Chancen und Risiken des entwicklungsorientierten Managements am Beispiel der stationären Altenhilfe


Masterarbeit, 2007

118 Seiten, Note: 2

N. Funk (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Forschungsstand
1 Zentrale Voraussetzungen für Entwicklungsprozesse
1.1 Der Wandel - Grundlagen und Trends
1.1.1 Der Mensch als Ursprung und Triebfeder des Wandels
1.1.2 Der Wandel des Wandels
1.1.3 Zentrale Trends
1.1.4 Reaktionen auf den Wandel
1.1.5 Entwicklung eines Grundverständnisses im Umgang mit dem Wandel
1.2 Die Basiskompetenzen für Entwicklungsprozesse und -management
1.2.1 Die Kompetenz, den Entwicklungshorizont zu fokussieren
1.2.2 Entwicklungsniveau
1.2.3 Entwicklungsfähigkeit(en) der Organisation
1.2.4 Bewältigungskompetenz und -begleitung

2 Die stationäre Altenhilfe - Spezifika, Situation und Tendenzen
2.1 Aufgabe der Altenhilfe
2.2 Angebotsformen und Finanzierung
2.3 Zielgruppe der stationären Altenhilfe
2.4 Inhaltlich-theoretische Leitlinien der Altenhilfe
2.4.1 Wurzeln und Orientierung der Altenhilfe
2.4.2 Abhängigkeit von gesellschafts- und sozialpolitischen Prämissen
2.4.3 Die Altenhilfe - eine Disziplin zwischen Sozial- und Gesundheitswesen
2.5 Der Mensch im Mittelpunkt der Dienstleistung
2.6 Die Altenhilfe im Wandel
2.6.1 Der Wandel der Marktbedingungen
2.6.2 Der Wandel der Anforderungen
2.6.3 Die sich wandelnde Öffentlichkeit
2.6.4 Auf dem Weg zu einem spezifischen Altenhilfemanagement?

3 Entwicklungsdimensionen für ein Management von Einrichtungen der stationären Altenhilfe
3.1 Die Dimension der inhaltlichen Ziel(aus)richtung
3.2 Die Dimension der verstärkten Subjektorientierung
3.2.1 Orientierung am Kunden
3.2.2 Orientierung auf den Mitarbeiter
3.2.3 Orientierung auf die Führungskräfte
3.3 Die Dimension der individuellen und organisationalen Professionalisierung
3.4 Die Dimension, Öffentlichkeit zu schaffen
3.5 Die Dimension des Balancemanagement
3.6 Die Dimension der Bewältigung von (An-)Forderungen

4 Entwicklungsorientiertes Management
4.1 Theorieverständnis
4.1.1 (System-)Entwicklungsverständnis
4.1.2 Systemverständnis und System-Umweltverhältnis
4.1.3 Managementverständnis
4.2 Basiskonzepte als Denkansatz
4.2.1 Konstruktivismus als Inhaltskomponente
4.2.2 Organisationales Lernen als Prozesskomponente
4.2.3 Selbst-Organisation als Funktionskomponente
4.3 Gestaltungsperspektiven als Steuerungsansatz
4.3.1 Systemidentität zur Förderung des Sinnbezuges des Handelns
4.3.2 Heterarchie zur Öffnung von Interaktionsspielräumen
4.3.3 Flexibilität zur Auflösung starrer Kopplungsmuster
4.4 Standortbestimmung für ein Entwicklungsorientiertes Management in der Management- lehre
4.5 Problemfelder und Kritik an den entwicklungsorientierten Managementvorstellungen

Empirischer Teil
5 Hypothesenbildung
5.1 Chancen-Hypothesen
5.2 Risiken-Hypothesen
6 Forschungsdesign
6.1 Erhebungsmethode: Experten-Interview
6.2 Interviewleitfaden
6.3 Definition und Auswahl der Experten
6.4 Durchführung der Interviews
6.5 Analyseverfahren
6.5.1 Datenaufbereitung
6.5.2 Datenauswertung

7 Vorstellung der Ergebnisse
7.1 Kenntnis über den Ansatz des entwicklungsorientierten Managements
7.2 Ergebnisse zu den Chancen-Hypothesen
7.2.1 Herausforderungen der Altenhilfe
7.2.2 Entwicklungsaufgabe der inhaltlichen Ziel(aus)richtung
7.2.3 Entwicklungsaufgabe der Subjektorientierung
7.2.4 Entwicklungsaufgabe der Professionalisierung
7.2.5 Entwicklungsaufgabe der Öffentlichkeitspflege
7.2.6 Entwicklungsaufgabe des Balancemanagements und der Bewältigungskompe- tenz
7.2.7 Entwicklungsaufgabe der Bewältigung von (An-)Forderungen
7.2.8 Gesamtbewertung der Chancen
7.3 Ergebnisse zu den Risiken-Hypothesen
7.3.1 Gestaltungselement der „Systemidentität“
7.3.2 Gestaltungselement der „Heterarchie“
7.3.3 Gestaltungselement der „Flexibilität“
7.3.4 Reaktionen
7.3.5 Gesamtbewertung der Risiken und Reaktionen

8 Diskussion der Ergebnisse
8.1 Individuelle und organisationale Professionalisierung fortführen
8.2 Entwicklungsrisiken minimieren
8.3 Die Orientierung auf den Menschen stärken
8.4 Flexibilität im Blickfeld?

9 Schlussfolgerungen für ein Entwicklungsmanagement von Herausforderungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Zeitungsartikel, Wandel ist unser Schicksal
Anhang 3: Zeitungsartikel, Die Weltstunde schlägt
Anhang 4: Zeitungsartikel, Juristentag für Lockerung bei der Sterbehilfe
Anhang 5: Zeitungsartikel, Alzheimer-Krankheit bedroht Sozialsysteme
Vertraulicher Anhang: Interviews
Zusammenfassung in Deutsch
Summary in English

Einleitung

„Nichts in der Geschichte ist beständiger als der Wandel“1. Diese Aussage von Charles Darwin ist eindeutig zu bejahen. Es reicht schon aus, auf die bisherigen eigenen Lebensjahre zurückzuschauen, um somit die selbst erlebten kleinen und großen Veränderungen in Erinnerung zu rufen. Die Evolution ist der Ursprung unseres Lebens und Innovationen, Reformen und Veränderungen sind ein Teil unseres Lebenszyklus. Unser eigenes Streben nach persönlicher Weiterentwicklung ist dazu eine Antriebskraft. So formuliert Oscar Wild, „Ziel des Lebens ist Selbstentwicklung. Das eigene Wesen völlig zur Entfaltung zu bringen, das ist unsere Bestimmung"2.

Der eigene Wunsch nach persönlicher Entwicklung ist für uns nahe liegender und nachvollziehbarer als die Veränderungen, die auf uns einwirken und uns erst einmal weniger vertraut sind. Beides fordert uns immer wieder heraus auf den verschiedenen Ebenen unseres Daseins. Wir sind gefordert als Einzelperson, in unserem persönlichen Umfeld, aber auch als Teil eines sozialen Systems, in denen wir uns organisieren, mitwirken und arbeiten. Je nach persönlicher Konstitution und Lebens- situation und/oder organisationalem Entwicklungsniveau wird die Bewältigung des Wandels und seiner Herausforderungen den Einzelnen so wie das soziale System mehr oder weniger fordern, vielleicht sogar überfordern oder unterfordern. Den Managementverantwortlichen eines Unterneh- mens, eines Betriebes oder einer Organisation kommt in besonderer Weise die Aufgabe zu, sich dem Themenfeld von Wandel und Entwicklung und deren Bewältigung zu stellen. Dies sollte nicht nur für den Bereich der Zukunftsplanung und Zielumsetzung gelten, sondern auch für das operative Geschäft.

Die letzten Jahre meiner studentischen und beruflichen Zeit waren in besonderer Weise geprägt durch mein Interesse an Fragestellungen, die auf Entwicklung ausgerichtet waren. Eine entschei- dende Antriebskraft dazu ist sicher meine persönliche Grundorientierung der beständigen Selbst- und Weiterentwicklung. Im Studium setzte ich mich u.a. mit Fragestellungen der Qualitätsentwick- lung, der Selbstevaluation und der Organisationsentwicklung auseinander. Auch im beruflichen Kontext steht der Blick nach vorne, die Entwicklung als roter Leitfaden im Vordergrund. Meine Aufgabe ist die pädagogische Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf ihrem Weg der persönlichen Weiterentwicklung und Verselbstständigung, in einer Einrichtung der Kinder und Jugendhilfe. Diese Theorie-Praxis-Reflexion wurde von der eigenen Auseinandersetzung mit meinem Führungs- und Leitungsverständnis begleitet. So entstand mein Wunsch, das Themenfeld der Entwicklungsausrichtung und die des Führungsverständnisses im Rahmen der Masterarbeit fachtheoretisch zu vertiefen und durch einen Theorie-Praxis-Austausch die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Ansatzes zu erforschen.

Durch die Literaturrecherche zum Themenbereich Management und Entwicklung wurde ich auf den Theorieansatz des „entwicklungsorientierten Managements"3 (EOM) aufmerksam. Dieser alternati- ve Managementansatz ist ein theoretisch fundierter Denkansatz zur Gestaltung der Entwicklung von Organisationen. Die Orientierung auf die Weiterentwicklung und Höherentwicklung des sozialen Systems steht dabei im Mittelpunkt. Ziel ist es, die eigen Lernfähigkeit der Menschen und des Sys- tems zu erhöhen. Diese systemimmanenten Fähigkeiten sollen dazu befähigen, die Herausforderun- gen zu meistern und die Zukunft mitzuentwickeln. Die Orientierung des Managements auf die Ent- wicklung der Entwicklungsfähigkeit der Organisation und seiner Mitglieder stellt eine herausfor- dernde Aufgabe, nicht nur für das Management, sondern für alle Beteiligten dar. Ist eine solche Aufgabe zu verwirklichen und zu leisten? Unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen ist dies zu bewältigen? Eine erfolgversprechende Umsetzung dieses Konzeptes setzt eine fundierte Auseinandersetzung mit den fachtheoretischen Grundlagen von Entwicklungsprozessen und den spezifischen Besonderheiten des Praxisfeldes voraus (siehe dazu Kapitel 1 und 2).

