifen wichtige Punkte, die in der Arbeit zuvor angesprochen werden, zur Ver-
deutlichung auf und präsentieren weitere Argumente und Ratschläge.
2.
G
RUNDLAGEN
2.1
D
AS
A
RZNEIMITTEL ALS ZU BEWERBENDES
P
RODUKT
Arzneimittel dienen dem Erreichen oder Aufrechterhalten der Gesundheit. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Gesundheit nicht nur als die
Absenz von Krankheit und Gebrechen, sondern als einen Zustand des vollkom-
menen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.
3
Die Gesundheit ist
als ein Bestandteil des Humankapitals einer Volkswirtschaft zu sehen.
4
Ein höhe-
res Gesundheitsniveau einer Bevölkerung beeinflusst nicht nur das Wohlbefinden
jener, sondern wirkt sich auch positiv auf Beschäftigung, Nachfrage und das
Bruttosozialprodukt eines Staates aus.
5
Dem Wirtschaftsfaktor und Grundbedürf-
nis ,Gesundheit` können verschiedene Gesundheitsgüter und -dienstleistungen
3
Vgl. WHO (1994).
4
Vgl. Gäfgen, G. (1990), S.13.
5
Vgl. Sachverständigenrat für Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (1998), S. 27.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
3
dienen. Diese Güter und Dienstleistungen haben prioritären bzw. lebenswichtigen
Charakter.
6
Damit nimmt das Arzneimittel als ein Gesundheitsgut eine besondere
Stellung im Vergleich zu generellen Konsumgütern ein. Während unzureichende
Produkte auf den allgemeinen Konsumgütermärkten vorwiegend kein moralisches
Problem darstellen, werden an Pharmazeutika sehr hohe ethische Anforderungen
gestellt. Somit stehen bei Arzneimitteln die Güte der Produkte sowie Effektivität
und Verträglichkeit zum Schutz der Verbraucher an oberster Stelle.
7
In dieser Arbeit werden Begriffe wie Arzneimittel, Medikamente, Pharmazeutika
oder pharmazeutische Präparate synonym verwendet. Die verschreibungspflichti-
gen Präparate werden auch als ethische Medikamente oder als Rx-Produkte
8
bezeichnet. Diesen Medikamenten stehen die Over-The-Counter (OTC)-Produkte
gegenüber, welche die rezeptfreien
9
Arzneimittel darstellen.
10
Die Unterteilung
zwischen Rx- und OTC-Produkten ist für die Arzneimittelsicherheit von erhebli-
cher Bedeutung. Rezeptfreie Medikamente dienen im Gegensatz zu ethischen
Arzneimitteln der Therapie von Krankheiten, die leicht selbst diagnostiziert und in
Eigenverantwortung behandelt werden können. Dementsprechend wird auch von
der Möglichkeit der Selbstmedikation gesprochen. Überdies werden weniger
Informationen zur adäquaten Behandlung benötigt und das jeweilige Präparat hat
während langjähriger Erfahrungen gezeigt, dass es ein geringes Risiko aufweist.
Hingegen bergen ethische Medikamente ein höheres Gefahrenpotenzial, so dass
eine Verschreibung auf der Basis der professionellen Einschätzung eines Arztes
unentbehrlich ist. Zudem verlangen verschreibungspflichtige Arzneimittel nach
umfangreichen Informationen zur Behandlung und Einnahme.
11
2.2
DTC
­
E
INE
B
EGRIFFSKLÄRUNG
Direct-to-Consumer-Marketing ist ein Konzept, das die direkte Kommunikation
zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und den Patienten als Endverbrau-
cher zum Ausdruck bringt. Wie fast einheitlich von den Autoren verwendet, soll
sich das DTC-Marketing in dieser Arbeit ausschließlich auf den verschreibungs-
6
Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 18.
7
Vgl. Limmroth, V. (2002), S. 226ff.
8
,Rx` ist eine Abkürzung des lateinischen Wortes ,recipere` (aufnehmen), vgl. Straight Dope
(1999).
9
,Rezeptfrei` meint ,nicht-rezeptpflichtig` bzw. ,nicht-verschreibungspflichtig`.
10
Vgl. Crisand, M. (1996), S.14.
11
Vgl. Smith, M. (2002b), S. 282f.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
4
pflichtigen Bereich beziehen. Ferner findet der Begriff ,Direct-to-Consumer`
außerhalb des Gebietes des Pharmamarketing selten Verwendung.
In der Literatur sind verschiedene konkrete Auffassungen des Direct-to-
Consumer-Marketing zu finden. Dabei reicht das Verständnis von der Herausgabe
von Patienten-Broschüren über aufwendige Werbekampagnen bis hin zur zielge-
richteten Strategie.
12
Es herrscht Uneinigkeit bei der Verwendung verschiedener
Begriffe wie DTC-Marketing, DTC-Kommunikation, DTC-Management, DTC-
Branding und DTC-Advertsing bzw. DTC-Werbung. Meist wird nur die Wendung
,Direct-to-Consumer` oder kurz DTC genutzt. Daher müssen, bevor ein einheitli-
ches Begriffsverständnis dieser Arbeit zu Grunde gelegt werden kann, verschie-
dene Interpretationen von DTC herangezogen werden.
Gerade in der englischsprachigen Literatur werden die Begriffe DTC und DTC-
Advertising (DTCA) oft synonym verwendet. Bei dieser Sichtweise bezieht sich
DTC oder DTCA auf die Werbung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln,
die sich unmittelbar an die Verbraucher richtet. Hierbei kommen Massenmedien
wie Fernsehen und Zeitschriften als auch personalisierte Medien wie die ,Direct
Mail` zur Verwendung.
13
Auch in Deutschland wird DTC teilweise nur als DTC-
Werbung verstanden,
14
aber oft werden darüber hinaus Public Relations (PR)-
Maßnahmen zu DTC gerechnet.
15
Es wird andererseits bemängelt, dass in
Deutschland der Begriff DTC häufig rein auf PR-Ansätze reduziert wird.
16
Diese
Reduzierung kann mit dem EU-Verbot einer produktspezifischen DTC-
Werbung,
17
wie sie in den USA oder Neuseeland praktiziert wird, begründet
werden. Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU und in Deutschland
sind aber auch andere Kommunikationsformen zur Konsumenten-Ansprache wie
Patienten-Veranstaltungen oder Internet-Maßnahmen besonders wichtig.
18
Dar-
über hinaus wird DTC als andauernder Dialog mit Patienten
19
oder als
Relationship-Marketing mit den Konsumenten von Arzneimitteln
20
verstanden.
12
Vgl. Hardt, B./Müller, M./Schüler, P. (2002), S. 73.
13
Vgl. Eagle, L. (2001), S. 6.
14
Vgl. Stegmaier, P. (2003), S. 6ff.
15
Vgl. Schumacher, C./Stegmaier, P. (2005), S. 218.
16
Vgl. Schmittgall, F./Krenz, W./Besse, D. (2005), S.349.
17
Vgl. Abschnitt 4.1.2.
18
Vgl. Patzer, M. (2003), S. 48.
19
Vgl. o.V. (2005a), S. 9.
20
Vgl. Lonsert, M. (1995), S. 339f.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
5
Noch weiter geht eine andere Begriffsdefinition: Neben den Kommunikations-
formen könne auch die Distributionsfunktion zu DTC gezählt werden. Als Bei-
spiel wäre der Verkauf von Arzneimitteln im Internet zu nennen.
21
Da letztere
Auffassung sonst in der Literatur kaum verbreitet ist und der rezeptfreie Verkauf
von ethischen Medikamenten an Patienten in Deutschland untersagt ist, beinhaltet
DTC bzw. DTC-Marketing in dieser Arbeit alle an die Endverbraucher
unmittelbar gerichteten Kommunikationsformen, einschließlich jene innerhalb des
Relationship-Marketing. Damit bezieht sich der Begriff ,DTC-Marketing` nicht
auf die Produkt-, Preis- oder Distributionspolitik und DTC, DTC-Marketing sowie
DTC-Kommunikation haben eine sinngleiche Bedeutung. Zudem soll die DTC-
Werbung nur als eine Form der direkten Patientenansprache verstanden werden.