Bei der Wahl eines Praxisfeldes für diese Masterarbeit habe ich mich für das Arbeitsfeld der statio- nären Altenhilfe entschieden. Diese Entscheidung wurde von verschiedenen Überlegungen, An- nahmen und Motiven geleitet. Zum einen war es mir wichtig, einen Dienstleistungsbereich im Ar- beitsfeld des Managements von sozialen Organisationen auszuwählen, der im letzten Jahrzehnt in besonderer Weise mit Veränderungen konfrontiert war. Als Hypothese lag dieser Überlegung zugrunde, dass in diesen Institutionen ein differenzierter, spezifischer, aber auch durch individuelle (Be-)Wertung geprägter Erfahrungsschatz in der Auseinandersetzung, Umsetzung und persönlichen Bewältigung von Veränderungen und Entwicklungen vorhanden ist. Des weiteren sollte sich dieses Arbeitsfeld durch eine erkennbare Zukunftsrelevanz auszeichnen. Diesem Motiv liegt die Hypothe- se zugrunde, dass die Organisationsverantwortlichen solcher Institutionen ein offensichtliches Ei- geninteresse an einer Entwicklungsthematik mitbringen. Zuletzt war für die Auswahl ebenso das Motiv entscheidungsleitend, mein theoretisch-berufliches Spektrum durch die Auseinandersetzung mit einem neuen Arbeitsfeld zu erweitern und somit einen weiteren Schritt zur eigenen persönlichen und beruflichen Entwicklung zu gehen.

Bezogen auf das Praxisfeld, ist die Frage von Interesse, inwieweit der Theorieansatz mit den Spezifika der Altenhilfe vereinbar ist. Von besonderer Bedeutung ist aber auch, inwieweit das Konzept eine Hilfestellung zur Lösung der Altenhilfe relevanten Herausforderungen darstellt. Um diesen Fragen nachgehen zu können, werden im dritten Kapitel die Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben der stationären Altenhilfe formuliert. Sie stellen eine Synthese aus den vorhergehenden Kapiteln dar. Im letzten Schritt, der Darstellung des Forschungsstandes, wird als Wissenshintergrund und theoretisches Fundament der stark theoriegeleitete, wissenschaftliche Ansatz des „entwicklungsorientierten Managements“ vorgestellt.

Eine weitere und sehr zentrale Frage für das Management von Entwicklungen ist die Auseinander- setzung mit den Möglichkeiten, aber auch Grenzen eines solchen Entwicklungskonzeptes. Dies soll- te nicht als einmalige Obliegenheit sondern als wiederkehrende, prozessbegleitende Management- aufgabe geleistet werden. Um diesem Forschungsinteresse nachzugehen, wurde als forschungslei- tende Fragestellung herausgearbeitet: „Welche spezifischen Chancen und Risiken lassen sich aus dem entwicklungsorientierten Management für die Herausforderungen der stationären Altenhilfe ableiten“?

Der empirische Teil der Arbeit beginnt mit der Hypothesenbildung zu den Chancen und Risiken des entwicklungsorientierten Managements (siehe Kapitel 5). Im Weiteren wird in Kapitel 6 das For- schungsdesign beschrieben, welchem ein qualitativer Ansatz zugrunde liegt. Als Forschungsmetho- de wurde die Durchführung von leitfadengestützten Experteninterviews ausgewählt. Dabei steht das Erfragen von Expertenwissen zum Altenhilfemanagement, das Vorgehen bei der internen Weiter- entwicklung der Organisation und dem dabei zugrundeliegenden Managementansatz im Mittelpunkt des Interesses. Es wurden acht Heimleitungen von Einrichtungen der stationären Altenhilfe aus dem Bundesgebiet befragt. Bei der Auswahl der Experten wurde in besonderer Weise berücksichtigt, welchen Erfahrungsschatz diese mit Entwicklungen gesammelt haben und welchen Wissensstand die Befragten bezogen auf die Managementlehre haben. Nach der Auswertung der Interviews folgt in Kapitel 7 die Vorstellung der Ergebnisse, gefolgt von der Diskussion dieser im achten Kapitel. Hier steht die Auseinandersetzung zwischen dem Managementpraxiswissen und der Management- theorie im Vordergrund. Die Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit werden im neunten Kapitel ab- schließend dargestellt.

Forschungsstand

1 Zentrale Voraussetzungen für Entwicklungsprozesse

Jedes soziale System, in dem Menschen organisiert sind, ist in Bewegung und wird von Verände- rungen determiniert. Die zukunftsorientierte und -sichernde Weiterentwicklung eines Unterneh- mens, eines Betriebes oder einer sozialen Institution ist durch zielgerichtete Entwicklungsprozesse zu gestalten. Zur systemischen Gestaltung dieser Prozesse ist ein spezifisches und organisationsbe- zogenes Managementverständnis und -konzept von Entwicklungen auszubilden. Als Grundlagen dazu dienen ein Verständnis vom Ursprung und dem Umgang mit Wandlungsprozessen und die für Entwicklungsprozesse notwendigen Basiskompetenzen, die im Folgenden dargestellt werden.

1.1 Der Wandel - Grundlagen und Trends

Der allgegenwärtige, umfassende, dynamische, komplexe und nicht so leicht aufzuschlüsselnde Wandel fordert alle Menschen direkt oder indirekt zu Veränderungen heraus und stößt Reaktionen an. Das Erkennen der sich wandelnden Bedingungen und die Auseinandersetzung damit bedarf ei- nes grundlegenden Verständnisses über den Wandel. Dieses Wissen bildet die Basis für eine dezi- dierte Vorgehensweise zur individuellen und organisationalen Bewältigung und Weiterentwicklung.

1.1.1 Der Mensch als Ursprung und Triebfeder des Wandels

Die allmählich fortschreitende evolutionäre Entwicklung des Erdballs, des Universums und der Menschheit ist schöpferischer Ursprung, fundamentales Phänomen und Überlebens-Prinzip zugleich. Neben der biologischen Entwicklung, die auch ohne unser Zutun geschieht, aber sich zunehmend als Folge unseres Handelns verändert, ist der Mensch die Triebfeder der Entwicklung. Das Individuum strebt nach Selbstentwicklung und nach der Entwicklung seiner Lebenswelt. Jens Voss erklärt dieses Streben so: „(...) weil es unsere Natur ist (...), weil es zum Überleben gehört (...) und weil menschliche Größe nun mal an Entwicklung gebunden ist"4.

Jeder Mensch ist nicht nur Ausgangspunkt des eigenen Werdens und des Wandels seiner direkten Lebenswelt, er steht auch im Mittelpunkt von Veränderungen. Ohne sein Wirken als Initiator gibt es keine Veränderungen in Organisationen und ohne sein Mitwirken als Betroffener, sind sie kaum umsetzbar. Dieses Verständnis über den Menschen als Ursprung und letztendlich auch als Betroffe- ner und Mitwirkender des Wandels, legt aus ganzheitlicher Sichtweise deutlich nahe, wie wichtig die Beachtung und Einbeziehung des Menschen bei Veränderungsprozessen ist. Denn, wie Lievegoed grundsätzlich aufzeigt, hat der Mensch neben den elementaren physischen Bedürfnissen auch psychische Bedürfnisse, wie Anerkennung, Interesse und Freundschaft bzw. geistige Bedürfnisse, wie z.B. der Wunsch nach Selbstverwirklichung, Entfaltung, und Verantwortung in der Arbeit5. Der Umgang des Systems mit dieser Eigendynamik prägt und kennzeichnet die Organisation und deren Fähigkeit oder Unfähigkeit zum Organisationswandel. Der organisationalen Entwicklung kommt auf Grund der sich stärker wandelnden Bedingungen mehr an Bedeutung zu.

1.1.2 Der Wandel des Wandels

Unsere Lebens- und Arbeitswelt und die sie beeinflussenden Phänomene, wie z.B. die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten, verändern sich inhaltlich und qualitativ in immer kürzeren Zeiten6. Diese steigende Dynamik und Komplexität der Verhältnisse wird auch als Dynaxität7 bezeichnet. Klimecki/Probst/Eberl bezeichnen diese Entwicklung als Wandel des Wandels8. Für sie rücken komplexe, unvorhersehbare Aufgaben und umfassende Problemkonstellationen immer mehr in den Managementalltag. Sie gehen davon aus, dass immer mehr von einem Management des Unberechenbaren zu sprechen ist, als von einem geplanten Wandel9. Diese Entwicklung fordert das Management heraus, neue Wege zur Bewältigung in der Gegenwart und bei der Planung der Zukunft zu entwickeln. Dabei sind die zentralen Trends des Wandels als Bedingungen und Determinanten der eigenen Entwicklung im Blick zu behalten.

1.1.3 Zentrale Trends

Die sich wandelnden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozioökonomischen Bedingungen sind vielschichtig und nur schwer zu definieren. Sie stellen wichtige Determinanten und Anhalts- punkte einer möglichen Veränderung der Bedingungen und auch der eigenen Entwicklung dar. L. Rosenstiel und G. Comelli identifizierten zehn zentrale Trends des Wandels: „Die Verwissenschaft- lichung der Welt“, „verstärkte Information und Kommunikation durch Technisierung“, „Internatio- nalisierung und Globalisierung“, „Verrechtlichung der Beziehungen“, „Werte im Wandel“, „Sieg des Marktes als Ordnungsprinzip“, „Von der Landwirtschaft über die Produktion zur Dienstleis- tung“, „Bevölkerungsentwicklung“, „Verknappung und „Die Bedrohung des Ökosystems“10. Diese Trends sollten im Fokus bleiben und auf ihre Rele- vanz für die organisationale Situation hin überprüft werden. Darüber hinaus sollten aus ganzheitli- cher Sicht auch die Reaktionen der Menschen, die von Veränderungen und Entwicklungen betrof- fen sind oder die voraussichtlichen Auswirkungen auf diese, in ein Verständnis des Wandels mit einbezogen werden.

1.1.4 Reaktionen auf den Wandel

Der skizzierte Wandel fordert nicht nur den Einzelnen, sondern auch ihn zu Veränderungen heraus. Auf diese Veränderungen erfolgt eine Reaktion des Einzelnen oder des Systems. Diese können ge- wollt oder ungewollt und erwünscht oder unerwünscht sein. Die Reaktionen können direkt oder verzögert erfolgen und sichtbar oder versteckt sein. Sie können das Ziel unterstützen, die geplante Veränderung erschweren oder sogar verhindern. Als Beispiel sei genannt, dass sich als Folge aus dem Wandel in der Arbeitswelt veränderte Erwartungen der Menschen an ihre Arbeits- und Le- benswelt entwickelten11. Bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen ist zu berücksichtigen, welche Reaktionen auf Veränderungen erfolgen, welche Schwierigkeiten entstehen und welche Grenzen sich ergeben können. Dies legt aus systemischer Sichtweise nahe, wie wichtig die Ent- wicklung und Festigung eines persönlichen Grundverständnisses im Umgang mit Wandel ist.

1.1.5 Entwicklung eines Grundverständnisses im Umgang mit dem Wandel

Als Basis für die Bewältigung der beschriebenen Grundzüge des Wandels und die Vielfältigkeit der Trends sollte ein persönliches und organisationales Grundverständnis im Umgang mit dem Wandel entwickelt werden. Eine wesentliche Grundlage ist die Einsicht, den Wandel und die Veränderung als Teil des Lebensflusses anzusehen bzw. zu akzeptieren und eine grundsätzliche Veränderungsbe- reitschaft mitzubringen. Dies ist als grundlegende Haltung für eine positivistische Herangehenswei- se zu verstehen. Eine ergänzende Erfolgsgröße ist die Auseinandersetzung und Erkenntnis über die individuelle, persönliche Sichtweise und Haltung im Umgang mit Veränderungen. Darüber hinaus sollte als Orientierung auch die Festlegung der eigenen Grenzen, der eigenen Messlatte, in dessen Rahmen Veränderungen akzeptabel sind, erfolgen. Das skizzierte Grundverständnis ebnet den Weg zur Wahrnehmung des Wandels und die Fokussierung auf das Wesentliche. Die Herausforderung, den vielfältigen und komplexen Wandel anzugehen und zu bewältigen, wird leichter fallen, wenn neben dem geschilderten Grundverständnis zum Wandel auch ein vielfältiges und erfolgverspre- chendes Repertoire der Veränderungskompetenzen im sozialen System zur Verfügung steht.

1.2 Die Basiskompetenzen für Entwicklungsprozesse und -management

Eine weitere Entwicklungsgrundlage und -hilfe stellt die Einsicht dar, dass für die Bewältigung oder Gestaltung von Veränderungsprozessen auch die Basiskompetenzen des Individuums oder des sozialen Systems zu beachten und weiter zu entwickeln sind. In der Fachliteratur werden diese als Basisfaktoren das Entwicklungsniveau12 und die -fähigkeit13 des Systems und seiner Mitglieder benannt. Diese Basiskompetenzen sind jedoch noch durch die Kompetenzen des „Entwicklungshorizonts“ und der „Bewältigungskompetenz“ zu ergänzen, wie dies im vorhergehenden Kapitel bereits angedeutet wurde. Mit diesen vier Kompetenzen sollte eine gelingende Basis für die Bewältigung und das Management von Entwicklungsaufgaben gelegt werden.

1.2.1 Die Kompetenz, den Entwicklungshorizont zu fokussieren

Eine nicht zu unterschätzende Starthilfe und Orientierungsgröße für Entwicklungsprozesse ist die Kompetenz, den Entwicklungshorizont zu fokussieren. Darunter ist die Kompetenz zu verstehen, Impulse und Entwicklungen zu erkennen und anschließend aus der Breite der Trends diejenigen herauszufiltern, die für die eigene Organisation von entscheidender Relevanz sind. Als Grundlage dafür sollte ein zu entwickelnder, breiter, aber spezifisch-differenzierter Horizont der Blickrichtun- gen dienen. Als Blickrichtungen sind die in der Theorie von Organisationsmodellen14 beschriebene Unterteilung von Organisationsumwelt und -innenwelt ein hilfreiche Orientierung. Diese Innen- und Außenansicht ist jedoch nicht mechanistisch, also als Funktionssystematik sondern mehr sys- temisch, als Orientierungssystematik, zu verstehen. Denn der Mensch ist sowohl Mitglied der Or- ganisation als auch ein Teil des gesellschaftlichen Umfeldes. Die Einbeziehung des Individuums als Bezugsfaktor ist gerade für ein Management von Veränderungen eine aus systemischer Sicht not- wendige Erweiterung der Sichtweise. Die Fokussierung auf das für die Organisation Wesentliche bildet die Basis für einen entwicklungs- und praxisnahen Veränderungs- und Weiterentwicklungs- weg der Organisation. Als weitere Entwicklungsgrundlage ist das Entwicklungsniveau der Organi- sation und des Einzelnen zu beachten.

1.2.2 Entwicklungsniveau

Das Entwicklungsniveau eines sozialen Systems ist der Erfahrungsschatz der Organisation. Von der Gründung einer Institution bis zu deren Auflösung durchlaufen Organisationen verschiedene Ent- wicklungsphasen, die auch als Entwicklungsstufen oder -niveaus bezeichnet werden. Jedes soziale System ist in Bewegung, verändert und entwickelt sich. In der Managementliteratur werden dazu unterschiedliche Phasenmodelle beschrieben. Diese Konzepte haben eine gewisse Entwicklungslo- gik gemeinsam, nämlich das Verständnis, dass jeder Organisation die Möglichkeit der Entwicklung offen steht und diese in verschiedenen Phasen verläuft. Diese folgen aufeinander, jedoch nicht zwangsläufig, wenn ein Entwicklungsniveau erreicht wurde15. Das Entwicklungsniveau einer Orga- nisation ist die Grundlage auf der Entwicklungsprozesse aufzubauen sind. Die Beachtung und die wiederkehrende Analyse des Entwicklungsniveaus sind als Basismanagementaufgabe zu gestalten. Dabei stellen die Entwicklungsfähigkeiten der Organisation eine hilfreiche Orientierungsgröße dar.

1.2.3 Entwicklungsfähigkeit(en) der Organisation

Die Fähigkeiten eines sozialen Systems stellen eine Entwicklungsgrundlage dar, deren Zusammen- spiel die Entwicklung vorantreibt. Um den hilfreichen Entwicklungsfähigkeiten eines sozialen Sys- tems näher zukommen wird der Ansatz von R. Reinspach zur Hilfe genommen. Dort werden die kognitiv-instrumentellen, die moralisch-praktischen und die ä sthetisch-expressiven Fähigkeiten unterschieden16. Zu den kognitiv-instrumentellen Fähigkeiten zählen die Handlungs- und Lern- bzw. Erkenntnisfähigkeit des sozialen Systems. Von diesen Fähigkeiten des sozialen Systems, in- wieweit es gelernt hat und instrumentalisiert hat, zu lernen bzw. hinzuzulernen, hängt z.B. ab, wel- che Hand-lungsoptionen vor einer Entscheidung zur Verfügung stehen17. Den moralisch- praktischen Fähig-keiten liegt das Verständnis, die Einsicht und das Verantwortungsbewusstsein zugrunde, dass sich die eigenen Entscheidungen und Handlungen nicht nur intern auswirken, son- dern auch auf das Um-feld der Organisation. Die Berücksichtigung der Interessen Anderer ist für das unternehmerische Handeln wichtig. Durch die Auseinandersetzung mit der unternehmerischen Verantwortung entfal-ten sich die moralischen Fähigkeiten, die als Grundhaltung mit den ästheti- schen Fähigkeiten ver-bunden sind18. Je mehr es gelingt, sich den Interessen und Bedürfnissen der Beteiligten zu öffnen und diese in authentischer und nicht manipulierter Weise zu erfassen und mit in das unternehmeri-sche Handeln einzubeziehen, desto mehr entwickeln sich ä sthetische Fähigkei- ten19. Neben der hier beschriebenen Beachtung des Anderen sind aus ganzheitlicher Sicht und für eine erfolgverspre-chende Entwicklung bei Entwicklungen und Veränderungen die daran beteiligten und davon betrof-fenen Menschen einzubeziehen und gezielt bei der Bewältigung der Veränderungen zu begleiten. Dies zeigt eine weitere Basiskompetenz auf.

1.2.4 Bewältigungskompetenz und -begleitung

Im Verlauf der Umsetzung von Entwicklungszielen oder der Bewältigung von Veränderungsschrit- ten kommt der Bewältigungskompetenz und -begleitung eine besondere Bedeutung zu. Je konkreter der Wandel für die Organisation und deren Menschen spürbar und erlebbar wird, desto deutlicher zeigen sich die individuellen oder organisationalen Reaktionen darauf und die Kompetenzen zu ihrer Bewältigung.

Auf dem Weg der Bewältigung von Wandlungsprozessen gehen erst einmal Orientierung und Si- cherheit verloren. Der Mensch reagiert auf individuelle Weise auf Veränderungen und Wandlungs- tendenzen. Er kann den Wechsel als Geschenk und Chance sehen, mit ihm Hoffnung verbinden oder ihn als Fluch und Schicksal ansehen, der Angst auslöst20. Die Angst vor dem Verlust von Ver- trautem und Sicherheit und der vor Neuem und Unbekanntem kann zum Beharren auf das Bisherige führen21. Sicher fällt es im ersten Moment leichter zu beharren, doch verhindert dies auf Dauer den Blick nach vorne und blockiert die eigene Weiterentwicklung. Dem Einzelnen fällt es sicher schwe- rer, sich mit den an ihn gerichteten Anforderungen auseinander zu setzen, als wenn es sich um eige- ne Ansprüche und Ambitionen handelt. Die Reaktion des Einzelnen auf Veränderungen und Span- nungsfelder wird auf seinen Erfahrungen im Umgang mit Änderungen und seinen erlernten Bewäl- tigungsstrategien beruhen. Des weiteren wird dies auch von seiner aktuellen privaten und berufli- chen Situation und Zufriedenheit sowie der organisationalen und gesellschaftlichen Bedingungen abhängen.

Das Maß der Fähigkeiten und Erfahrungen des Einzelnen und des sozialen Systems bei der Bewäl- tigung von Veränderungen ist bei Organisationsentwicklungsprozessen von den Managementver- antwortlichen in besonderer Weise zu berücksichtigen und im operativen Geschäft zu etablieren. Dem Management obliegt die Aufgabe, das Betriebsklima, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die psychosoziale Situation und Balance des Individuums, welche alle von Wandlungsprozes- sen betroffen sind, mit zu beachten und entsprechende Überlegungen dazu in die Entwicklungspla- nung und bei der -umsetzung einfließen zu lassen. Nicht nur den Teams, sondern auch dem Einzel- nen soll die Möglichkeit der persönlichen Auseinandersetzung und Bearbeitung der Veränderungsdynamik ermöglicht werden. Daher ist es von Wichtigkeit für eine positive und gelungene Entwicklung der Organisation, einen Wissens- oder sogar Erfahrungsschatz im Umgang mit Veränderungen in der Institution auszubilden.

Eine weitere Managementaufgabe ist darin zu sehen, trotz Veränderungen einen Stabilitätskontext, unter Berücksichtigung von Kontinuität und Sicherheit, zu schaffen. Dieser setzt jedoch voraus, dass der Veränderungsweg frühzeitig angegangen wird und nicht als Aktion in Krisenzeiten zu verstehen ist. Die Leitlinien einer Bewältigungsbegleitung sollten geprägt sein vom Gefühl der Verstehbarkeit22, der Stabilität und Sicherheit, trotz Veränderung, dem Erleben von Handhabbarkeit23, der Bewältigung des Zusammenspiels von Individuen, dem Thema Macht und Ohnmacht und der Bedeutung und Stellung des Menschen im Umgang mit Veränderung.