Unmittelbare Kommunikation bedeutet, dass die Interaktion mit den Patienten
ohne fachkundige Mittler erfolgt, d.h. es sollen im Rahmen von DTC niedergelas-
sene Ärzte, Apotheker oder Organisationen wie Kliniken und Krankenkassen
keine Mittlerfunktion
22
hinsichtlich der inhaltlichen Informationsübertragung
übernehmen. Hingegen können die Pharmaunternehmen mit diesen Personen oder
Einrichtungen kooperieren und somit z.B. Patientenkontakte generieren oder
DTC-Informationsmaterialien an die Patienten, ohne Informationsverfälschungen,
weiterreichen lassen.
23
Zu der Zielgruppe von DTC sollen, neben den Patienten und potentiellen Konsu-
menten von Arzneimitteln, auch Familienangehörige und Bekannte als nicht
fachkundige Meinungsbildner gezählt werden. Ebenso können Patienten im
Rahmen von Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden angesprochen werden.
24
In diesem Zusammenhang muss der Begriff ,Direct-to-Patient` (DTP) erläutert
werden. DTP kann in den Bereich Direct-to-Consumer eingeordnet werden, da
DTP die Bereitstellung von Informationen und Serviceleistungen für Patienten
beinhaltet, die bereits ein bestimmtes verschreibungspflichtiges Medikament
einnehmen,
25
hingegen zielt DTC außerdem auf potentielle Konsumenten. Weil in
der Literatur die Begriffe DTP und DTC oft synonyme Verwendung finden und
21
Vgl. Burkard, I. (2002), S. 275.
22
Vgl. Hohensohn, H. (1998), S. 130.
23
Vgl. Abschnitt 4.2.1.4 und 4.2.2.
24
Vgl. Abschnitt 4.2.1.9.
25
Vgl. Whisenant, B. (2004), S. 121 und Roner, L. (2005).

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
6
die Abgrenzung zwischen potentiellen Konsumenten und Patienten häufig schwie-
rig fällt, wird im Folgenden nur von DTC gesprochen.
Zusammenfassend bezieht sich in dieser Arbeit DTC bzw. DTC-Marketing auf
alle an die Endverbraucher von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gerichte-
ten Kommunikationsformen.
2.3
E
INORDNUNG VON
DTC
IN DAS
P
HARMAMARKETING
In der Literatur wird der Begriff ,Pharmamarketing` (bzw. ,pharmazeutisches
Marketing`), welcher sich auf das Marketing seitens der Arzneimittelhersteller
bezieht, unterschiedlich definiert. Die Mehrzahl der Definitionen berücksichtigt
allerdings nicht die Interessen, Verhaltensweisen und Beziehungen aller Markt-
teilnehmer.
26
Wolff beispielsweise deutet das Pharmamarketing als den Vertrieb
von Arzneimitteln zur Problemlösung bei Krankheiten und stellt die Ärzte als
alleinige Zielgruppe dar.
27
Friesewinkel spricht ausschließlich über die Vermark-
tung von ethischen Pharmazeutika.
28
Als Ansatz für die Einordnung von DTC soll
folgende Einteilung des Pharmamarketing in drei Bereiche laut Gehrig dienen:
29
· Der Mix des klassischen Produkte-Marketing, der sich auf die Interaktion
mit Ärzten, Apotheken und Kliniken bezieht.
· Die Mittel des Public Marketing, die auf die allgemeine Umwelt des Un-
ternehmens Einfluss ausüben. Diese Mittel erzeugen Glaubwürdigkeit und
präsentieren die gesellschaftliche Kompetenz und Verantwortung des Un-
ternehmens.
· Das Arsenal des politischen Marketing, welches dem Dialog mit Regie-
rungsstellen, Preisbehörden und den Krankenkassen zu Grunde liegt. Hier
spielen u.a. die Arzneimittelzulassung, die Erstattungsfähigkeit und die
Preisfestsetzung eine Rolle.
Zu den Zielgruppen der Pharmakommunikation als ein Bereich des pharmazeuti-
schen Marketing gehören Ärzte, Apotheker und Apothekenmitarbeiter, das Kran-
kenhauspersonal sowie Vertreter der Krankenkassen, der Politik und der Medien
als auch Konsumenten, deren Angehörige oder Bekannte und Patientenorganisati-
26
Vgl. Uhlmann, B. (1989), S. 7ff.
27
Vgl. Wolff, M. (1987), S. 40f.
28
Vgl. Friesewinkel, H. (1987), S. 10.
29
Vgl. Gehrig, W. (1992), S. 56.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
7
onen.
30
Die DTC-Zielgruppe ist in der Einteilung des Pharmamarketing von
Gehrig zu wenig berücksichtigt, weil sich die Patienten bzw. Konsumenten immer
mehr zu zentralen Zielpersonen im pharmazeutischen Marketing entwickeln.
31
Daher sollten die Konsumenten von Pharmazeutika nicht nur zur allgemeinen
Umwelt gerechnet werden, auf welche das Public Marketing zielt, sondern auch
eine Zielgruppe des Produkte-Marketing darstellen.
Ferner muss die Pharmakommunikation hinsichtlich nicht-
verschreibungspflichtiger und ethischer Medikamente unterschieden werden.
Diese Arbeit befasst sich, wie schon erwähnt, primär mit den verschreibungs-
pflichtigen Arzneimitteln, welche durch die ethischen Besonderheiten
32
und die
rechtlichen Rahmenbedingungen
33
einen unterschiedlichen Kommunikationsan-
satz im Vergleich zu OTC-Produkten erfordern. Rezeptfreie Pharmazeutika kön-
nen nahezu wie gewöhnliche Konsumgüter vermarktet werden
34
und daher wird
die ,OTC-Kommunkation` nicht näher betrachtet. In Abbildung 1 sind die be-
schriebenen Zusammenhänge graphisch dargestellt, wobei hier nur der kommuni-
kationspolitische Bereich des ethischen Pharmamarketing wiedergegeben ist.
Des Weiteren ist es sinnvoll, DTC aufgrund der begrifflichen Ähnlichkeit vom
Direct Marketing abzugrenzen. Nach Dallmer umfasst das Direct Marketing alle
direkten bzw. einstufigen Kommunikations- und Distributions-Maßnahmen, um
Zielgruppen in individueller gezielter Einzelansprache zu erreichen. Darüber
hinaus gehören zum Direct Marketing jene mehrstufigen Kommunikations-
Aktivitäten wie die Massenmedien, die einen direkten individuellen Kontakt zum
Empfänger aufgrund gebotener Response-Möglichkeiten, z.B. durch die Erwäh-
nung einer Adresse oder Telefonnummer, herstellen können.
35
Damit meint
,direct` im Sinne von Direct Marketing die individuelle bzw. persönliche gezielte
Einzelansprache, hingegen beschreibt das ,direct` in Direct-to-Consumer-
Marketing die unmittelbare Patienten- bzw. Konsumentenansprache ohne eine
Mittlerfunktion seitens fachkundiger Personen und Organisationen.
36
Somit kann
30
Vgl. Smith, M. (2002a), S. 315 und Schumacher, C./Stegmaier, P. (2005), S. 219ff.
31
Vgl. Ryf, B./Sattlegger, C. (2001), S. 114.
32
Vgl. Abschnitt 2.1.
33
Vgl. Abschnitt 4.1.2.
34
Vgl. Blackett, T. (2001), S. 12.
35
Vgl. Dallmer, H. (2002), S. 7ff.
36
Vgl. Abschnitt 2.2.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
8
DTC sowohl Medien des Direct Marketing als auch Massenmedien (mit und ohne
Response-Möglichkeit) nutzen. Überdies soll sich DTC, wie bereits angeführt,
ausschließlich auf Kommunikations-Aktivitäten und nicht auf Distributions-
Maßnahmen beziehen.
Abb. 1: Einordnung von DTC in die Pharmakommunikation und
Darstellung der Zielgruppen
37
Pharmakommunikation bezüglich ethischer Arzneimittel
als Bereich des Pharmamarketing des Pharmaunternehmens
Produkte-Marketing
Politisches Marketing
Public Marketing
Klassisches
Produkte-
Marketing
Regierungsstellen,
Krankenkassen,
...
Zielgruppen
Ärzte,
Apotheker,
...
Konsumenten
von
ethischen
Arzneimitteln
DTC
Allg. Öffentlichkeit
incl. Mittlerfunktion
(incl. Mittlerfunktion)
incl. Mittlerfunktion
2.4
Z
IELE VON
DTC
Ziele von DTC stimmen teilweise mit pharmarelevanten Marketing- bzw. Kom-
munikationszielen überein oder können als Zwischen- oder Unterziele den Marke-
ting-Oberzielen dienen. Kommunikationspolitische Ziele pharmazeutischer Un-
ternehmen können ökonomischer und außerökonomischer Natur sein.
38
Damit
unterscheidet sich die Pharmaindustrie nicht wesentlich von anderen Branchen in
diesem Punkt.
39
Zu den ökonomischen Zielen können z.B. eine Gewinnsteigerung
oder eine Erhöhung des Marktanteils gerechnet werden. Außerökonomische Ziele
können beispielsweise die Änderung von Einstellungen zu bestimmten Therapie-
37
Eigene Darstellung unter Verwendung von Gehrig, W. (1992), S. 56f.
38
Vgl. Thiess, M. (1988), S. 425 und Hohensohn, H. (1998), S. 151.
39
Vgl. Thiess, M. (1988), S. 425.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
9
formen oder die Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Medikaments sein.
40
Hierunter fallen auch soziale bzw. gesellschaftliche Ziele wie z.B. die Gesund-
heitserziehung und -vorsorge. Die außerökonomischen Ziele können allerdings als
Voraussetzung für ökonomische Ziele angesehen werden.
41
Bezüglich der Patientenansprache beinhaltet für Schmittgall, Krenz und Besse der
ganzheitliche DTC-Kommunikationsansatz folgende drei Hauptziele:
42
· Steigerung des Bewusstseins für ausgewählte Krankheiten,
· Verbesserung des Arzt-Patienten-Gespräches in Hinblick auf eine frühzei-
tige Diagnose und Aufnahme einer angemessenen Therapie sowie
· Förderung der Compliance
43
.
Diese drei Ziele haben sozialen bzw. gesellschaftlichen Charakter, können aber
der Erreichung von ökonomischen Zielen dienen. Lonsert sieht im Wesentlichen
drei andere, mehr unternehmensbezogene Ziele, die das DTC-Marketing ver-
folgt:
44
· Konsequente Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen der Pa-
tienten,
· Marktforschungs-Möglichkeiten dank der direkten Interaktion mit Kon-
sumenten und
· Dauerhafte Kunden- bzw. Markenbindung.
Insgesamt vernachlässigen die angeführten Autoren bei ihren Aufzählungen die
ökonomischen Ziele von Pharmaunternehmen. Daher muss an dieser Stelle hinzu-
gefügt werden, dass z.B. die Steigerung des Umsatzes ein wichtiges und aus
allgemeiner betriebswirtschaftlicher Sicht ein übergeordnetes Ziel der DTC-
Kommunikation darstellt.
Anzumerken ist, dass im Rahmen einer DTC-Kampagne neben den erwähnten
Zielen messbare taktische und operative Unterziele definiert werden sollten. Dazu
zählen zum Beispiel die erwartete Anzahl an Arztbesuchen seitens der Patienten
40
Vgl. Becker, W. (2000), S. 27.
41
Vgl. Hohensohn, H. (1998), S. 144ff.
42
Vgl. Schmittgall, F./Krenz, W./Besse, D. (2005), S. 350.
43
Compliance: ,,Bezeichnet die Therapietreue eines Patienten, d.h. richtige Einnahme der Medika-
tion [und] Einhaltung begleitender Maßnahmen"; Burkard, I. (2002), S. 274.
44
Vgl. Lonsert, M. (1995), S. 339f.

K
APITEL
2.
G
RUNDLAGEN
10
und die daraus resultierende Rezeptanzahl. Ein anderes Ziel wäre: Generierung
einer bestimmten Anzahl x an Hotline-Anrufern im Jahr 2006 inklusive der Auf-
nahme von relevanten Daten einer bestimmten Anzahl y an Patienten in eine
Datenbank für weitere Kommunikationsmaßnahmen.
45
2.5
DTC
ALS
S
TRATEGIE
Im Folgenden wird begründet, warum ein umfassendes DTC-Konzept als Strate-
gie aufgefasst werden sollte. Marketing-Strategien dienen dem Erreichen von
übergeordneten Zielen, decken zumindest einen Maßnahmenbereich ab und haben
mittel- bis langfristigen Charakter.
46
DTC kann diese Strategie-Merkmale erfül-
len. Wie bereits beschrieben, werden durch DTC Marketingziele wie Umsatzstei-
gerung und Markenbindung erreicht. Hierzu kann sich DTC aller gesetzlich
erlaubten Maßnahmen aus dem Bereich der Kommunikationspolitik bedienen.
Wenn sich ein Pharmaunternehmen für ein DTC-Konzept entscheidet und damit
die Patientenorientierung an Bedeutung gewinnt, wird eine grundlegende Ent-
scheidung für die nahe und ferne Zukunft getroffen. Es wird deutlicht, dass eine
DTC-Strategie z. B. mit dem Ziel der dauerhaften Kundenbindung mittel- bis
langfristigen Charakter aufweist. DTC-Maßnahmen müssen strategisch klug
geplant werden,
47
wobei das DTC-Konzept bereits bei der Produktentwicklung
und Markteinführung berücksichtigt werden sollte.
48
Nach Hardt, Müller und
Schüler sollte sogar ,,erst dann von DTC gesprochen werden [...], wenn sich alle
darunter fallenden [...] Maßnahmen in eine zielgerichtete Strategie fügen"
49
.
Des Weiteren kann der DTC-Gedanke mit Hilfe des Patient Relationship
Management (PRM), eine Form des Customer Relationship Management (CRM),
umgesetzt werden
50
oder DTC selbst wird als PRM verstanden.
51
Da das CRM-
Konzept als kundenorientierte Strategie aufgefasst wird,
52
sollte DTC ebenfalls als
Strategie verstanden werden, in diesem Falle als patientenorientierte Strategie.
45
Vgl. Patzer, M. (2004), S. 137.
46
Vgl. Fritz, W./Oelsnitz, D. von der (2001), S. 98.
47
Vgl. Liedler, A. (2003), S. 44.
48
Vgl. Benson, R. (2001), S. 100.
49
Hardt, B./Müller, M./Schüler, P. (2002), S. 73.
50
Vgl. Abschnitt 4.2.1.5.
51
Vgl. Schumacher, C. (2004), S. 17.
52
Vgl. Röthele, S. (2003), S. 2.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
11
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
Die USA und Neuseeland sind die einzigen Länder, in denen DTC-Werbung
erlaubt ist, die den Produktnamen eines ethischen Medikaments erwähnt.
53
Als
Folge dessen ist in diesen Ländern gerade das DTC-Advertising stark ausgeprägt.
Weil es in Deutschland aus rechtlichen Gründen noch keine Erfahrungen bezüg-
lich produktspezifischer DTC-Werbung gibt, ist die internationale Entwicklung
von DTCA besonders von Interesse. Da in den USA ein weitaus größerer Phar-
mamarkt im Vergleich zu Neuseeland existiert und dementsprechend DTC in
einem beträchtlicheren Ausmaß realisiert wird, erfährt der Abschnitt ,DTC in den
USA` eine größere Beachtung in dieser Arbeit. Diesbezüglich müssen ebenso
wichtige Rahmenbedingungen von DTC erläutert werden.