Die in diesem Kapitel beschriebenen Trends und die Grundzüge des Wandels sowie die Basiskom- petenzen für Entwicklungsprozesse und -management bedürfen im Sinne der aufgezeigten Blick- feldfokussierung auch einer Spezifizierung, bezogen auf das Arbeitsfeld der Organisation. Dazu wird nun, anhand des ausgewählten Forschungsfeldes der Altenhilfe, deren Situation und Spezifika beschrieben.

2 Die stationäre Altenhilfe - Spezifika, Situation und Tendenzen

Die Altenhilfe mit ihren verschiedenen Dienstleistungsangeboten ist ein historisch gewachsenes Angebot, welches sich immer weiter ausdifferenziert. Dieses Arbeitsfeld wird als inhomogenes Ar- beitsfeld beschrieben und als Zukunftsmarkt bezeichnet. Die Einrichtungen der Altenhilfe bewegen sich nicht erst seit heute im Spannungsfeld zwischen ihren traditionellen Wurzeln, trägerspezifi- schen Leitlinien, den gesetzlichen Vorgaben, den wirtschaftlichen Erfordernissen, einem moderne- ren Dienstleistungsverständnis und dem steigenden Konkurrenzdruck. Daraus wird sich ein spezifi- scher Erfahrungsschatz gebildet haben, der eine erfolgversprechende Basis zur Bewältigung der aktuellen und anstehenden Entwicklungen darstellt. Denn die Altenhilfe wird auch weiterhin unter Wandlungsdruck stehen, nicht nur auf Grund der demografischen Entwicklung.

2.1 Aufgabe der Altenhilfe

Mit Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) im Jahre 1972 wurde nicht nur der Begriff Altenhilfe geprägt, sondern auch die staatliche Verpflichtung der Kommunen zur Hilfe gegenüber älteren Menschen in § 75 BSHG festgeschrieben, die so genannte Daseinsvorsorge. Altenhilfe soll gewährt werden, „(...) wenn altersbedingte Schwierigkeiten zu überwinden oder zu mildern sind"24.

2.2 Angebotsformen und Finanzierung

Die Altenhilfe ist geprägt durch ein breites Spektrum von Angeboten und Leistungen für ältere Menschen, die von stationären, teilstationären und ambulanten bis zu offenen Hilfen reicht. Zu den hier im Mittelpunkt stehenden Angebotsformen der stationären Hilfe gehören Altenheime, Altenpflegeheime, Altenwohnheime, Altenwohnstifts, Altenwohnungen ebenso wie Betreutes Wohnen25. Die Einrichtungen werden in Trägerschaft von öffentlichen, freigemeinnützigen oder privaten Organisationen geführt und finanzieren sich durch eine Vielzahl von Kostenträgern, wie Selbstzahlern, Kranken-, Pflegekasse und Sozialgeld, der bisherigen Sozialhilfe26.

2.3 Zielgruppe der stationären Altenhilfe

Die Zielgruppe der stationären Altenhilfe sind ältere Menschen27, die auf Grund multifatorieller Hintergründe auf stationäre Hilfe angewiesen sind und die Hauptkundengruppe28 der Einrichtungen darstellen. Die altersbezogene Bewohnerstruktur und die spezifischen Bedarfslagen differenzieren sich auf Grund des derzeitigen Wandels. Determinanten dieser Entwicklung sind u.a. die Verlänge- rung der Altersphase, die nicht selten mehr als 30 Jahre umfassen kann29, die erhöhte Lebenserwar- tung, die frühere Entberuflichung30, die gesellschaftliche Entwicklung und der medizinische Fort- schritt. Die steigende Zahl der immer älter werdenden Menschen hat immer mehr Hochaltrige in der Altenhilfe zur Folge. Wie Untersuchungen bestätigen, ist Hochaltrigkeit vermehrt, wenn auch nicht zwangsläufig „(...) mit Isolierung, chronischer Krankheiten, Multimorbidität, Demenz, Pflege- bzw.

Behandlungsbedürftigkeit und Hilfeabhängigkeit verbunden“31. Dies führt auch zur Veränderung der spezifischen Bedarfslagen, wie die Betreuung demenziell Erkrankter und Menschen mit Behin- derung32. Die bisher auf Hilfe, Versorgung und Betreuung ausgerichtete traditionelle Altenhilfe mit ihren spezifischen Leitlinien kommt auf Grund der sich differenzierenden Gruppe der Alten an ihre Grenzen33.

2.4 Inhaltlich-theoretische Leitlinien der Altenhilfe

Die Altenhilfe und das -management ist durch eine Vielzahl von internen und externen inhaltlichtheoretischen Leitlinien, formalen Vorgaben oder gesellschaftlichen Impulsen gekennzeichnet, die weiterhin im Wandel sind. Zu den wesentlichen Leitlinien zählen die historischen und sozialrechtlichen Wurzeln, die gesellschafts- und sozialpolitischen Grundlagen und die interdisziplinäre Profession zwischen Sozial- und Gesundheitswesen.

2.4.1 Wurzeln und Orientierung der Altenhilfe

Auf Grund der Entwicklungsgeschichte der Altenhilfe, die bis ins Mittelalter zurück führt34, und der spezifischen Identitätsentwicklung der Organisationen, haben diese eine lange Tradition in der Aus- einandersetzung mit wert- und sinnorientierten Hilfeleistungen35. Die historischen Orientierungen sind gekennzeichnet durch das Fürsorge- und Kontrollprinzip36 und wurden geprägt vom patoge- nethischen, defizitorientierten und somatischen Denken37. Dies zeigt sich auch noch im Pflegever- sicherungsgesetz, dem ein somatisch determiniertes Begriffsverständnis von Krankheit und Behin- derung und ein reduzierter Pflegebegriff zugrunde liegt. Dem gegenüber zeigen sich deutliche Ent- wicklungstendenzen in Richtung einer offensiven, positivistischen, ganzheitlichen und gesundheits- orientierten Sichtweise38. Hier geht es um einen Paradigmenwechsel der Sichtweise von der Ver- sorgungs- zur Betreuungs- und Beteiligungsperspektive39 und, wie in der sozialen Arbeit allgemein, von der Objekt- zur Subjektförderung40. Hinzu kommt, dass die wertorientierten, sozialen Organi- sationen in besonderem Maße von den sich ändernden gesellschaftlichen Werthaltungen berührt sind. Die Diskussion über Sterbehilfe41 und der Einsatz der lebenserhaltenden Gerätemedizin gehö- ren dazu.

2.4.2 Abhängigkeit von gesellschafts- und sozialpolitischen Prämissen

Die Altenhilfe war und ist weiterhin in besonderer Weise von gesellschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen, Prämissen und Leitbildern beeinflusst. Vor allem die Entscheidungen auf politi- scher Ebene im „(...) Krankenversicherungs-, Rentenversicherungs-, Pflegeversicherungs- und Re- habilitationsrecht (...)“42 zeigen dies. Aktuell ist die Verabschiedung einer erneuten Gesundheitsre- form im Februar diesen Jahres zu nennen. Auf Grund der prognostizierten Bevölkerungsentwick- lung in den nächsten Jahrzehnten hin zu einer Alterung der Gesellschaft, werden weitere politische Weichenstellungen zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Sozialversicherungen folgen. Auch in den letzten Jahren wurde die Altenhilfe stark von den gesetzlichen Strukturbedingungen der Finan- zierung und die der qualitativen Mindeststandards beeinflusst, die seit der Einführung der Pflege- versicherung gelten43. Die „Hilfe zur Pflege" wurde damit auf eine neue Logik umgestellt, hin zur Rationierung, Rationalisierung und verstärkten, aber begrenzten Wahloption für die Betreuten selbst44. Aber auch durch die politische Prämisse, ambulant vor stationär, gewannen präventive, rehabilitative und nachsorgende Leitbilder an Bedeutung45. Diese Entwicklungen veränderten die Angebotsvielfalt in der Altenhilfe sowie die Dienstleistungsstrukturen und -bereiche in den Alten- hilfeeinrichtungen nachhaltig.

2.4.3 Die Altenhilfe - eine Disziplin zwischen Sozial- und Gesundheitswesen

Die Altenhilfe wird als ein interdisziplinäres Feld und Schnittstelle zwischen Sozial- und Gesund- heitswesen bezeichnet. Dies wird begründet mit den in der Altenhilfe tätigen, verschiedenen Profes- sionen, dem Bedeutungsverlust von sozialen Bedarfslagen, hin zu so genannten harten Bedarfslagen im medizinischen Sinne und die besondere Bedeutung der Pflege. Es zeigen sich Tendenzen zu ei- ner Aufgabenverschiebung hin zum pflegerischen und medizinisch-technischen Dienst und die Übernahme von organisatorischen und medizinischen Aufgaben durch die Pflege. In der Frage, ob sich die Altenhilfe derzeit zum Gesundheitsbereich hinbewegt oder dies nur eine neue Akzentuie- rung darstellt, besteht zwischen den Autoren derzeit keine Einigkeit46. Es könnte langfristig zu einer Veränderung der Akzentuierung der Aufgaben bei der Dienstleistungserstellung kommen.

2.5 Der Mensch im Mittelpunkt der Dienstleistung

Die Betreuung, Versorgung und Pflege der Bewohner von Altenhilfeeinrichtungen ist primär ein personen- und interaktionsbezogener Dienstleistungsbereich, trotz standardisierter und ritualisierter Handlungen, d.h. entpersonalisierter Arbeiten. Der Mensch steht hier als Subjekt im Mittelpunkt des Dienstleistungsprozesses, an dem die Betreuenden, die Bewohner und die Angehörigen in unter- schiedlicher und individueller Intensität mitwirken und gemeinsam interagieren. Bei der Betrach- tung der Betreuungssituation in der Altenhilfe ist die Bedeutung und die Pflege der zwischen- menschlichen Kontakte des Beziehungsdreieckes47 Bewohner, Angeh ö rige und Betreuungspersonal mit einzubeziehen.