3.1
DTC
IN DEN
USA
3.1.1
M
ARKTSPEZIFISCHE
R
AHMENBEDINGUNGEN
3.1.1.1
Das Gesundheitssystem in den USA
In den USA bestehen im Vergleich zu Deutschland große Unterschiede im Versi-
cherungs- und Versorgungssystem.
54
Da keine staatliche Krankenpflichtversiche-
rung besteht,
55
sind ca. 61% der Beschäftigten über ihre Arbeitgeber privat kran-
kenversichert.
56
Des Weiteren gibt es zwei staatliche Versicherungsprogramme,
zum einen ,Medicare` für Senioren und Körperbehinderte, zum anderen
,Medicaid` für Menschen mit geringem Einkommen.
57
Trotz genannter Versiche-
rungsprogramme sind ca. 16% bzw. 45 Mio. Menschen in den USA nicht kran-
kenversichert. Das betrifft u.a. Arbeitnehmer und deren Familienangehörige, für
die der Arbeitgeber keine Versicherungszahlungen aufbringt, Erwerbslose oder
von Versicherungen abgelehnte Personen.
58
Die Erstattungs- und Zuzahlungslevel
für Medikamente richten sich nach den einzelnen Versicherungsprogrammen und
sind daher sehr unterschiedlich.
59
53
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. IV und Schommer, J. C. (2005), S. 32.
54
Vgl. Wiedmann, K.-P./Meissner, S./Wegner, A.-S. (2003), S. 21.
55
Vgl. Rychlik, R. (2005), S.52.
56
Vgl. Bauer, E. (2002), S. 742.
57
Vgl. Rychlik, R. (2005), S.52.
58
Vgl. Wiechmann, M. (2003), S.30.
59
Vgl. Rychlik, R. (2005), S.52.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
12
Das Gesundheitssystem in den USA unterliegt einer geringen staatlichen Regle-
mentierung und ist stark marktwirtschaftlich ausgerichtet.
60
Trotz des daraus
folgenden ausgeprägten Wettbewerbs ist es mit einem Anteil der Gesundheitsaus-
gaben
61
am Bruttoinlandsprodukt von 15,0% und mit den jährlichen Gesundheits-
ausgaben pro Kopf von 5.635 US$ das kostspieligste Gesundheitssystem der
Welt.
62
Fortschrittlich kann die Transparenz der Leistungserbringung und die
Anwendung von effizienten Qualitäts-Management-Verfahren wie das Managed
Care-Konzept angesehen werden. Bei diesem Konzept übernehmen ein Arzt oder
eine Gruppe von Ärzten neben der Behandlung auch die Koordination der gesam-
ten gesundheitlichen Versorgung ihrer Patienten.
63
3.1.1.2
Der Pharmamarkt in den USA
Der nordamerikanische Pharmamarkt war mit 248 Mrd. US$ zu Herstellerabgabe-
preisen der größte Absatzmarkt für Arzneimittel im Jahr 2004. Das entsprach ca.
45% der weltweiten Arzneimittelverkäufe.
64
Dabei wurden allein 235 Mrd. US$
zu Großhandelspreisen hinsichtlich verschreibungspflichtiger Medikamente in den
USA umgesetzt.
65
Darüber hinaus wird in den USA ein dauerhaft hohes Wachs-
tum von 10-15% für die nächsten Jahre vorausgesagt. Dieses hohe Wachstum
begründet sich in der im Vergleich zu Europa stärkeren Nachfrage nach patentge-
schützten innovativen Medikamenten, wobei laut einiger DTC-Kritiker die Publi-
kumswerbung wiederum für diese Nachfrage vornehmlich verantwortlich ist.
66
Die hohen Umsätze und Wachstumsraten in den USA sind eine wichtige Ursache
dafür, dass amerikanische Unternehmen sowohl in der Forschung und Entwick-
lung (F&E) als auch in der Vermarktung von innovativen Arzneimitteln weltweit
führend sind.
67
Die Bestimmung von Arzneimittelpreisen basiert u.a. auf Absprachen der phar-
mazeutischen Industrie mit Groß- und Einzelhändlern, Versicherungsgesellschaf-
60
Vgl. Wiechmann, M. (2003), S.32.
61
Gesundheitsausgaben beinhalten u.a. die Aufwendungen für ärztliche und pflegerische Leistun-
gen und Arzneimittelausgaben.
62
Vgl. Anhang A: Kennziffern bezüglich der Gesundheits- und Arzneimittelausgaben ausgewähl-
ter Industrieländer; Angaben beziehen sich auf das Jahr 2003.
63
Vgl. Wiechmann, M. (2003), S. 35f.
64
Vgl. Abschnitt 4.1.1.1.
65
Berechnet unter Verwendung von IMS Health (2005a).
66
Siehe auch Abschnitt 5.3.
67
Vgl. Harms, F./Drüner, M. (2003b), S. 15ff.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
13
ten, Krankenhäusern und staatlichen Einrichtungen. Es gibt keine staatliche Regu-
lierung der Arzneimittelpreise.
68
Der prozentuale Anteil von Arzneimittelausga-
ben an den gesamten Gesundheitsausgaben (12,9%) fällt geringer als in Deutsch-
land (14,6%) aus, aber aufgrund der hohen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben in den
USA übersteigen die jährlichen Arzneimittelkosten je Person (727 US$) jene in
der BRD (437 US$).
69
Trotz erheblicher F&E-Anstrengungen der Pharmaindustrie wird im Durchschnitt
nur eine von 10.000 Substanzen ein marktfähiges Produkt und nur 3 von 10
Arzneimitteln können ihre F&E-Kosten wieder kompensieren. Die F&E-
Ausgaben sind in den letzten Jahren konstant gestiegen, aber die Anzahl der neu
zugelassenen Medikamente in den USA sind von 1996 bis 2002 von 61 auf 15 pro
Jahr gefallen.
70
Um u.a. Rationalisierungspotenziale freizusetzen und Synergien in
der Forschung und Entwicklung zu erlangen, sind in letzter Zeit Merger- und
Acquisition (M&A)-Aktivitäten in der weltweiten Pharmabranche zu beobachten.
Als Beispiel wäre die Verschmelzung von Pfizer und Pharmacia im Jahr 2003 zu
Pfizer mit Hauptsitz in New York zu nennen.
71
Allerdings wird bezweifelt, dass
diese M&A-Anstrengungen allein ausreichen, um die Wettbewerbsfähigkeit in
Zukunft sicher zu stellen.
72
3.1.2
E
NTWICKLUNG VON
DTC-W
ERBUNG UND POLITISCH
-
RECHTLICHE
R
AHMENBEDINGUNGEN
3.1.2.1
Historische Entwicklung
In den USA reguliert und überwacht die ,Food and Drug Administration` (FDA),
welche auch die Funktion als Arzneimittel-Zulassungsbehörde inne hat,
73
die
Werbung für ethische Arzneimittel seit den ,Kefauver-Harris`-Änderungen des
,Federal Food, Drug, and Cosmetic Act` im Jahr 1962.
74
Obwohl es ein generelles
68
Vgl. Rychlik, R. (2005), S.51.
69
Vgl. Anhang A: Kennziffern bezüglich der Gesundheits- und Arzneimittelausgaben ausgewähl-
ter Industrieländer; Angaben beziehen sich auf das Jahr 2003.
70
Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./Zedtwitz, M. von (2004), S. 1f.
71
Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./Zedtwitz, M. von (2004), S. 11.
72
Vgl. Harms, F./Drüner, M. (2003a), S. 2f.
73
Vgl. Rychlik, R. (2005), S.51.
74
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 112f. und New Zealand Ministry of
Health (2000), S. 5.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
14
Verbot, ethische Medikamente bei den Endverbrauchern zu bewerben, nie gab,
75
wurden für Jahrzehnte diese Mittel nur bei Ärzten angepriesen.
76
Anfang der 80ziger Jahre initiierten einige Firmen zum ersten Mal DTC-
Kampagnen und seitdem stellen Wissenschaftler sich die Frage, ob DTC-
Werbung sowohl den Bedürfnissen der Pharmaunternehmen als auch dem öffent-
lichen Gesundheitsinteresse dient.