Für den alternden Menschen ist das höhere Lebensalter und der Übertritt ins Heim wie jeder neuer Lebensabschnitt mit sich ändernden Aufgaben und Problemen verbunden und stellt eine Herausforderung und eine psychosoziale Belastungssituation dar. Die Veränderungen können für den neuen Bewohner mit Entwurzelung, Trennungsproblematik, Gefühlen von Verletzung, Schmerz, Trauer, Wut und Verzweiflung, Orientierungsängste und Angst vor dem Alleinsein verbunden sein. Verstärkt wird dies sicherlich, wenn die Heimaufnahme ein unerwünschtes und unkontrollierbares Lebensereignis darstellt und deren Hintergrund die aktuelle Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist48. Die Heimunterbringung bietet jedoch auch vielfältige Chancen für den Bewohner: Für Menschen, die vorher sozial isoliert lebten, mehr Kontaktmöglichkeiten und Aktivitäten oder für andere eine geregelte Ernährung und einen vorstrukturierten Tagesablauf.

Ein Einzug in ein Altenpflegeheim bringt, neben der beschriebenen Eigendynamik, auch Familien- dynamik mit sich. Diese kann sich dann auf die entsehende Betreuungssituation in der Einrichtung übertragen, wenn Familienangehörige oder nahe Verwandte bzw. Freunde den alten Menschen wei- ter begleiten oder Pflegende die bisherigen Rollenfunktionen unreflektiert übernehmen. Finden Be- wohner keine Pflegekraft, die diese Rolle mit den gestörten Interaktionsmustern übernimmt, erholen sich die Bewohner relativ schnell49. Die psycho-soziale Lebensqualität im Alter hat wesentlich ih- ren Ausgangspunkt in der Ursprungsfamilie. Dies wird vom Autor besonders betont, weil er davon ausgeht, dass die Ausgrenzung des Subjektes zunächst psychosomatische Krankheitsbilder und schließlich deren Chronifizierung hin zu organischen Krankheiten zur Folge haben kann50.

Der Heimaufenthalt kann von einem Spannungsfeld beherrscht sein, welches sich zwischen dem Wunsch der Selbstständigkeit und Unversehrtheit und der Hilfsbedürftigkeit und dem Angewiesen- sein auf andere bewegt51. Die Hilflosigkeit nimmt zu, je mehr die zu Pflegenden keine Kontrolle über die meisten, sie betreffenden Ereignisse haben. Die Bewohner sollten in ihrer psycho-sozialen Weiterentwicklung und bei der Intensivierung des emotionalen Lebens gefördert werden, außerdem sollten entsprechende Bedingungen für die Verlangsamung des biologischen Alterns und die kör- perliche Versorgung, Betreuung und Pflege geschaffen werden52. Denn auch der „(.) so genannte Schwerstpflegefall bedarf im Alter einer stabilisierenden und also psychisch-seelischen Betreu- ung“53.

Die sich um den Bewohner kümmernden Angeh ö rigen oder andere ihnen nahe stehende Bezugspersonen haben nicht nur für die Bewohner, sondern auch im Kontakt zu den Pflegenden eine nicht zu vernachlässigende Funktion oder nehmen eine bestimmte und/oder eine bestimmende Rollen ein. Die bisher praktizierten Interaktionsmuster aus der Zeit vor der Heimaufnahme oder während der Betreuung eines Familienmitgliedes werden mit in den Heim- und Betreuungsalltag hineingenommen. Dies kann dazu führen, dass zu der Betreuung des Bewohners dann auch noch die psychosoziale Pflege der Familienangehörigen zu praktizieren ist54.

Den Pflegekr ä ften in Altenhilfeeinrichtungen kommt eine zentrale Rolle bei der Dienstleistungser- stellung und der Alltagsorganisation zu. Sie sind die direkten Kontakt-, Versorgungs- und Pflege- personen der Bewohner. Sie sind aber auch Ansprechpartner für die Angehörigen, die Mitarbeiter der sie ergänzenden Dienstleistungen und des Managements der Einrichtung. Durch die Betreu- ungsnähe werden sie direkter und „(...) gehäuft mit negativen existenziellen Erlebnissen konfron- tiert“55. Sie sind fast täglich Zeugen des Wechselspiels zwischen leichter Verbesserung oder Abbau der körperlichen und menschlichen Kräfte56. Ihnen zeigt sich immer wieder die Endlichkeit menschlichen Lebens und der Verlust von Beziehungen. Ebenso müssen immer wieder neue Bezie- hungen geknüpft werden57.

Ein solches interaktionsbezogenes Handeln stellt die Pflegekraft vor die Aufgabe, das subjektive Erleben von Gefühlen des Ekels und der Wut mit der notwendigen Empathie und Beziehungspflege zum Bewohner in Einklang zu bringen. Dazu ist „Emotionsarbeit"58 und Emotionsmanagement notwendig. „Emotionsarbeit beschreibt den Versuch, in einer sozialen Situation den Gefühlsaus- druck in Übereinstimmung mit den für die Situation angemessenen Gefühlsregeln zu bringen"59. Dazu sind folgende Fähigkeiten wichtig: eine angemessene Rollendistanz, die Einbeziehung der Gefühlsarbeit in der Berufsrolle und das Bewusstsein, dass die eigenen Gefühle den Patienten be- einflussen können. Dies fördert dann das Selbstwertgefühl der Pflegenden, welches sich bis in das Beziehungsverhältnis zum Gepflegten auswirken kann. Denn die Autorin benennt treffend, dass die Zufriedenheit der Kunden abhängig ist von der Zufriedenheit der Mitarbeiter60, auch wenn dies sicher nicht zwangsläufig so ist.

Wie deutlich wurde, erfüllen die Prozessbeteiligten eine besondere Leistung, sie stehen immer wie- der vor neuen Herausforderungen, die eine psychosoziale Belastungssituation darstellen, zu psycho- somatischen Krankheitsbildern61 führen können und zur persönlichen Entwicklung anregen. Daraus und aus dem Verständnis, dass Gesundheitsgüter Vertrauensgüter sind, ergibt sich als Konsequenz die Notwendigkeit für die Altenhilfe, in besonderem Maße patienten- und mitarbeiterbezogene Ziel- setzungen zu reflektieren und diese angemessen zu kommunizieren. Die aufgezeigten individuellen Entwicklungsaufgaben und Belastungen der Beteiligten sowie deren psycho-soziales Wohlbefinden ist in den Themenfächer der Betrachtung und Beachtung der zu managenden Alltagsaufgaben und Entwicklungssituationen grundlegend mit einzubeziehen. Daher sollte ein ganzheitliches und ge- sundheitsförderndes Betreuungs- und Pflegekonzept Grundlage der Arbeit sein, bei dem der Mensch mit seinen Ressourcen und seiner spezifischen Verfassung wahrgenommen wird. Die Be- achtung und Entwicklung obliegt allen Beteiligten. Von Seiten des Managements sollte jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht und aufgezeigt werden, dass sie diesem Thema ernsthaft nachge- hen. Dadurch kann ein Rahmen geschaffen werden, der dem Einzelnen und dem Team den Weg ebnet, ihr psycho-soziales Befinden von sich aus zu thematisieren.

2.6 Die Altenhilfe im Wandel

Im letzten Jahrzehnt war der Altenhilfebereich durch viele gesetzliche Vorgaben zu Veränderungen gezwungen. Jetzt steht der Zukunftsmarkt der Altenhilfe vor weiteren Herausforderungen, die die Chance eröffnen, neue Wege zu gehen und die Bewältigung von Aufgaben anders zu gestalten. Wo gibt es sonst diese Möglichkeit, nicht nur durch die Weiterentwicklung bestehender Einrichtungen, sondern auch durch den Neubau und die Neueröffnung von Einrichtungen der Altenhilfe ein neues Managementverständnis zu entwickeln und zu implementieren. Dies sollte zu einer differenzierten, grundlegenden Auseinandersetzung über mögliche Zukunftsaufgaben und Konzepte für das Altenhilfemanagement genutzt werden.

2.6.1 Der Wandel der Marktbedingungen

Das Arbeitsfeld der stationären Altenhilfe wird als Wachstumsmarkt bezeichnet. Auf Grund der demografischen Entwicklung und des medizinisch-biologischen Fortschritts ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach stationären Plätzen in Altenhilfeeinrichtungen weiterhin zunimmt, obwohl immer mehr Senioren den Wunsch haben, außerhalb von stationären Einrichtungen zu leben62. Laut Bundespflegestatistik 2001 betrug das Wachstum für die stationären Altenhilfeeinrichtungen bisher 5,4% und es ist mit einem weiteren Wachstum zu rechnen63. Schätzungen besagen, dass bis zum Jahr 2050 ca. 800.000 zusätzliche Pflegeplätze benötigt werden64. Dieses Wachstum macht den Altenhilfemarkt noch interessanter, auch für private Träger von Einrichtungen. Der Konkurrenz- kampf um diesen lukrativen Zukunftsmarkt wird zwischen den Anbietern immer größer. Dieser Marktdruck führt dazu, dass die duale Zielsetzung der freien Wohlfahrtspflege zwischen den preis- finanzierten Aufgaben und den karitativen unentgeltlichen Leistungen immer problematischer wird65.

Es wird nicht nur um Marktanteile gerungen, sondern auch um ausgebildete Fachkräfte. Dem stei- genden Bedarf an Fachkräften wirken Entwicklungstendenzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mitunter konträr entgegen. Die allgemeinen Tendenzen des Alterns der Belegschaft und der allge- mein fortschreitenden früheren Freisetzung der älteren Belegschaft (aus dem Arbeitsleben) stehen den altenhilfespezifischen Tendenzen des Mangels an Fachkräften, der Belastung des Pflegeperso- nals durch Wochenend- und Schichtdienste und der mit den Dienstjahren steigenden körperlich- seelischen Beanspruchung gegenüber. Hier wird erneut deutlich, wie viele Bedingungen auf die Altenhilfe einwirken.

Darüber hinaus wird sich die politische Schwerpunktsetzung „ambulant vor stationär“ weiter ver- stärken. Dies ist nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch wegen der Beheimatung im per- sönlichen Umfeld eine nachvollziehbare Tendenz. Sie wird jedoch an ihre Grenzen stoßen. Zwar steigt die Zahl der Menschen, die zu Hause durch Familienpflege und „professionelle Pflege" ver- sorgt werden und versorgt werden möchten; diese Hilfe der Pflege in der Familie wird jedoch von der zahlenmäßig abnehmenden Nachfolgegeneration immer weniger getragen werden können. Auch wird es immer schwieriger, dazu Fachpersonal auf dem Arbeitsmarkt zu rekrutieren.