77
Zu den ersten Kampagnen zählt die 1981 von
Merck, Sharpe und Dohme veranlasste Werbemaßnahme für die verschreibungs-
pflichtige Grippeimpfung ,Pneumovax`. Dabei wurde geworben, dass Medicare
bei älteren Menschen ab 65 Jahren die Kosten übernimmt. Da eine Immunisierung
gesundheitlich und wirtschaftlich zweckmäßig erschien, wurde die Kampagne
überwiegend positiv beurteilt.
78
Hingegen wurde eine Fernsehanzeige für das
Präparat ,Rufen` gegen Arthritisbeschwerden, die 1983 Boots Pharmaceuticals
schaltete, auf Drängen der FDA eingestellt, weil die Darstellung der Nebenwir-
kungen als unzureichend eingestuft worden war.
79
Aufgrund dieser und weiterer
negativ auffallender Werbekampagnen forderte die FDA von der Industrie ein
zweijähriges Moratorium von 1983 bis 1985 zur Evaluierung von DTC-
Maßnahmen, worauf die Industrie einwilligte.
80
Während einer von der Industrie
organisierten Konferenz im Jahr 1984 sprachen sich fast 80% der vertretenden
Firmen gegen DTC-Werbung aus. Es wurden eine erhöhte Produktverantwortung,
steigende Marketing-Kosten und eine geringe Rentabilität von DTC-Advertising
befürchtet.
81
Die FDA beschloss nach Ablauf des Moratoriums, welches auch öffentliche
Konsultationen beinhaltete, dass bei DTC-Advertising ähnliche Kriterien wie bei
Fachwerbung angewendet werden sollen. Das bedeutet u.a., dass produktspezifi-
sche DTC-Werbung
82
eine ,Brief Summary` beinhalten muss, welche Wirkungen,
Nebenwirkungen und Risiken von Arzneimitteln ausgeglichen anzeigt. Darüber
75
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 5.
76
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 113.
77
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 5.
78
Vgl. Perri, M./Shinde, S./Banavali, R. (1999), S. 1799 und Harms, F./Drüner, M. (2003c), S.
223.
79
Vgl. Hamilton, D. (1997).
80
Vgl. Iizuka, T. (2004), S. 351 und Harms, F./Drüner, M. (2003c), S. 223.
81
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 5.
82
Vgl. Abschnitt 3.1.2.2.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
15
hinaus müssen die generellen Gesetze für bezahlte Werbung eingehalten wer-
den.
83
Im Jahr 1995 hielt die FDA eine zweite Runde von öffentlichen Konsultationen
ab. Zwar wurden nur wenige neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, aber
es wurde festgestellt, dass immer mehr Pharmaunternehmen DTCA befürworteten
und in solche Kampagnen investierten.
84
Die Hersteller beanstandeten, die Brief
Summary in die produktspezifische Werbung einbinden zu müssen, denn diese
Anforderung der FDA verursachte unerwünschte Kosten für die Unternehmen.
Außerdem wurde angezweifelt, dass durch dieses Vorgehen für die Konsumenten
ein Zusatznutzen geboten wird, da sie die ursprünglich für Ärzte konzipierten
Zusammenfassungen nicht lasen bzw. nicht verstanden.
85
Die FDA reagierte und
gab 1997 offizielle Richtlinien, besonders die TV-Kampagnen betreffend, heraus.
Danach müssen Pharmaunternehmen z.B. bei der produktspezifischen Werbung in
TV und Rundfunk, bei welcher der Produktname, das Indikationsgebiet und die
Wirkung dargestellt werden, nicht alle Risiken nennen. Aber eine ausgewogene
Darstellung von Wirkungen und Nebenwirkungen soll weiterhin gewährleistet
sein und es muss auf zusätzliche Informationsquellen wie gebührenfreie Telefon-
nummern und E-Mail-Adressen oder auf die Möglichkeit, Ärzte und Apotheker
anzusprechen, hingewiesen werden.
86
Als Folge der Richtlinien von 1997 war ein
starker Anstieg der Werbeausgaben für Fernseh-Reklamen zu verzeichnen.
87
Die FDA erweiterte die DTCA-Richtlinien im Jahr 1999 z.B. um die Anforde-
rung, während einer Fernseh-Kampagne auch Print-Anzeigen in umfassendem
Maße zu veröffentlichen. Somit können Fernsehzuschauer detaillierte Risikoin-
formationen erhalten, ohne in persönlichen Kontakt mit den Pharmafirmen treten
zu müssen.
88
Des Weiteren dürfen seit 2004 Brief Summaries in Printmedien
verbraucherfreundlicher gestaltet und geschrieben werden und müssen nicht mehr
identisch mit denen der Fachanzeigen für Ärzte und Apotheker sein.
89
83
Vgl. Pines, W. L. (1999), S. 493.
84
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 6.
85
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 113f.
86
Vgl. Abood, R. (2005), S. 79.
87
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 6.
88
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 6f.
89
Vgl. Hildebrand, J. R. (2004a), S. 313.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
16
3.1.2.2
Formen von DTC-Werbung
Mit der Zeit haben sich in den USA drei Formen der DTC-Werbung
90
entwickelt,
die im Folgenden kurz erklärt werden:
Disease-Education Advertisements (oder Help-Seeking Advertisements)
Diese Art der Werbung soll ein Bewusstsein für bestimmte Krankheiten schaffen
und den Konsumenten bei der frühzeitigen Erkennung von Symptomen helfen.
Hierbei wird der Name des Arzneimittels nicht genannt.
91
Ein weiteres Ziel sei-
tens des Herstellers ist es, die Patienten zum Arztbesuch anzuregen, mit der
Hoffnung, dass deren Symptome den Gebrauch eines bestimmten Medikaments
des Unternehmens erforderlich machen.
92
Von Disease-Education Advertisements
profitieren vor allem Pharmaunternehmen, welche den Markt auf dem Indikati-
onsgebiet beherrschen,
93
da diese Form der Werbung von Konsumenten und
Ärzten meist mit den bereits bekannten umsatzstarken Arzneimitteln in Verbin-
dung gebracht wird.
Reminder Advertisements
Hier wird der Name, aber nicht der konkrete Indikationszweck des Medikaments
genannt. Um zu verhindern, dass für viele Empfänger somit unklar wäre, für
welchen Zweck das Präparat eingesetzt wird, sollen laut der FDA nur Medika-
mente auf diese Weise kommuniziert werden, bei denen das Indikationsfeld
ausreichend bekannt ist.
94
Ziel dieser Maßnahme ist die Stärkung des Bewusst-
seins der Empfänger für das beworbene Arzneimittel, so dass die potentiellen
Patienten ihren Arzt nach weiteren Informationen über das entsprechende Produkt
fragen.
95
Brand-Specific Advertisements (oder Product-Claim Advertisements)
Bei der produktspezifischen Werbung wird sowohl der Name des Arzneimittels
angegeben als auch die Indikation dargestellt.
96
Der Großteil aller DTCA-
Anzeigen fällt in diese Kategorie.
97
Die Hersteller bezwecken hiermit, den Patien-
90
In Anhang B befindet sich je Werbeform ein Beispiel für eine Print-Anzeige.
91
Vgl. Schmittgall, F./Krenz, W./Besse, D. (2005), S. 350.
92
Vgl. EthicAd (2005).
93
Vgl. Stegmaier, P. (2003), S. 7f.
94
Vgl. Schmittgall, F./Krenz, W./Besse, D. (2005), S. 350f.
95
Vgl. EthicAd (2005).
96
Vgl. Schmittgall, F./Krenz, W./Besse, D. (2005), S. 351.
97
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 114.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
17
ten so viele Informationen zu geben, dass diese das Medikament mit dem Arzt
besprechen können oder sogar nach einer Verschreibung fragen. Da diese Form
von DTCA die informativste ist und von den Empfängern leicht missverstanden
werden kann, werden Brand-Specific Advertisements seitens der FDA am stärks-
ten reguliert.
98
Demzufolge darf im Gegensatz zu den erstgenannten Formen der
DTC-Werbung nicht auf die Brief Summary in Printmedien verzichtet werden.
99
Für die Rundfunk- und Fernsehwerbung darf seit 1997 die Brief Summary unter
Berücksichtigung von Response-Elementen, wie bereits beschrieben, entfallen.
Allerdings ist die ausgewogene Darstellung von Wirkung und Risiken unerläss-
lich.
100
3.1.2.3
Verstöße gegen DTC-Richtlinien
Die FDA kann Verstöße gegen die erlassenen Richtlinien ahnden oder einzelne
Werbemaßnahmen ganz verbieten. Zwischen August 1997 und August 2002
wurde die Industrie mit insgesamt 88 der so genannten ,Regulatory Letters for
violative DTC Advertisments` angeschrieben. Diese betrafen 44-mal Fernseh- und
Rundfunk-Reklamen, 35-mal Print-Anzeigen und 9-mal Kampagnen, die sowohl
Fernseh- und Rundfunk- als auch Printmedien benutzten. Damit wurden 5% aller
DTC-Anzeigen beanstandet.
101
Die Anzahl der Verwarnungen ging im genannten Zeitraum zurück. Harms sieht
darin ,,ein Zeichen dafür, dass sich die Qualität der DTC-Konzepte kontinuierlich
verbessert und die Akzeptanz von Seiten der amerikanischen Zulassungsbehörde
zunimmt"
102
. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die FDA im Jahr
2002 nur 5 Mitarbeiter einsetzte, welche die DTCA-Aktivitäten prüften, und es ist
fraglich, inwieweit die FDA ihrer Aufsicht nachkommen und die ansteigende
Anzahl an Werbeanzeigen bewältigten kann.
103
Oft sind die Werbekampagnen
schon abgelaufen, bevor die FDA Verstöße gegen die DTC-Richtlinien be-
merkt.
104
Es werden hauptsächlich Werbeanzeigen kontrolliert, die sehr viele
Menschen ansprechen oder ein großes Potenzial haben, falsch verstanden zu
98
Vgl. EthicAd (2005).
99
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 114.
100
Vgl. Abschnitt 3.1.2.1.
101
Vgl. Harms, F. (2003), S. 213.
102
Harms, F. (2003), S. 213.
103
Vgl. U.S. General Accounting Office (2002), S. 17f.
104
Vgl. Hildebrand, J. R. (2004a), S. 313.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
18
werden. Darüber hinaus werden Werbematerialien geprüft, zu denen Beschwerden
an die FDA gesandt werden oder welche die Unternehmen selbst vor Kampagnen-
start zur Absicherung einreichen. Anzumerken ist, dass die vorherige Einreichung
von Werbematerial freiwillig geschieht und die FDA nicht das Recht hat, alle
DTC-Werbemaßnahmen vor Kampagnenstart überprüfen zu dürfen.
105
3.1.2.4
Entwicklung der DTC-Werbeausgaben
Die Ausgaben für DTC-Werbung in den USA stiegen von 55 Mio. US$ im Jahr
1991
106
auf ca. 3,2 Mrd. US$ in 2003.
107
Damit investierte die pharmazeutische
Industrie in den USA im Jahr 2003 12,8%
108
der Gesamtwerbeausgaben
109
in
DTC-Maßnahmen. Insofern ist die direkte Patientenansprache in den USA zwar
ein bedeutender Faktor im Marketing von verschreibungspflichtigen Arzneimit-
teln, aber sie erreicht bei weitem noch nicht das monetäre Ausmaß der Marketing-
Aktivitäten, welche auf Ärzte abzielen. Die DTC-Ausgaben sind von 1996 bis
2003 durchschnittlich um 22,3% pro Jahr gestiegen und besitzen damit das größte
Wachstum von allen Werbemaßnahmen für verschreibungspflichtige Medikamen-
te. Das durchschnittliche Wachstum der Gesamtwerbeausgaben beträgt 15,6% je
Jahr, wobei in dieser Angabe der Anstieg des Einzelhandelswertes
110
von Arz-
neimittelmustern von 18,8% bereits enthalten ist.
111
Die Ausgabenentwicklung
von DTC-Advertising ist der Abbildung 2 zu entnehmen.
Im Jahr 2003 wurden in den USA 160 Arzneimittel direkt beim Verbraucher
beworben, was einen sprunghaften Anstieg im Vergleich zu 68 beworbenen
Präparaten im Jahr 2002 darstellt. Mit 257,3 Mio. US$ war ,Nexium`, ein ver-
105
Vgl. U.S. General Accounting Office (2002), S. 17f.
106
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 112.
107
Vgl. IMS Health (2004).
108
Eigene Berechnung nach IMS Health (2004).
109
,Werbeausgaben` werden hier als ,Promotional Spending` verstanden und umfassen neben
Ausgaben für DTCA und Werbung in Fachliteratur auch die Aufwendungen für den Außen-
dienst und den Einzelhandelswert von Arzneimittelmustern. Auch in Europa gehören laut
Richtlinie 2001/83/EG Artikel 86 (siehe Anhang C) der Besuch von Arzneimittelvertretern und
die Lieferung von Arzneimittelmustern zur Arzneimittelwerbung.
110
Der Einzelhandelswert von Arzneimitteln zur Bemusterung von Arztpraxen und Kliniken gibt
die aufaddierten Einzelhandelspreise der Präparate an. Damit spiegelt dieser Wert nicht die
Kosten seitens der Pharmaindustrie wieder, sondern kann als der Betrag aufgefasst werden, den
die Industrie den Ärzten stiftet, damit diese den Bedürfnissen ihrer Patienten nachkommen kön-
nen. Vgl. IMS Health (2004).
111
Eigene Berechnung nach IMS Health (2004).

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
19
schreibungspflichtiges Präparat gegen Sodbrennen von AstraZeneca, das am
stärksten beworbene Medikament.
112
Abb. 2: Werbeausgabenentwicklung für ethische Arzneimittel in den USA
113
1,848
2,467
2,679
2,638
3,235
2,458
2,785
3,386
3,607
4,038
4,789
5,327
4,455
0,
552
0,
579
0,
67
1
0,
713
0
,765
0,
70
2
0,
873
0,
819
0,
459
0,
510
0,
49
8
0,
470
0
,484
0,
42
5
0,
437
0,
448
4,904
6,047
6,602
7,230
7,954
10,464
11,909
16,373
0,
791
1,069
1,317
0
5
10
15
20
25
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Ausgaben für DTCA
Ausgaben für den Außendienst hinsichtlich der Ärzte-Kommunikation
Ausgaben für den Außendienst hinsichtlich der Krankenhaus-Kommunikation
Ausgaben für Werbung in Fachliteratur
Einzelhandelswert von Arzneimittelmustern
Für 2004 werden DTCA-Ausgaben in Höhe von 4,1 Mrd. US$ angegeben.
114
Damit wurde für die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel das
zweitgrößte Ausgabenvolumen nach der Automobilwerbung auf dem US-
amerikanischen Verbraucher-Werbemarkt aufgebracht.
115
Von den 4,1 Mrd. US$
wurden ca. zwei Drittel in Fernsehwerbung investiert (2,7 Mrd. US$), gefolgt von
Magazinwerbung in Höhe von 1,2 Mrd. US$. Weit abgeschlagen sind Zeitungs-,
Radio- und Außenwerbung.
116
An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die pharmazeutische Industrie in den
USA mehr finanzielle Mittel für Forschung und Entwicklung aufbringt als für alle
Werbemaßnahmen zusammen. Z.B. wurden im Jahr 2003 27,3 Mrd. US$ für
112
Vgl. Hildebrand, J. R. (2004c), S. 1239f.
113
Eigene Darstellung nach IMS Health (2004).
114
Vgl. Arnold, M. (2005a), S. 34; o.V. (2005b), S. 10 und West, D. (2005), S. 154.
115
Vgl. o.V. (2005b), S. 10.