Weitere Aufgaben liegen in der Bewältigung der Dynamik des allgemeinen multiprofessionellen Fortschritts, die Bewältigung der immerwährenden Dynamik des medizinisch-technischen, pflegeri- schen, pharmakologischen und fachlichen Fortschritts sowie der Weiterentwicklung des methodi- schen Vorgehens, der Handlungskonzepte und des fachlichen Handelns66. Das Spannungsfeld zwi- schen der spezifischen Identität und dem stark normativ geprägten Selbstverständnisses der Alten- hilfeeinrichtungen gegenüber den Veränderungen im Umfeld67 fordert die Altenhilfe zu Verände- rungen heraus. Auf multiprofessionelle Veränderungen und Anforderungen ist mit einer weiteren Professionalisierung der in der Altenhilfe tätigen Menschen zu reagieren. Diese beginnt bei den Führungskräften, bei den Ausbildungsplänen der Altenhilfeberufe, der steten Schulung und der fachlichen und persönlichen Aus- und Weiterbildung der in der Altenhilfe tätigen.

Trotz dieser Tendenzen wird weiterhin davon ausgegangen, dass auf Jahre hin mit einer kontinuier- lichen Erweiterung der stationären Kapazitäten in Altenheimen zu rechnen ist68. Dies würde aber, auf Grundlage der derzeitigen rechtlichen Regelungen, auch zu einer kaum tragbaren ökonomischen Belastung der Sozialsysteme führen, falls nicht durch andere Angebote deutlich gegengesteuert wird69. W. Frieling-Sonnenberg geht davon aus, dass die Altenhilfe sich in Zukunft, in Verbindung mit differenziert gestalteten und fächerübergreifenden Konzepten nach Marktgesetzen, äußerst komplex entwickeln wird70.

2.6.2 Der Wandel der Anforderungen

Auch die Anforderungen, auf die sich die Altenhilfeeinrichtungen einstellen müssen und auf die sie ihr Angebot ausrichten, sind im Wandel. Dazu gehört die Veränderung der Bewohnerstruktur hin zu immer älteren und immer hilfsbedürftigeren Bewohnern, deren Aufenthaltsdauer in den stationären Einrichtungen kürzer werden wird. Des weiteren kommen die steigende Anspruchshaltung der Kunden, Bewohner und Angehörigen, für die teuer eingekauften Dienstleistungen hinzu. Aber auch die Anforderungen und Vorgaben durch den Gesetzgeber, die Prüfung der Qualität der Dienstleis- tung und die Vorgaben durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) sowie der Wunsch der Mitarbeiter eine sinnvolle Arbeit leisten zu können sind von Bedeutung. Mitunter ste- hen diese Anforderungen in Widerspruch zueinander. All diesen Anforderungen soll die Altenhilfe gerecht werden und dies bestmöglich und zu einem möglichst günstigen Preis. Dies fordert das Ma- nagement heraus, die Konfrontation mit den verschiedensten internen und externen Interessengrup- pen, die dabei auftauchenden Widersprüchlichkeiten und Spannungsverhältnisse zu lösen. Dies stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar.

2.6.3 Die sich wandelnde Öffentlichkeit

Auf Grund der demografischen Entwicklung und der steigenden Zukunftsrelevanz der Altenhilfe werden immer häufiger in der Öffentlichkeit altenhilferelevante Themen diskutiert. Dies zeigte sich im Besonderen in der öffentlichen Diskussion zu Beginn diesen Jahres. Dabei ging es um den de- mographischen Wandel und seine Folgen, das Altwerden, die Hilfsangebote im Alter, die zu refor- mierende Finanzierung der Altenhilfe und der Pflegeversicherung und immer wieder um die Nega- tivbeispiele auf Grund mangelnder Hilfestellung und Fehler bei der Pflege und Betreuung der alten Menschen. Es wurde dabei ein einseitiges, undifferenziertes und negatives Bild über die Angebote der Altenhilfe gezeichnet. Dem ist entschieden mit einer vielfältigen Öffentlichkeitsarbeit entge- genzutreten, mit der Zielrichtung ein positives Bild der stationären Altenhilfe zu gestalten.

2.6.4 Auf dem Weg zu einem spezifischen Altenhilfemanagement?

Die Entwicklungen und Aufgaben, welche die Altenhilfe in den letzte Jahren zu bewältigen hatte, legen die Frage nahe, ob sich auf Grund dieser Anforderungen ein spezifisches Altenhilfemanage- ment entwickelt hat. In der Organisationspraxis der Altenhilfe spielt in den letzten Jahren der An- satz des Qualitätsmanagements eine bedeutende Rolle, welcher sich zu einem umfassenden und übergreifenden Führungskonzept entwickelt hat. Daneben gibt es, wie Samland es aufzeigt, traditi- onell eine deutliche Orientierung der Heimleitungen, ein möglichst gutes Pflegemanagement zu gewährleisten, wobei damit die wirtschaftlichen Vorgaben und Möglichkeiten aus dem Blickfeld verdrängt werden71. In der Literatur wurden diesbezüglich die verschiedensten Vorschläge unter- breitet. Boeßenecker plädiert für ein spezifisches Altenhilfemanagement und einer grundlegenden Veränderungshaltung des Managements72. R. Reinspach entwickelte den Ansatz des strategischen Managements für Gesundheitsbetriebe, zu dem sie auch die Altenhilfeeinrichtungen zählt. In den Mittelpunkt stellt sie die zentrale Entwicklungsaufgabe für Gesundheitsbetriebe, die Integration der Professions- und Organisationsrationalitäten zu einer Gesamtsystemrationalität zu erreichen73.

All diese Ansätze heben besondere, bisher vielleicht eher vernachlässigte Akzente oder Blickrichtungen im Altenhilfemanagement hervor und können auch als fachliche Trends bezeichnet werden. Dies ist bei den Management-Modethemen auch nicht anders. Dies birgt die Gefahr, dass andere, bisher gut beachtete Akzente, in den Hintergrund rücken oder sogar vernachlässigt werden. Ähnlich formuliert dies Ulrich, wenn er feststellt, dass Herausforderungen, praktische Probleme und Problemsituationen der handelnden Menschen nicht gelöst werden können, wenn dem Lösungsansatz ein einseitiges Verständnis zugrunde liegt, wie z.B. die wirtschaftswissenschaftliche Betriebswirtschaftslehre74. Eine inhaltoffene, grundlegende Auseinandersetzung über eine übergreifende Managementidee für die Altenhilfe ohne eine spezifische inhaltliche Ausrichtung, wie beim Qualitätsmanagement, ist mir in den Veröffentlichungen jedoch nicht aufgefallen.

Ein hilfreicher Schritt für ein Altenhilfemanagement wäre es, aus den dargestellten Spezifika und der Situation der Altenhilfe sowie der sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen die notwendigen Herausforderungen abzuleiten und diese in einzelnen spezifische Entwicklungsdimensionen darzu- stellen. Dies fördert die Blickrichtung hin zu einem übergreifenden Denken, Planen und Handeln, was jedoch nicht in einem spezifischen Altenhilfemanagement münden soll. Ziel sollte es sein, die Vieldimensionalität zum Maßstab des eigenen Managementverständnisses zu entwickeln.

3 Entwicklungsdimensionen für ein Management von Einrichtungen der stationären Altenhilfe

Die Leitungskräfte in der Altenhilfe tragen die Verantwortung, ihre Institution nicht nur in den Strömungen der Zeit zu manövrieren, sondern auch die Richtung anzugeben, in welche die Fahrt führen soll. Dieses Bild eines Schiffes auf hoher See verdeutlicht den zweiteiligen Auftrag der Lei- tung. Sie haben nicht nur das operative Geschäft zu steuern, sondern auch den Blick auf den Horizont zu richten, also auf das was auf die Organisation zukommen könnte und welche Zukunftsperspektiven einzuschlagen sind.

Für diesen herausforderungsvollen Zukunftsweg der Altenhilfeorganisationen werden im Folgenden arbeitsfeldbezogene, entwicklungsleitende Dimensionen zusammengetragen, die eine Synthese aus den in den ersten beiden Kapiteln dieser Arbeit beschriebenen, inhaltlichen Akzente darstellen. Die- se einzelnen Entwicklungsaufgaben sind als Entwicklungsdimensionen einer Gesamtaufgabe zu verstehen. Deren erfolgreiche Bewältigung erfordert ein übergreifendes, vernetztes und systemi- sches Denken und Planen. Daher wurde der Begriff Entwicklungsdimensionen gewählt. Sie sind Dimensionen einer anstehenden, zu bewältigenden (Weiter-)Entwicklung der stationären Altenhilfe. Aus systemischer Sicht sind so auch die Folgen und Zusammenhänge der einzelnen Entscheidungen verstärkt im Blickfeld. Mit diesem Vorgehen soll eine vielseitige einrichtungs- und umfeldbezogene Managementsichtweite und -weise eröffnet werden, welche eine Fokussierung und Bewältigung der internen und externen komplexen Verhältnisse der Organisation ermöglichen und erhöhen soll.

3.1 Die Dimension der inhaltlichen Ziel(aus)richtung

Handlungsleitende Grundlage und Ausgangsdimension eines jeden Managements ist die Festlegung und wiederkehrende Überprüfung und Neuorientierung der inhaltlichen Ausrichtung der Organisa- tion. Dies ist vor allem in der Altenhilfe auf Grund der verschiedensten organisationalen und um- feldbezogenen Impulsgeber und Anspruchgruppen als eine stete und feinsinnige Managementauf- gabe anzulegen. Eine solche Aufgabe ist ausgehend von den organisationsspezifischen Wurzeln und Orientierungen sowie dem sich in der Altenhilfe entwickelten sinn- und wertorientiertem Selbstver- ständnis zu gestalten. Dies stellt einen besonderen Erfahrungsschatz, ein stabilisierendes Element und ein entwicklungsfähiges Fundament dar. Diese Organisationsidentität wird berührt und konter- kariert von den verschiedensten Impulsen, wie sie in Kapitel 2 beschrieben wurden und ist mit die- sen in Korrelation zu bringen.

Die Managementkunst der Ziel(aus)richtung in der Altenhilfe liegt darin, jeweils eine organisati- onsspezifische Antwort zu finden. Dabei geht es zum einen darum, die verschiedensten Impulse und -geber zu identifizieren und ihre Relevanz zu erfassen und ihre bekannten und zum Teil verdeckten Ideen, Ziele und Leitmotive, in Bezug zur Organisationsidentität zu bringen oder verbindende, ge- meinsame Verknüpfungspunkte herzustellen. Zum anderen ist die einrichtungsbezogene und fachöf- fentliche Gewichtung zwischen ethischer Orientierung und ökonomischen Erfordernissen vorzu- nehmen. Die hier skizzierte, intensive Beschäftigung mit der Zielfindung, -abwägung und der daraus zu entwickelnden strategischen Ausrichtung75 der Organisation, stellt für die Altenhilfeorganisationen eine nicht zu unterschätzende Chance dar, die Organisation auf die erfolgreiche Bewältigung der von Dynaxität geprägten Herausforderungen vorzubereiten und auszurichten. Ein zentrales strategisches Ziel für die beschriebene Ausrichtung des Altenhilfemanagements stellt die Notwendigkeit einer verstärkten Subjektorientierung dar.

3.2 Die Dimension der verstärkten Subjektorientierung

Vor allem die stationäre Altenhilfe stellt auf Grund ihrer Spezifika der Dienstleistung ein multifak- torelles arbeits- und beziehungsintensives Arbeitsfeld dar, bei dem der Mensch eine zentrale und bedeutende Rolle innehat. Die Altenhilfedienstleistung ist ein personenzentrierter, meist personalin- tensiver und interaktionsbezogener Prozess, wie es durch die Beziehungstriade bereits verdeutlicht wurde. Die Wichtigkeit der Subjektorientierung wird zusätzlich gestützt, wenn wir uns vergegen- wärtigen, dass der Mensch Ursprung und Teil des sozialen Systems ist, als Ursprung und Triebfeder des Wandels gilt. Außerdem ist die Altenhilfeeinrichtung als (Teil-)Lebenswelt der in ihr arbeiten- den und lebenden Menschen anzusehen.

Die Verstärkung der Subjektorientierung und das damit verbundene interaktionsbezogene Denken und Handeln ist ein Wesensmoment der Altenhilfe und stellt eine Grunddimension für eine Managementsichtweise dar. Die Subjektorientierung sollte jedoch nicht nur funktional, sondern auch inhaltlich, prozessual und konzeptionell fest in einem Managementansatz verankert werden und konsequent durch eine subjektorientierte Strategie verfolgt werden. Der Begriff der Subjektorientierung impliziert bereits den Weg dahin. Es geht dabei zum einen um die (Be-)Achtung des Individuums und zum anderen um die Orientierung auf die zentralen internen prozessbeteiligten Personengruppen der Altenhilfe und die sie jeweils umgebenden und beeinflussenden internen und externe Entwicklungen, Tendenzen und Wandlungsprozesse.

Die stärkere Beachtung des Einzelnen, mitwirkenden Menschen stellt den grundlegenden Schritt zu einer Subjektorientierung dar. Dies kann gelingen, mit der Ausrichtung und Beachtung der psycho- sozialen Situation und des Arbeits- und Gesundheitsverhaltens, der Hinwendung und Einbeziehung sowie der Beibehaltung und Förderung von konstitutionellen und psycho-sozialen Ressourcen und Potenzialen des Menschen, der Mobilisierung von Widerstandsreserven und der Berücksichtigung der Zusammenhänge dieser einzelnen Faktoren76. Hinzu käme, dass das Management dem Men- schen ein angemessenes Maß an Achtsamkeit und Fürsorge zukommen lässt, die Würde des Men- schen als Leitbildakzent verankert wird, Anstand zu wahren ist, Fairness auszuüben ist, Leistungen anzuerkennen sind, einen respektvollen Umgang mit Untergebenen zu pflegen ist und auf eine an- gemessene Vergütung zu achten ist77. Diese Beachtung des Einzelnen und deren individuelle Ein- bindung in die Managementprozesse ermöglichen eine stärkere Verwurzelung des Einzelnen mit der Organisation und deren Zielen sowie eine breitere und umfassendere Vielfältigkeit an Kenntnis- sen und Kompetenzen als Basisfähigkeiten für ein Management der Herausforderungen. Der Mensch wird so mit seinen Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen, aber auch Erwartungen, Be- fürchtungen und seiner eigenen Verfassung, zu einer entscheidenden Orientierungsgröße, aber auch zur Ressource, die zu einem beachtlichen Erfolgsfaktor78 für das Management werden kann.

3.2.1 Orientierung am Kunden

Im Mittelpunkt der Altenhilfedienstleistung stehen die Kunden, zum einen die Bewohner als direkte Kunden, und zum anderen die Angehörigen als unmittelbare mit(ein-)wirkende Kunden. Sie brin- gen sich persönlich mit ihren Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Wünschen und bisheri- gen Beziehungserfahrungen in die Lebenswelt der Einrichtungen ein. Sie können sich soweit mit einbringen wie ihre persönliche und medizinische Verfassung, das bestehende individuelle Bezugs- system und das soziale System der Einrichtung dies ermöglichen. Dies verdeutlicht, dass die Kun- den viel mit einzubringen haben und somit eine zentrale und umfassende Orientierungsgröße für das Management darstellen. Die Orientierung am Kunden und ihre Einbeziehung in das Einrich- tungskonzept und die Dienstleistungserstellung stellt eine vieldimensionale Managementaufgabe dar, die einer steten Weiterentwicklung bedarf. Ziel sollte es sein, die Orientierung am Kunden konzeptionell und prozessual verstärkt in den Mittelpunkt der Dienstleistung zu stellen79.

Erschwert wird die Kundenorientierung auf Grund der sich ausdifferenzierenden und im Wandel befindlichen Zusammensetzung der Kundengruppe. Zu diesen Tendenzen gehören die Auswirkun- gen der allgemeinen soziodemografischen Entwicklung80, die steigende durchschnittliche Lebens- erwartung der Bevölkerung81, die sich differenzierende Lebenssituation82 der Kunden und der sou- veräne und aufgeklärte Mensch, der sich immer mehr als Kunde sieht und auf Qualität achtet. Diese Tendenzen werden unweigerlich zu Veränderungen der Versorgungsformen, zu differenzierteren Angeboten und einer verstärkten Ausrichtung auf Dienstleistungs- und Serviceorientierung und personenbezogene, interaktive Dienstleistungsprozesse83 führen. Auf diese Entwicklungen sollte sich das Altenhilfemanagement einstellen, sich davon anregen lassen und organisationsspezifische Antworten dazu entwickeln.

3.2.2 Orientierung auf den Mitarbeiter

Dem Management muss bewusst sein, dass die Mitarbeiter eine Schlüsselposition innehaben. Vor allem trifft dies auf die Pflegekräfte mit ihrer klientennahen Aufgabe und engen Interaktion mit den Kunden zu. Sie sind in der Rolle der (Ver-)Mittler in beide Richtungen, zwischen den Kunden und der Institution Altenheim und umgekehrt. Die Mitarbeiter als Dreh- und Angelpunkt des Systems mit ihrer Einstellung, Profession, Berufsidentität, Fähigkeiten, Fertigkeiten, physischen und psychischen Bedürfnissen, Stresspotential, Rollendistanz, Bewältigungsstrategien und ihrer persönlichen Verfassung sind mit entscheidende systemspendende oder bremsende Kräfte.

Die Beachtung der im Fluss befindlichen Erwartungen der Mitarbeiter, der belastenden Arbeitssitu- ation in der Betreuung und Pflege, der psycho-sozialen Situation und der sinngeprägten Arbeits- und Lebensqualität, als auch die gelingende Integration des Einzelnen in das soziale System sind mit entscheidende und Erfolg versprechende Parameter eines an der Mitarbeiterorientierung interes- sierten Managements. Eine ernsthafte Einbeziehung der Mitarbeiter mit ihrem Wunsch nach mehr Beteiligung, ihrer Motivation, gute Arbeit leisten zu wollen und ihren Fähigkeiten, in ihrem Aufga- benfeld Innovation zu generieren wird eine systemunterstützende Größe darstellen. Dies muss ein- hergehen mit der Übertragung einer aktiven Systemrolle und der Eröffnung von Partizipation und

Feminisierung des Alters, die Singualisierung des Alters, die Multikulturalität des Alters, Zunahme von sozialen Ungleichheiten und die Hochaltrigkeit und Multimorbidität (Vgl. Hoppe 2005, S. 67ff).

Handlungsspielräumen für die Mitarbeiter, vor allem in einer Zeit, in der den menschlichen Fakto- ren im Management eine steigende Bedeutung zukommt84.

3.2.3 Orientierung auf die Führungskräfte

Die Dimension der Leitungsorientierung, ein Begriff der zuerst einmal ungewohnt klingt, stellt die Führungskraft und ihre eigene Entwicklungsaufgabe in den Fokus der Betrachtung. Vor allem die Managementverantwortlichen sollten auch immer wieder selbst initiiert oder durch Anregung der ihnen vorstehenden oder zur Seite stehenden Verantwortlichen des Einrichtungsträgers ihren Blick auf sich selbst richten. Auf Grund ihrer Führungsaufgabe, ihrer exponierten Position und der ihnen zukommenden Vorbildfunktion sollten sie sich in die Verpflichtung nehmen oder genommen wer- den, zur individuellen, persönlich fachlichen Weiterbildung und Qualifikation und der Beachtung ihrer psycho-sozialen Situation und Belastungen. Dadurch sollen sie sich auf die sich wandelnden Bedingungen vorbereiten und sich zur Bewältigung der Aufgaben (weiter)befähigen.

Die Notwendigkeit zu einer Qualifikation der Führungskräfte und der Erweiterung ihres Fachwis- sens werden durch zwei Tendenzen verdeutlicht und durch diese stark determiniert. Zum einen sind dies die gesetzlichen Vorgaben zu einem größeren Stellenwert von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Angebote. Zum anderen wird das Management durch die vielfältigen, komplexen, sich wandelnden und ausweitenden Führungsaufgaben sowie der Dynaxität der Verhältnisse und des sich verstärkenden Konkurrenzkampfes gefordert. Darüber hinaus haben sie die Erfüllung der aktuellen Angelegenheiten des operativen Geschäfts, die Beachtung der beschriebenen Orientierung an den Mitarbeitern und den Kunden zu leisten und die zukunftsweisenden Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Diese veränderten Anforderungen an die Kompetenzen und das Fachwissen der Leitungspersonen bedarf eines starken Professionalisierungsschubs, der bisher nicht in Gänze erfolgt ist. Öhlschläger benennt eine Führungs- und Hierarchiekrise als auffallendes Syndrom des Nonprofitbereiches. Er begründet dies mit dem bisherigen mangelnden Effizienzdruck bzw. der mangelnden und laienhaf- ten Entwicklung der Führungssysteme und der unprofessionellen Rekrutierung der Leitungskräfte85. Des weiteren zeigt Frau Reinspach auf, dass den Gesundheitsbetrieben massive Mängel in der Be- triebsführung, Schwachstellen in der Organisation und Managementfehlleistungen zugeschrieben werden und daher ein Nachholbedarf beim betriebswirtschaftlichen Instrumentarium besteht86. Die- se Entwicklung mündet in der Forderung nach einer Professionalisierung der Führungskräfte durch eine fächerübergreifende Ausbildung der Leitungskräfte und ihre Befähigung, diese Erkenntnisse dann in ihrem Führungsverständnis und -verhalten mit zu berücksichtigen87. Es bedarf also auch der individuellen Auseinandersetzung mit dem eigenen handlungsstärkenden Führungsverständnis, der Klarheit über ein handlungsleitendes Führungskonzept, des -verhaltens, der -stärken, der -kompetenzen, der -fähigkeiten, der beruflichen Identität sowie dem eigenen Führungswissen und den gesammelten -erfahrungen. Denn dieser Fundus bildet die wesentliche Grundlage für eine professionelle Leitung.