116
Vgl. West, D. (2005), S. 157; Angaben basieren auf IMS Health-Daten.
in Mrd. US$
9,164*
10,990
12,474
13,868
21,184
15,708
25,330
19,059
*
Gesamtwerbeausgaben (inkl. dem Einzelhandelswert von Arzneimittelmustern)

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
20
F&E-Aktivitäten ausgegeben
117
und 25,3 Mrd. US$ in Werbemaßnahmen inves-
tiert, davon nur 3,2 Mrd. US$ in DTC-Maßnahmen.
118
3.1.3
E
NTWICKLUNGSSTAND UND
A
USBLICK
Die Gründe für die steigenden Investitionen der US-Pharmaindustrie in DTC-
Werbung liegen u.a. in der zunehmenden Emanzipation der Patienten,
119
die
empfänglicher für die Pharmakommunikation sind und in der immer stärker
werdenden Konkurrenz ähnlicher Präparate gleicher Indikationsgebiete zueinan-
der, welche differenzierende Botschaften und den Aufbau von Loyalität erfor-
dern.
120
Ein weitere Ursache für die sich ausbreitende DTC-Werbung liegt in der
Bereitwilligkeit der FDA und der Legislative, Konsumenten mit Informationen
versorgen zu lassen, um die Aufklärung in gesundheitsspezifischen Fragen zu
fördern.
121
Der ökonomische Erfolg von DTCA für die Pharmaunternehmen ist z.B. am
Return on Investment (ROI) festzumachen. Nach einer von IMS Health
122
durch-
geführten Untersuchung von 49 Marken-Medikamenten, für die in einer bestimm-
ten Zeitspanne zwischen 1998 und 2003 in den USA DTC-Werbung betrieben
wurde, wiesen 90% der Marken-Produkte einen positiven ROI auf. 70% überstie-
gen einen ROI von 1,50 US$ je eingesetzten US$ und 35% erreichten einen
höheren ROI als 2,50 US$. Ein Marken-Präparat erreichte den Spitzenwert von
6,50 US$ je eingesetzten Dollar. Damit schneidet produktspezifische DTCA
verglichen mit Werbemaßnahmen in anderen Industrien hervorragend ab. In den
ROI-Berechnungen wurden neben inkrementalen Verschreibungsraten ebenso
langfristige Werte wie der Lifetime Value von Patienten berücksichtigt.
123
Hinsichtlich der Beurteilung von DTCA sollte gemäß der Weltgesundheitsorgani-
sation die Werbung bei schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Krankheiten
eingeschränkt werden. Ängste oder Hoffnungen der Patienten dürften nicht für
117
Vgl. VFA (2005), S. 27; vorläufiger Wert; Angaben basieren neben VFA- auf EFPIA- und
PhRMA-Daten.
118
Vgl. Abbildung 2.
119
In Abschnitt 4.1.1.4.5 wird die Emanzipation der Patienten näher beschrieben.
120
Vgl. Devereux, A. (2001), S. 86ff.
121
Vgl. Wilkes, M. S./Bell, R. A./Kravitz, R. L. (2000), S. 114.
122
IMS Health ist nach eigenen Angaben der weltweit führende Anbieter von Informationen und
Dienstleistungen für die Pharma- und Gesundheitsindustrie, vgl. IMS Health (2005d).
123
Vgl. Gascoigne, D. (2004), S. 1f.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
21
Absatzförderungsmaßnahmen von Medikamenten missbraucht werden. Hingegen
wird der präventive Charakter besonders von Disease-Education Advertisements
begrüßt, da es die Organisation als förderlich ansieht, den Informationsstand der
Bevölkerung zu steigern.
124
Des Weiteren äußern sich Mitglieder des US-
Kongresses kritisch und stellen die Frage, ob die DTC-Richtlinien und das Vorge-
hen der FDA ausreichen, um gegen irreführende Aussagen der Endverbraucher-
werbung vorzugehen.
125
Im März 2005 sprach Kathryn Aikin, Analystin des
DTC-Forschungsteams der FDA, besorgt über die Richtung, welche die DTC-
Werbung einnimmt. Besonders die ausgewogene Darstellung der Wirkungen und
Nebenwirkungen sei nicht immer gewährleistet. Die FDA erklärte, stärker gegen
solche Werbemaßnahmen vorzugehen und dass weitere Richtlinien in Arbeit
sind.
126
Weitere positive und negative Aspekte von DTC, welche auch für die
USA relevant sind, werden in den Kapitel 5 behandelt.
Es ist anzumerken, dass das Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in die
Pharmaindustrie seit 1997 abgenommen hat ­ seit dem Jahr, in dem die FDA
unternehmensfreundlichere Bedingungen für DTC-Fernsehwerbung verabschiede-
te. Sagten 1997 noch 79% der Bevölkerung aus, dass die pharmazeutische Indust-
rie gute Arbeit leistet, waren es 2004 nur noch 44%.
127
Dazu tragen neben unaus-
gewogener Werbung von Arzneimitteln auch Vorfälle wie z.B. der ,Vioxx`-
Skandal bei. War das Arthritis-Medikament Vioxx im Jahr 2002 mit
160 Mio. US$ eines der meistbeworbenen Produkte unter allen Konsumgütern,
128
zog Merck & Co. es im Herbst 2004 wegen bedeutender Nebenwirkungen, vor
allem wegen eines erhöhten Herzinfarktrisikos, zurück. Im August 2005 gab ein
US-Gericht dem Unternehmen eine Mitschuld am Tod eines Texaners. Die Strafe
betrug 253 Millionen Dollar. Die Geschworenen begründeten ihr Urteil damit,
dass sowohl Mängel des Medikaments als auch dessen Marketing zum Tod ge-
führt hätten.
129
Die Werbemaßnahmen für das Medikament betonten zu stark
dessen Vorteile und vernachlässigten die Risikoinformationen.
130
Da allein in
Deutschland 7.000 bis 15.000 Fälle geschätzt werden, bei denen Vioxx starke
124
Vgl. Harms, F./Gänshirt, D./Lonsert, M. (2005), S. 24.
125
Vgl. Hildebrand, J. R. (2004a), S. 314.
126
Vgl. Arnold, M. (2005b), S. 26.
127
Vgl. Kastner, K. (2005), S. 165f.
128
Vgl. Stegmaier, P. (2003), S. 7f.
129
Vgl. o.V. (2005f).
130
Vgl. DES Action Canada (2005).

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
22
Nebenwirkungen hervorrief oder Todesfolgen nach sich zog, wird erwartet, dass
weltweit zahlreiche Klagen und Gerichtsverhandlungen folgen werden.
131
Obwohl die DTC-Ausgaben im vierten Quartal 2004 nach der Marktrücknahme
von Vioxx leicht zurückgingen, werden für 2005 gleich bleibende oder sogar
höhere Ausgaben geschätzt.
132
Trotzdem wird der Vioxx-Skandal laut mehrerer
Autoren und Industrierepräsentanten weitreichende Folgen haben: Die Pharmaun-
ternehmen dürften weniger in Product-Claim Advertisements in den Massenme-
dien wie TV und Radio investieren und sich mehr auf die beziehungsorientierte
Kommunikation mit Patienten konzentrieren.
133
Die Furcht vor einem noch
schlechter werdenden Image der Industrie, vermehrter Kritik durch aggressive
DTCA-Maßnahmen und vor Schadensersatzforderungen weitet sich aus. Daher
sollten mehr Disease-Education Advertisements ausgestrahlt, das Online-
Marketing gefördert und PRM-Programme initiiert werden. Neben dem Akquirie-
ren von Neukunden müsste stärker die Kundenbindung fokussiert werden.
134
Darüber hinaus wird von Marketing-Analysten ebenso eine Verschiebung der
DTCA-Ausgaben hin zu Public Relations-Aufwendungen zur Stärkung der Repu-
tation von Pharmaunternehmen vorausgesagt.
135
Das einsetzende Bestreben der Unternehmen, das Vertrauen der Bevölkerung in
die Pharmaindustrie zu stärken, wird durch die Herausgabe von ,Guiding Prin-
ciples` für DTC-Werbung seitens der ,Pharmaceutical Research and Manufactu-
rers of America`
136
im August 2005 verdeutlicht. Die freiwilligen Richtlinien
sehen u.a. Folgendes für die Zukunft vor: Die Ärzte werden frühzeitig vor dem
Kampagnenstart einbezogen und über das jeweilige Medikament sowie über die
DTC-Maßnahmen informiert.
137
Die Unternehmen müssen der FDA alle neuen
DTC-TV-Anzeigen vor der Ausstrahlung zur Prüfung vorlegen, und alle Fernseh-
reklamen, die den Produktnamen nennen, sollen das Anwendungsgebiet und die
Hauptrisiken des Medikaments anführen. Damit würden Reminder Advertise-
131
Vgl. Gebauer, M. (2005).
132
Vgl. Arnold, M. (2005a), S. 34 und West, D. (2005), S. 156.
133
Vgl. Krisanits, T. (2004), S. 49 und Arnold, M. (2005a), S. 34.
134
Vgl. Arnold, M. (2005a), S. 34f.
135
Vgl. West, D. (2005), S. 154ff.
136
Organisation der führenden forschenden Arzneimittelhersteller und Biotechnologie-
Unternehmen in den USA, vgl. PhRMA (2005b).
137
Vgl. o.V. (2005c).

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
23
ments im Fernsehen wegfallen. Darüber hinaus wird ein ,Office of
Accountability` mit der Aufgabe eingerichtet, Kommentare und Beschwerden der
allgemeinen Öffentlichkeit bzw. von Ärzten entgegenzunehmen und regelmäßig
Reporte zu veröffentlichen, wie die betroffenen Pharmaunternehmen darauf
reagieren.
138
Obwohl seitens der Pharmaindustrie mit diesen Guiding Principles
Kompromissbereitschaft gezeigt und die Wichtigkeit ausgewogener Aufklärung
anerkannt wird, dürften die Maßnahmen, die zwar über die aktuellen offiziellen
FDA-Richtlinien hinausgehen, nicht ausreichen, die FDA von weiteren und mehr
regulierenden Vorschriften abzuhalten.
139
3.2
DTC
IN
N
EUSEELAND
3.2.1
S
TAATLICHE
R
EGULIERUNG UND INDUSTRIELLE
S
ELBSTKONTROLLE
Da es in Neuseeland zu keiner Zeit explizit verboten war, verschreibungspflichti-
ge Medikamente direkt bei den Konsumenten zu bewerben und mit dem
,Medicines Act` von 1981 günstige Rahmenbedingungen für DTCA geschaffen
wurden,
140
schalteten Pharmaunternehmen zur etwa gleichen Zeit wie in den USA
die ersten DTCA-Kampagnen.
Zwei Regelwerke beeinflussen im Wesentlichen die Werbung für verschreibungs-
freie und -pflichtige Arzneimittel. Zum einen der erwähnte ,Medicines Act` von
1981, zum anderen die ,Medicines Regulations` aus dem Jahr 1984. Das erste
Werk bietet u.a. eine Reihe von Vorschriften hinsichtlich der Aussagen, die über
Arzneimittel gemacht werden dürfen, und fordert die Nennung von Nebenwirkun-
gen. Das zweite schreibt die detaillierte Gestaltung von Angaben z.B. in Bezug
auf wirksame Bestandteile, auf die Gebrauchsanweisung, auf Vorsichtsmaßnah-
men oder Wechselwirkungen mit anderen Mitteln vor.
141
,Medsafe`, eine Abtei-
lung des neuseeländischen Gesundheitsministeriums, ist mit der Aufsicht dieser
Vorschriften beauftragt.
142
Bei der Umsetzung der legislativen Regelungen unterliegt die Pharmaindustrie der
Selbstkontrolle hinsichtlich ihrer Marketing-Aktivitäten. Um diese Selbstregulie-
138
Vgl. PhRMA (2005a).
139
Vgl. o.V. (2005c).
140
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 2.
141
Vgl. Eagle, L. (2001), S. 8.
142
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 3.

K
APITEL
3.
I
NTERNATIONALE
E
RFAHRUNGEN MIT
DTC
24
rung zu unterstützen, wurde von der ,Advertising Standards Authority` (ASA)
1996 der ,Code for Therapeutic Products` eingeführt, welcher die zwei genannten
wesentlichen Regelwerke konkretisierte und erweiterte. 1999 wurde der Code
erneut, in leicht veränderter Form, herausgegeben.
143
Darüber hinaus wurde der
,Therapeutic Advertising Advisory Service` (TAAS) im Jahr 1999 gegründet. Der
fakultative und gebührenpflichtige Service überprüfte vor dem jeweiligen Kam-
pagnenstart die Werbemaßnahmen danach, ob sie den gesetzlichen Vorschriften,
dem Code for Therapeutic Products und anderen Kodizes genügten. Eine Unter-
suchung von Medsafe zur Einhaltung der legislativen Vorschriften bezüglich der
Arzneimittelwerbung kam zum Ergebnis, dass sich die Rate der ordnungsgemäßen
Einhaltung von nur 33% im Jahr 1998 auf 69% in 2000, nach der Gründung von
TAAS, steigerte. Dies veranlasste die ASA in Zusammenarbeit mit Medsafe und
mit Zustimmung der Industrie, die TAAS in den TAPS (Therapeutic Advertising
Pre-Vetting Service) umzuwandeln, um die Einhaltungsrate noch weiter zu erhö-
hen. Die bedeutendsten Änderungen dieser Umwandlung bestehen darin, dass der
TAPS nun für alle neuen Werbemaßnahmen in Neuseeland Pflicht ist und eine
ungeprüfte oder mangelhafte Werbemaßnahme nicht veröffentlicht wird. Weiter-
hin trägt die Industrie die Kosten.
144
In diesem Zusammenhang gibt es in den
USA zunehmende Forderungen nach einer ähnlichen obligatorischen Prüfstelle.
145
3.2.2
DTC-W
ERBEAUSGABEN
Aufgrund der geringeren Bevölkerungsstärke Neuseelands (ca. 4 Mio. Einwoh-
nern
146
) liegen die Werbeausgaben für verschreibungspflichtige Medikamente
deutlich unter den Aufwendungen in den USA. Nach der ,Association of New
Zealand Advertisers` sind die Ausgaben für DTCA von 14,497 Mio. NZ$ im Jahr
1999 um 23,6% auf 17,924 Mio. NZ$ in 2000 gestiegen.
147
Laut Harms, Gänshirt
und Lonsert lagen die Investitionen in den letzten Jahren bei etwa 20 Mio. NZ$
148
(ca. 14 Mio. US$
149
). Das ergibt jährliche DTC-Werbeausgaben von 3,50 US$ je
Einwohner, verglichen mit rund 14 US$ pro Kopf in den USA (ca. 290 Mio.
143
Vgl. Eagle, L. (2001), S. 8.
144
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 4.
145
Vgl. Eagle, L. (2001), S. 9.
146
Vgl. Auswärtiges Amt (2005b).
147
Vgl. New Zealand Ministry of Health (2000), S. 3.
148
Vgl. Harms, F./Gänshirt, D./Lonsert, M. (2005), S. 36.
149
Eigene Berechnung nach OANDA Corporation (2005); Umrechnungswert vom 26.08.2005.
Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Direct-to-Consumer-Marketing - Entwicklungsstand und Chancen auf dem deutschen Pharmamarkt
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1.3
Autor
Jahr
2005
Seiten
156
Katalognummer
V186183
ISBN (eBook)
9783869438665
ISBN (Buch)
9783867469166
Dateigröße
2046 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
direct-to-consumer-marketing, entwicklungsstand, chancen, pharmamarkt
Arbeit zitieren
Jörg Simon (Autor:in), 2005, Direct-to-Consumer-Marketing - Entwicklungsstand und Chancen auf dem deutschen Pharmamarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186183

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