3.3 Die Dimension der individuellen und organisationalen Professionalisierung

Die (Weiter-)Entwicklung der Einrichtung und deren zukunftsfähige Ausrichtung stellt auf Grund der unterschiedlichen Trends, des Wandels der Bedingungen und der Dynamik und Komplexität des Wandels, eine herausfordernde muliprofessionelle Aufgabe dar. Eine solche Aufgabe ist im Beson- deren dann professionell zu lösen, wenn ein fächerübergreifendes Fachverständnis innerhalb der Organisation vorhanden ist. Wie im letzten Abschnitt bereits benannt, bedarf es dazu einer Profes- sionalisierung der Führungskräfte, aber auch der Mitarbeitenden. Dazu sind im ersten Schritt nicht unzählige Fortbildungen und Studienabschlüsse notwendig. Im Wesentlichen geht es darum, das vorhandene Wissen zu erschließen und zu aktivieren. Falls dies nicht vorhanden ist sollte dies durch Aus- und Fortbildungen erschlossen werden oder es sollten dazu externe Fachleute hinzugezogen werden.

Als zweiten Schritt ist ein grundlegendes Verständnis zu den einrichtungsbezogenen Themen und eine einrichtungsspezifische Haltung zu entwickeln. Die zu erarbeitenden Themenfelder sind: der Wandel; die Kompetenz, den Entwicklungshorizont zu fokussieren; eine Veränderungsbereitschaft; die Beachtung der Wirkungen und Reaktionen sowie möglicher Grenzen der Entwicklung; die eigenen Erfahrungen im Umgang mit Veränderungen und das Wissen darüber; das Entwicklungsniveau und die -fähigkeit des sozialen Systems und die bei Veränderungen mit einzubeziehende Beachtung der psychosozialen Situation und Balance des Individuums. Nach dieser organisationalen Verständigung ist des weiteren eine Abstimmung der Vorgehensweise notwendig.

[...]


1 Voss 2005, S. E 3

2 ebd., S. E 3

3 Veröffentlicht von der Autorengruppe R. Klimecki, G. Probst und P. Eberl. Prof. Rüdiger Klimecki ist vom Lehrstuhl für Management an der Fakultät der Verwaltungswissenschaften der Universität Konstanz; Prof. Dr. Gilbert J. B. Probst ist ordentlicher Professor für Organisation und Management und Direktor des MBA-Programms an der Universität Genf; Peter Eberl studierte Verwaltungswissenschaft und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Manage- ment an der Universität Konstanz. An den Forschungen im Vorfeld der Veröffentlichung waren noch weitere Autoren beteiligt.

4 Voss 2005, S. E 3

5 Vgl. Lievegoed 2004, S. 100

6 Vgl. Reinspach 2001, S. 1 + vgl. Kastner/Kastner/Vogt 2001, S. 57

7 Dynaxität wird als Begriff genutzt von Kastner/Kastner/Vogt 2001, S. 35

8 Vgl. Klimecki/Probst/Eberl 1994, S. 7

9 Vgl. ebd., S. 5 + 74f der Ressourcen“

10 Vgl. Rosenstiel/Comelli 2003, S. 18f

11 Vgl. Klimecki/Probst/Eberl 1994, S. 21

12 Vgl. Lievegoed 2004, S. 61ff + vgl. Reinspach 2001, S. 113

13 Vgl. Reinspach 2001, S. 109ff

14 Vgl. Glasl 2004, S. 14

15 Vgl. Lievegoed 2004, S. 61ff

16 Vgl. Reinspach 2001, S. 110

17 Vgl. ebd., S. 110

18 Vgl. ebd., S. 110f

19 Vgl. ebd., S. 110f

20 Vgl. Schröder 2005, S. E 24

21 Vgl. Voss 2005, S. E 3

22 Vgl. Franke 2001, S. 160

23 ebd., S. 159

24 Knopf 2001, S. 23f

25 Vgl. Otto 2001, S. 16

26 Vgl. Knopf 2001, S. 22

27 Als mögliche Kriterien für einen Beginn der Phase des Alters kommen das kalendarische, biologische, psychisch intellektuelle oder soziale Alter in Frage (Vgl. Gerling/Naegele 2001, S. 30). In der Literatur werden unterschiedliche Bezeichnungen des Alters genannt, auf deren Nennung hier im Einzelnen verzichtet wird.

28 Im Rahmen der stationären Altenhilfe sind damit gemeint, die Bewohner und die Bezugspersonen die ihnen nahe stehen und sich für ihr Wohlergehen mitverantwortlich fühlen.

29 Vgl. Gerling/Naegele 2001, S. 30

30 Vgl. Knopf 2001, S. 24

31 ebd., S. 25

32 Vgl. Hoppe 2005, S. 57

33 Vgl. Knopf 2001, S. 24

34 Vgl. Otto 2001, S. 12

35 Vgl. Reinspach 2001, S. 125 + 230

36 Vgl. Holz 2005, S. 61

37 Vgl. Otto 2001, S. 15

38 Vgl. ebd., S. 11ff

39 Vgl. Hoppe 2005, S. 58

40 Vgl. Boeßenecker 2005, S. 16

41 Vgl. O.A. 2006a, S. A5

42 Knopf 2001, S. 22

43 Vgl. Hoppe 2005, S. 55

44 Vgl. Otto 2001, S. 15

45 Vgl. ebd., S. 11

46 Siehe dazu Hoppe 2005, S. 54 und Otto 2001, S. 18

47 Vgl. Frieling-Sonnenberg 1997, S. 188

48 Vgl. ebd., S. 195ff

49 Vgl. ebd., S. 187 + 190

50 Vgl. ebd., S. 183 + 188 + 199

51 Vgl. Frieling-Sonnenberg 1997, S. 198

52 Vgl. Schneider/Thuering/Ruthemann 1999, S. 15f

53 Frieling-Sonnenberg 1997, S. 10

54 Vgl. ebd., S. 187

55 Schneider/Thuering/Ruthemann 1999, S. 17

56 Vgl. ebd., S. 17f

57 Vgl. ebd., S. 17f

58 Den Begriff der „Emotionsarbeit“ hat A. R. Hochschild im Jahre 1990 geprägt (Vgl. Reinspach 2001, S. 192)

59 Reinspach 2001, S. 192

60 Vgl. Reinspach 2001, S. 192 + 222

61 Vgl. Frieling-Sonnenberg 1997, S. 199

62 Vgl. O.A. 2005, S. 9

63 Vgl. Gaier 2005, S. 24

64 Vgl. O.A. 2005, S. 9

65 Vgl. Schwarz 2000, S. 26

66 Vgl. Otto 2001, S. 17

67 Vgl. Nobielski 2004, S. 32f + Vgl. Reinspach 2001, Vorwort

68 Vgl. Gaier 2005, S. 24

69 Vgl. O.A. 2005, S. 9

70 Vgl. Frieling-Sonnenberg 1997, S. 12

71 Vgl. Gaier 20056, S. 24

72 Vgl. Boeßenecker 2005, S. 12

73 Vgl. Reinspach 2001, S. 229f

74 Vgl. Ulrich 2001, S. 224

75 R. Reinspach verfolgt in ihrem Buch „Strategischen Management von Gesundheitsbetreiben“ diesen Ansatz (Vgl. Reinspach 2001). Sie konzipierte jedoch eine zu starke betriebswirtschaftliche Ausrichtung der Organisationen. Diese stellt ja, wie oben beschrieben, nur eine der verschiedenen abzuwägenden Zielorientierungen dar. Das es eines stärkeren betriebswirtschaftlichen Fachwissens in den Nonprofitorganisationen bedarf, ist jedoch zuzustimmen.

76 Vgl. Reinspach 2001, S. 189f

77 Vgl. Reinspach 2001, S. 230

78 Vgl. O.A. o.J., S. 1

79 Vgl. Gerling/Naegele 2001, S. 39

80 Die Strukturveränderungen der Bevölkerungsentwicklung zeigen sich durch den Anstieg des Prozentsatzes der Älte- ren an der Gesamtbevölkerung (Vgl. Otto 2001, S. 13f), die Verjüngung des Alters, Entberuflichung des Alters, die

81 Auf Grund der steigenden durchschnittlichen Lebenserwartung der Bevölkerung ist mit steigenden Einschränkungen des Gesundheitszustandes zu rechnen (Vgl. Gerling/Naegele 2001, S. 38), wie die Zunahme der Alzheimerkranken (Vgl. O.A. 2006b) und der Menschen mit Behinderungen (Vgl. Hoppe 2005, S. 57).

82 Die Lebenssituation älterer Menschen ist deutlich im Wandel. Diese wird mit geprägt durch die materiellen, die gesundheitlichen, die geistigen und sozialen Gegebenheiten, die biografischen Verläufe, die verschiedenartige Umgebung und Lebenswelt (Vgl. Hoppe 2005, S. 60), die sozialen Ungleichheiten im Alter, das auseinander driften der ökonomischen Lebensverhältnisse, die sich abzeichnende Strukturschwäche der primären privaten Netzwerke, die Polarisierung der Alters und die spezifischen Kommulationseffekte (Vgl. Gerling/Naegele 2001, S. 36ff).

83 Vgl. Reinspach 2001, S. 1ff

84 Vgl. Büllinger 2000, S. 8ff

85 Vgl. Öhlschläger 1995, S. 9ff

86 Vgl. Reinspach 2001, S. 3ff. Dies trifft auf Gesundheitsbetriebe zu, zu denen sie auch die Altenhilfe zählt, vgl. Reinspach 2001, S. 1

87 Vgl. ebd., S. 11ff

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Chancen und Risiken des entwicklungsorientierten Managements am Beispiel der stationären Altenhilfe
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
118
Katalognummer
V186429
ISBN (eBook)
9783869437101
ISBN (Buch)
9783656993872
Dateigröße
3469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
chancen, risiken, managements, beispiel, altenhilfe
Arbeit zitieren
N. Funk (Autor:in), 2007, Chancen und Risiken des entwicklungsorientierten Managements am Beispiel der stationären Altenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186429

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